Nach langen Diskussionen im Stadtrat stand am Ende fest: Die Würzburger Straßenbahn bekommt bis 2030 38 nagelneue Züge für rund 145 Millionen Euro – allesamt ausgestattet mit einer technischen Niveauregulierung. Diese soll für die Barrierefreiheit an allen Würzburger Haltestellen sorgen.
Doch was geschieht dann mit den 38 Zügen, die zusammen etwa 1500 Tonnen Stahl und Elektronik auf die Waage bringen? Bei einem Verkauf springt wohl eine Menge Geld heraus – und wenn es nur den Kilopreis bei einer Verschrottung dafür gibt.
Suche in den Archiven
Die Redaktion wollte mehrere Dinge über Straba-Züge wissen, die ausgemustert werden. Es war nicht einfach, für die simplen Fragen bei der Würzburger Straßenbahn GmbH (WSB) Antworten zu bekommen. Sprecher Jürgen Dornberger musste tief ins Archiv des Mutterkonzerns Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) eintauchen, bis er fündig wurde.
Was passiert mit ausgemusterten Straßenbahnen? „Nach der Außerbetriebnahme werden die Züge am Markt angeboten und verkauft. Als Basis der Berechnung für den Verkaufspreis nehmen wir zunächst den Schrottwert an“, erklärt Dornberger. Und wie kommen die verkauften Fahrzeuge dann weg aus Würzburg? „Per Schwertransport auf der Straße oder per Bahn“, so der Sprecher.
Dornberger erwähnt in dem Zusammenhang den Kauf, Verkauf und Transport von zwölf Zügen des Baujahrs 1962. Die WSB hatte sie 1975 von der Stadt Hagen abgekauft und nach einem Umbau bis 1996 im Würzburger Gleisnetz eingesetzt, als sogenannte GT-H-Modelle.
Würzburger Straba in Rumänien und Polen
Auf der Suche nach einer neuen Verwendung der „Hagener“ kamen der WSB die Beziehungen des damaligen Würzburger Bürgermeisters Gerhard Franke nach Rumänien zugute, konnte Dornberger den Archiven entnehmen. Franke war zu der Zeit auch Aufsichtsratsvorsitzender der Straßenbahn-Gesellschaft. Er fädelte den Deal ein. Und so kamen zehn von zwölf alten Zügen auf den Weg ins rumänische Arad und nach Grudziadz in Polen. Dort fahren die Züge, wie auch in Würzburg, auf einem Meterspurgleis. Unglaublich, aber wahr: Die Fahrzeuge wurden damals verschenkt.
Den Transport übernahm kostenlos im Juli 1997 die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, ein Ableger des Bundesministeriums für Entwicklungshilfe. „Aus Arad wissen wir, dass die Straßenbahn mit der Klüglein Werbung noch einige Jahre mit ihrem Original Herzle-Aufdruck durch die Stadt fuhr“, sagt Dornberger. Vor fünf Jahren, so seine Informationen, sei sie mit weißer Farbe überlackiert worden und fahre noch heute dort.
Ein außergewöhnliches Vereinsheim
Einer der GT-H-Züge wurde übrigens zu einem Vereinsheim der Sportfreunde der WVV umgebaut und ein Ex-Hagener blieb betriebsbereit als Oldtimer erhalten. Sollten einige Züge doch verschrottet werden müssen, würden die WSB-Techniker vorher die Elektronik und Nichtmetalle ausbauen, bevor die Presse naht, erklärt Dornberger.
Thomas Naumann ist einer der beiden Sprecher der „Agenda 21“ in Stadt und Landkreis. Er ist Mobilitätsexperte und beschäftigt sich seit vielen Jahren bundesweit mit dem Thema Straßenbahn. Er hat sogar noch weiterführende Informationen zu den GT-H-Zügen aus Hagen, die in Polen ein zweites und sogar drittes Schienenleben erhalten haben. Nach ihrem Einsatz in Grudziadz kamen zwei „Hagener“ nach Lodz und sind dort immer noch im Schienen-Netz eingesetzt, allerdings jetzt seltener.
Guter Markt für Gebrauchte
Seiner Ansicht nach gibt es einen guten Markt für gebrauchte Straßenbahnen. Besonders die Länder im Osten zeigen hohes Interesse. Naumann weiß, dass besonders in Rumänien Niederflur-Fahrzeuge weggehen wie warme Semmeln. Seines Wissens nach hat Bochum 22 Straßenbahnen ins polnische Lodz verkauft. Seine Verkaufserlös-Schätzung für einen der noch durch Würzburger rollenden GT-E-Züge: Mehrere 100 000 Euro.
Die Idee, die dahinter steckt, sei einfach: Die östlichen Staaten bekämen die Straßenbahnen für relativ wenig Geld. Und das, was beispielsweise aus Würzburg komme, sei auf jeden Fall besser, als das, was dort auf der Schiene unterwegs sei. Immerhin koste ein neues Fahrzeug rund drei Millionen Euro. Nach seinem Wissen gibt es beispielsweise in Polen eigene Unternehmen, die solche Straßenbahnen aufbereiten. Die Chancen für ein weiteres Straßenbahnleben stehen also gut für die Würzburger Züge.