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WÜRZBURG
Am Keyboard ein echter Musikprofessor
Am Keyboard ein echter Musikprofessor       -  Das „Tut gut!“-Team des Bürgerspitals verhilft Senioren der Reha-Klinik zu neuem Lebensmut
Foto: Pat Christ | Das „Tut gut!“-Team des Bürgerspitals verhilft Senioren der Reha-Klinik zu neuem Lebensmut
Pat Christ
Pat Christ
 |  aktualisiert: 29.09.2016 03:29 Uhr

Eberhard Buschmann hatte es zu Jahresbeginn schwer gebeutelt. Der 85-Jährige kam ins Krankenhaus, mehrere Eingriffe waren nötig. Um sich zu kräftigen, wurde der Musikprofessor im Anschluss an die Geriatrische Reha-Klinik des Bürgerspitals in Würzburg überwiesen.

Dort entdeckte er ein Projekt, das ihn begeisterte: Unter dem Motto „Tut gut!“ bieten Freiwillige den Patienten unter der Woche an jedem Nachmittag eine Stunde „Spaß & Spiel“ an. Heute ist Buschmann selbst für „Tut gut!“ aktiv.

Vor einem Jahr startete das Projekt im Bürgerspital. Zehn Männer und Frauen ab 45 Jahren engagieren sich heute für Senioren, die nach einer schweren Erkrankung mehrere Wochen lang in der Reha-Klinik behandelt werden. Mit seinen 85 Jahren ist Eberhard Buschmann der älteste Aktive.

Im hohen Lebensalter in eine Klinik zu kommen, ist heikel. Niemand kann vorhersagen, ob der ältere Mensch nach der Akutbehandlung und der anschließenden Rehabilitation wieder all das wird tun und schaffen können, was er bisher gemacht wird.

Die Zeit während des vierwöchigen Reha-Aufenthalts kann entsprechend belastend sein. Viele Patienten grübeln darüber nach, wie es nach der Entlassung wohl weitergehen wird. Werden sie noch alleine wohnen können? Werden sie wieder gut zu Fuß sein? Oder werden sie Hilfe benötigen?

Solche Fragen gehen den Patienten vor allem dann durch den Kopf, wenn es in der Reha-Klinik ruhiger wird. Tagsüber ist eine Menge los, es stehen Behandlungen und ärztliche Gespräche an. Spätestens um 16 Uhr sind die Patienten jedoch für sich. Die Zeit bis zum Schlafengehen zieht sich.

Deutlich verkürzt wird sie durch „Tut gut“. Die zehnköpfige Truppe schafft es auf rein ehrenamtlicher Basis, an jedem Werktag ein einstündiges Mitmachprogramm mit Liedern, Geschichten, Rätselraten, Spielen und Wunschkonzerten zu organisieren.

„Das Programm ist jetzt fest im Therapieplan verankert“, sagt Michael Schwab, Chefarzt der Geriatrischen Reha-Klinik. Bis zu 15 Seniorinnen und Senioren nehmen pro Nachmittag an „Tut gut“ teil. An diesem Dienstag sind acht da. Drei sitzen im Rollstuhl.

Zum Auftakt wird das Frankenlied gesungen. Eberhard Buschmann sorgt am Keyboard dafür, dass alle im Takt bleiben. Der Profimusiker, der an der Würzburger Musikhochschule Klavier und Fagott unterrichtete, gestaltet die dienstägliche „Tut gut!“-Stunden seit Pfingsten gemeinsam mit Irmgard Brumm. Die ist von Anfang an dabei: „Über die Main-Post erfuhr ich vor einem Jahr vom Aufbau des Projekts, das sprach mich sofort an.“

Angestoßen wurde die Freiwilligen-Initiative von der Stiftung ProAlter des Kuratoriums Deutsche Altenhilfe (KDA). Die möchte bürgerschaftliches Engagement als selbstverständlichen Teil einer ganzheitlichen Geriatrie in Deutschland etablieren. Damit hat sie sich viel vorgenommen, denn noch finden sich kaum Ehrenamtliche in altersmedizinisch ausgerichteten Kliniken.

Vor einem Jahr war auch nicht absehbar, ob die Integration der Freiwilligen überhaupt gelingen würde. Mit bundesweit sechs Einrichtungen begann die Stiftung, ihre neue Idee zu erproben.

Das Bürgerspital wurde als bayerischer Pilotstandort ausgewählt. Letztlich gelang hier in bundesweit bester Weise, die Projektziele zu realisieren: Ein festes Freiwilligenteam sorgt dafür, dass Senioren während der langen Rehazeit Lebensmut behalten oder zurückgewinnen.

Dafür wird das Helferteam um Michael Schwab in Kürze ausgezeichnet: Am 9. November ist „Tut gut!“ eingeladen, sich bei einer Veranstaltung der Stiftung in Bonn vorzustellen. Das Team hofft, dass von dieser Würdigung eine Signalwirkung ausgehen wird. Schwab: „Denn wir bräuchten dringend weitere Freiwillige.“

Durch „Tut gut!“, beobachtet Michael Schwab, blühen die Reha-Patienten merklich auf. Und zwar auch solche, die als „schwierig“ gelten. Schwab erinnert sich an einen an Demenz erkrankten Rehabilitanden, der es von Anfang an unerträglich fand, in der Klinik zu sein.

„Das Programm ist jetzt fest im Therapieplan verankert.“

Michael Schwab,

Chefarzt der Geriatrischen

Reha-Klinik des Bürgerspitals

Die Krankenschwestern bekamen seine Aggressivität ab. Alle negativen Gefühle verflogen, als der Senior an der nachmittäglichen „Tut gut“-Gruppe teilnahm. Er sang mit und fühlte sich wohl im lockeren Beisammensein mit anderen Senioren, die nach einem Schlaganfall, einem Sturz oder einer schweren Operation wieder auf die Beine zu kommen versuchten.

„Vor allem das Singen tut diesen Menschen wirklich gut“, bestätigt Eberhard Buschmann, für den Musik seit jeher „alles“ ist. Dass er, der einst die Karriere von Profimusikern bahnte, nun mit Menschen singt, die alles andere als musikalische Könner sind, macht ihm nicht das Geringste aus.

Im Gegenteil. Der Fagottprofessor freut sich, Senioren durch Volkslieder, Oldies, Wanderlieder und die eine oder andere Kostprobe von Chopin aus ihrer oft langjährigen „Musikabstinenz“ herausführen zu können.

 
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