Die Tsunami-, Erdbeben- und Reaktorkatastrophe in Japan jährt sich an diesem Freitag zum fünften Mal. Die tragischen Ereignisse am 11. März 2011 berührten auch die über 9000 Kilometer entfernten Würzburger. Innerhalb kurzer Zeit spendeten sie und Menschen aus der Region fast eine Viertelmillion Euro für den Wiederaufbau eines Kinder- und Waisenheims – nur 150 Kilometer vom Katastrophenort Fukushima entfernt. Gleichzeitig gingen damals tausende Bürger gegen Atomkraft in Würzburg auf die Straße.
„Am Jahrestag der Katastrophe werden wir uns in einer Gedenkzeremonie an die Wohltäter und die bewegten fünf Jahre erinnern“, schreibt jetzt Maria Caelina Mauer in ihrem Osterbrief. Die Franziskanerschwester leitet das Kinderheim Fujinosono, das – auch dank Würzburger Hilfe – für zehn Millionen wiederaufgebaut und vor zwei Jahren eröffnet wurde. Jetzt sind auch Spiel- und Sportplatz fertig. Schwester Maria Caelina und ihre rund 30 Mitarbeiter betreuen derzeit 50 Kinder und Jugendliche. 15 von ihnen haben wie die Schwester die Erdbebenkatastrophe und die Teilzerstörung des Heimes miterlebt.
Es sind Waisenkinder, die ihre Eltern teils bei der Katastrophe verloren haben und Kinder aus Problemfamilien. Ihnen hat der Neubau mit großzügigeren Räumen sehr geholfen, jetzt sind Wohngruppen mit jeweils sieben Kindern möglich, die Älteren haben Einzelzimmer. „Das Einleben im neuen Heim, in die familienähnlichen Wohngruppen hat sich als sehr positiv erwiesen. Handgreiflichkeiten, Kraftproben und andere Probleme sind rapide gesunken, das Zusammengehörigkeitsgefühl gestiegen“, freut sich Schwester Maria Caelina.
Fast 250 000 Euro Spendengeld
Sie arbeitet seit fast 25 Jahren im Heim, das Franziskanerschwestern vor über 50 Jahren gründeten. Heute betreibt es der Trägerverein Fujinosono mit Zuschüssen und Elternbeiträgen. „Ohne die große Unterstützung aus nah und fern wäre das Heim nicht das, was es geworden ist: Ein neues Zuhause für Kinder und Jugendliche, denen es nicht möglich ist, in der Familie zu leben“, bedankt sich die Heimleiterin.
Maßgeblich mit angestoßen hatte die Würzburger Japanhilfe Wolfgang Klein-Langner von der Siebold-Gesellschaft. Bereits vier Wochen nach der Katastrophe war die Hälfte der fast 250 000 Euro Spendengelder zusammengekommen.
„Nahezu jeder half damals“, erinnert er sich. Künstler gaben Benefizkonzerte, Berufsfachschüler am Uni-Klinikum massierten für den guten Zweck, der inzwischen verstorbene Würzburger Maler Wolfgang Lenz verkaufte ein Japan-Poster, Airport-Besucher spendeten . . . und und und. Diese riesige Hilfsbereitschaft führt Klein-Langner vor allem darauf zurück, „dass wir ziemlich als erste ein konkretes Projekt zum Unterstützen hatten“.
Der Japan-Experte und Gründer der Siebold-Gesellschaft war nach der Katastrophe häufig im Land der aufgehenden Sonne. Der 76-Jährige erlebte im Katastrophenjahr die traumatisierten Fujinosono-Kinder, „die nicht lachen konnten“ und sah bei seiner 29. Japanreise im vergangenen Sommer, dass das Kinder- und Waisenheim „ein echtes Vorzeigeobjekt für einen gelungenen Wiederaufbau“ geworden ist.
Proteste gegen Atomkraft
Klein-Langner sah aber noch mehr: Dass Tausende von Menschen im Katastrophengebiet noch immer in Notunterkünften leben, weshalb die Fukushima-Katastrophe dort noch immer Thema sei. Im Gegensatz zum übrigen Land wie auch in Würzburgs Partnerstadt Otsu. „Nach einer gewissen Zeit vergisst die Öffentlichkeit. Da sind die Leute in Japan leider nicht anders.“
Auch wenn die meisten Atomkraft ablehnen, seien die ersten vier Kernkraftwerke jetzt wieder ans Netz gegangen, nachdem seit der Katastrophe über 40 abgeschaltet wurden. Eines habe sich aber dennoch geändert: „Die Japaner sind nicht mehr so obrigkeitshörig, sind misstrauischer als vor Fukushima“, sagt Klein-Langner.
Misstrauen und massive Kritik an der Atomkraft verursachte das Reaktorunglück auch in Würzburg. Zu den Montagsspaziergängen vom Bahnhof zum Vierröhrenbrunnen kamen anfangs nur zwanzig, dreißig Menschen. Am Montag nach der Katastrophe gingen in Würzburg rund 600 Bürger auf die Straße und forderten den sofortigen Ausstieg aus der Atomkraft.
Hundertfache Beteiligung bei Montagsspaziergängen
Der Protest setzte sich jeweils unter hundertfacher Beteiligung bei den folgenden Montagsspaziergängen fort. Zudem machten die Freien Wähler mit einer Unterschriftenaktion gegen das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld mobil. Und auf Initiative der Grünen bildeten rund 1800 Teilnehmer in der Innenstadt eine große Menschenkette gegen die strahlende Energie, die mittlerweile wenigstens in Deutschland keine Zukunft hat.
Gedenken an die Opfer: Anlässlich der Katastrophe von Fukushima vor fünf Jahren und des Atomunfalls in Tschernobyl am 26. April vor dreißig Jahren lädt der Verein „Eltern gegen Atomkraft" am Samstag, 23. April um 14 Uhr zu einer Andacht in die Augustinerkirche ein. Musiker aus der Ukraine und Japan sowie die Würzburger Siebold-Gesellschaft gestalten die Gedenkfeier mit.
Erdbeben und Tsunami waren furchtbar und tödlich -aber die Betroffenen hätten inzwischen schon lange wieder vieles aufgebaut. So dürfen Zehntausende nicht mal an ihre Wohnorte zurück, um auch nur anzufangen, und das wird wahrscheinlich auch noch lange Jahre so bleiben. Aber die Leute müssen ja sogar die internationalen Medien anzapfen, um auch nur ein bisschen Information zu kriegen, die ihre eigene Regierung ihnen vorenthält.
Mir tun die Entwurzelten mehr Leid.