Septime Gorceix war ein französischer Unteroffizier, der im Ersten Weltkrieg bei Verdun gegen deutsche Soldaten kämpfte. Die Deutschen waren übermächtig, Gorceix wurde gefangen genommen und im April 1915 in ein Gefangenenlager auf dem Würzburger Galgenberg gebracht. Zweimal versuchter zu fliehen – erfolglos. Im dritten Anlauf gelang ihm schließlich die Flucht nach Rumänien.
Und weil Gorceix (Jahrgang 1890) sich schon in früher Jugend literarisch betätigte, hat er seine Erinnerungen an Krieg, Gefangenschaft und Flucht 1930 als Buch veröffentlicht.
Der Würzburger Historiker und ehemalige Main-Post-Redakteur Roland Flade erhielt Kenntnis von dem Buch und machte sich auf Spurensuche. Von seinem früheren Kollegen Hartmut Pürner, der heute als Lehrer tätig ist, ließ er den französischen Originaltext übersetzen, der nun erstmals in deutscher Sprache vorliegt. „Flucht vom Galgenberg“ heißt das von Flade und Pürner herausgegebene Buch, das im Würzburger Verlag Königshausen&Neumann erschienen ist und am Mittwoch im Theater am Neunerplatz vorgestellt wurde.
Gewidmet hat Septime Gorceix das Buch damals seinem „ganz kleinen Sohn“ Antoine. Dieser Antoine ist heute ein alter Herr im Alter von 88 Jahren und er saß bei der Buchpremiere mit seiner Gattin Marie-Josephe im Publikum. Beide waren eigens aus Paris angereist, auch weil sie einmal das Gelände des früheren Lagers in Augenschein nehmen wollten. Dort wird gerade die Landesgartenschau 2018 vorbereitet, und für den neuen Stadtteil Hubland entstehen die ersten Gebäude.
Flade und Pürner lasen bei der Präsentation Auszüge aus dem Buch, in dem beeindruckende Schilderungen über das Lagerleben am Galgenberg enthalten sind. Beispielsweise konnten die französischen Gefangenen Päckchen mit Lebensmitteln aus der Heimat empfangen und so die karge Lagerkost aufbessern. Unter den tausenden jungen Gefangenen waren auch viele Kulturschaffende. Ihnen war es gestattet eine eigene Theatergruppe zu gründen und im Lager Vorstellungen zu geben. Dafür entwarfen sie auch grafisch schön gestaltete Plakate.
Über die Theatervorstellungen schriebt Gorceix: „An den Nachmittagen der Aufführungen füllt sich die Halle mit einem lärmenden Publikum. Auf den Sitzplätzenoffenbaren die malerischen Kleider, dass Montmartre auf dem Galgenberg einen zusätzlichen Gipfel hat wachsen lassen“.
Es gab außerdem Fußballspiele, bei denen die im Lager vertretenen französischen Regionen gegeneinander antraten, und auch ein Chor und ein Orchester wurden auf die Beine gestellt. Jeden Sonntag gaben sie Konzerte auf eine eigens gebauten Bühne in einer leeren großen Baracke.
Gorceix berichtet aber auch über andere Zustände im Lager. Entlausungen der Häftlinge und unzureichende Nahrung, kranke Gefangene und der in ihm aufkommende Wunsch zu fliehen, „um meinen Platz an der Front wieder einzunehmen“.
Er beschreibt Ernteeinsätze bei Landwirten in der Region und Beisetzungen von verstorbenen Gefangenen auf dem Würzburger Friedhof, wo übrigens heute noch ein Denkmal an die getöteten französischen Soldaten erinnert. Darüber schreibt Gorceix in einem dem Buch beigefügten späteren Text, den er über einen Würzburg-besuch im Jahr 1935 verfasste. Dabei hatte er dann auch erste Erlebnisse mit einem nationalsozialtischen Aufmarsch in Würzburg.
Ergänzt wurde die Lesung von der jungen Cellistin Milena Ivanova, die Kompositionen von Bach, Massenet, Pablo Casals und Saint-Saens.