
Dunkle Holzmöbel in einer Höchberger Gaststube wurden im Sommer 1955 Zeuge von denkwürdigen Gesprächen. "Elmar, hast du noch von deiner Krakauer?", fragte etwa ein 52-jähriger Regisseur, der gerade in Hollywood einen Oscar bekommen hatte. Elmar hatte. "Und was ist mit deinen Leberwürsten?", wollte ein 42-jähriger Filmstar wissen, der kurz zuvor an der Seite von Yves Montand seinen internationalen Durchbruch geschafft hatte. Auch hier konnte Elmar helfen. Es wurde ein lustiger Abend.

Diese und ähnliche Szenen spielten sich in jenem Sommer 1955 nicht nur einmal im Gasthof Hofmann in der Höchberger Hauptstraße 56 ab. Elmar, der Mann mit den Würsten, war der 20-jährige Metzger und Gastwirt Elmar Hofmann. Der Regisseur war Walter Reisch, der 1954 für sein Drehbuch für "Titanic" mit Barbara Stanwyck einen Oscar bekommen und zuvor Scripts für Filme mit Greta Garbo und Ingrid Bergman verfasst hatte. Der weltbekannte Filmstar war Peter van Eyck, der, wie Reisch, trotz seines Welterfolgs immer noch die einfachen Dinge des Lebens schätzte.
In Würzburg liefen die Dreharbeiten zum Cornet-Film

Reisch und van Eyck, die beide aus Deutschland stammten, aber in die USA emigriert waren und die amerikanische Staatsbürgerschaft besaßen, drehten damals in Würzburg und Umgebung mit Hunderten von örtlichen Komparsen den Breitwand-Farbfilm "Der Cornet. Die Weise von Liebe und Tod" nach einer Novelle von Rainer Maria Rilke. Beide hatten sich für einige Wochen im Gasthof von Elmar Hofmann einquartiert – und das nicht vor allem wegen dessen Würsten. Denn: Im selben Anwesen befanden sich die "Kammerlichtspiele", ein kleines Kino, in dem sich der Regisseur und sein Hauptdarsteller abends, wenn keine Vorstellung war, das ansahen, was tagsüber auf der Festung, im Guttenberger Forst oder im Taubertal gedreht worden war.
Die Gaststätte und die Gastzimmer sind längst geschlossen. Auch im Kino ist seit 1962 kein Film mehr über die Leinwand geflimmert. Hier, wo danach lange ein Fotograf seine Dienste anbot, logiert heute ein Begräbnisunternehmen. Bei einem Ortstermin führte der inzwischen 85-jährige Elmar Hofmann in den ehemaligen Kinosaal, der einmal bis zu 250 Zuschauen Platz bot, inzwischen aber durch eine Trennwand viel kleiner ist. "Hier haben sie die Arbeit des Tages Revue passieren lassen", erinnert sich Hofmann an seine berühmten Gäste.
Der Metzger und Wirt betrieb das 1953 eröffnete Kino nicht selbst. Dafür war Josef Plöschek zuständig, der auch die Kammerlichtspiele Karlstadt und die Rathaus-Lichtspiele in Kleinrinderfeld besaß. In Höchberg zeigte er an vier bis fünf Abenden pro Woche Filme, die vorher in Würzburg gelaufen waren, nun aber 50 Pfennig oder eine Mark weniger Eintritt als in der benachbarten Großstadt kosteten. In der Nachkriegszeit, als die Menschen jede Mark zweimal umdrehen mussten, war das ein gewichtiges Argument, das auch Besucher aus der nahegelegenen Würzburger Zellerau anlockte.

Besonders beliebt waren Western und deutsche Heimatfilme, beispielsweise mit Marianne Koch oder Dieter Borsche, oder Bergfilme. "Wer hatte damals schon Berge gesehen?", fragt Elmar Hofmann. Am Sonntag wurde zusätzlich auch am Nachmittag gespielt, was vor allem junges Publikum anzog. Am Freitagabend gab es nach der Abend- noch eine Nachtvorstellung gegen 22.15 Uhr, die bei den Schafkopf-Spielern im Gasthof Hofmann besonders beliebt war. Nach deren Ende ging es in der Wirtschaft munter weiter – "manchmal bis vier oder fünf Uhr morgens", erinnert sich Hofmann.
Vor der Nachtvorstellung am Freitag gab es Leberkäs-Semmeln
Die Höchberger Kammerlichtspiele wiesen ein Alleinstellungsmerkmal auf, das sie in der weiten Umgebung zusätzlich bekannt machte: Vor der Nachtvorstellung gab es am Freitag Leberkäs-Semmeln. "Ein Bäcker aus Waldbrunn hat 50 bis 100 Kipf gebracht", weiß Elmar Hofmann noch, "und ich habe ab 20 Uhr den Leberkäs gemacht". Zwischendurch spitzte er immer mal wieder in den Filmsaal.

Der ehemalige Gasthof Hofmann hat eine lange Geschichte, die man im Internet im WürzburgWiki nachlesen kann. Erbaut als Fachwerkhaus im Jahr 1796, wurde er 1911 durch einen Tanzsaal – das spätere Kino – links vom Hauptgebäude erweitert, in dem Kronleuchter die Gäste auf dem Fischgrätparkett beschienen. Nach dem Ende der Kino-Epoche fanden hier Tanzveranstaltungen mit Livemusik statt. 1970 baute Elmar Hofmann neben der Wirtschaft auf dem Gelände des ehemaligen Schweine- und Rinderstalls ein Hotel Garni, das bis 2000 betrieben wurde.

Auch die früheren Gasträume haben die letzten Gäste schon vor langer Zeit gesehen. Bei Elmar Hofmann und seinem acht Jahre jüngeren Bruder Gerhard sind freilich die berühmten Besucher des Sommers 1955 unvergessen. Als der Cornet-Film mit Anita Björk, Götz von Langheim und Benno Sterzenbach in weiteren Hauptrollen am 16. Dezember 1955 seine Weltpremiere feierte, fand diese natürlich nicht in den Höchberger Kammerlichtspielen, sondern im prächtigen CC-Kino in der Würzburger Eichhornstraße statt, das gleichzeitig eröffnet wurde.
Walter Reisch, ein Cousin des österreichischen Komponisten und Kabarettisten Georg Kreisler, ging zurück nach Hollywood und arbeitete weiter als Produzent ("Fräulein", 1958) und Drehbuchautor ("Die Reise zum Mittelpunkt der Erde", 1959). Er starb 1983 in Los Angeles. Peter van Eyck setzte nach der Höchberg-Episode seine internationale Karriere fort, unter anderem in Fritz Langs letztem Film "Die 1000 Augen des Dr. Mabuse" (1960) und in den Streifen "Der längste Tag" (1962), "Der Spion, der aus der Kälte kam" (1965) und "Die Brücke von Remagen" (1969). Er starb 1969.
war ich jung und ........!
Ich erinnere mich noch gut an diverse Artikel und Fotos über diese Filmaktivitäten in Würzburg. Da war WÜ fast schon so etwas: "wie die weite Welt !" Landei halt....