Lorenz Fries verweist in seiner um 1520 entstandenen, sogenannten "Hohen Registratur" – einem lexikonartigen Generalregister, das der Kanzlei als Hilfsmittel zur Verwaltung des Hochstifts diente – auf das älteste Würzburger Lehenbuch. Er bezeichnet es als "liber feudorum antiquus"; das alte, erste Buch der Lehen.
Von Hermann Hoffmann wurde diese wichtige Quelle 1972 veröffentlicht. Sie weist sehr früh, nämlich für die Jahre 1303 bis 1313, bereits 1088 Belehnungen für einen Würzburger Herrschaftsraum aus, der weit über die alten, bis 1821 geltenden Bistumsgrenzen hinausreichte. In der Grafschaft Hohenlohe setzen die Lehenbücher 1345 ein, in der Grafschaft Castell 1376. In den Hochstiften Eichstätt und Bamberg beginnen sie 1322 bzw. 1398. Damit hat von den drei fränkischen Bistümern Würzburg die frühesten Lehenbücher.
Lehenbuch rechtzeitig ausgelagert
Vor der verheerenden Würzburger Brandkatastrophe am 16. März 1945, die in der Würzburger Residenz wertvollste Archivbestände vernichtete, war dieser erste Band 1942 rechtzeitig nach Burgpreppach bei Hofheim ausgelagert worden und ist damit erhalten geblieben. Lehenbuch 2 und 3, Abschriften und Register des ersten Bandes, verbrannten am Kriegsende im Schloss Wässerndorf im Landkreis Kitzingen. Die folgenden Bände sind weitgehend geschlossen erhalten.
Was waren Lehen und wer erhielt sie? In der Forschung sind die Anfänge des Lehenwesens umstritten. Das Lehen, das etwas Geliehenes bedeutet, ist der Unterhalt, den der Herr seinem Untergebenen, dem Mann, für seine Dienste gewährte. Ursprünglich waren dies bewegliche Güter, dann auch Grundbesitz. Gemäß der sogenannten Heerschildordnung des Sachsenspiegels waren die Lehensverhältnisse in mehreren Stufen auf den König ausgerichtet.
Pflichten des Vasallen
Der Fürstbischof schuldete seinem Ritter, dem Vasallen, Schutz und Schirm, das heißt militärischen und rechtlichen Schutz, aus der Treue des Vasallen folgt dessen Pflicht zu Rat und Hilfe. Dies wirkte sich besonders im Kriegsdienst und in der Aufforderung zur Hoffahrt, das heißt im Gefolge des Fürsten zu dienen, aus. Ursprünglich konnten Lehen nur an Adlige übertragen werden, im späten Mittelalter wurden auch Bürger belehnt. Beide Seiten hatten einen Vorteil; der Belehnte gewann Vergütung und Sicherheit, der Lehensherr vermochte seine Einfluss-Sphäre zu erweitern.
Ein Problem war der Todfall des Belehnten. Das Lehensgut fiel an den Herrn zurück und dieser war frei, ob und wem er es wieder ausgab. Indes setzte sich die Erblichkeit der Lehen durch, wobei anfangs nur die Söhne des verstorbenen Vasallen folgeberechtigt waren. Später weitete sich der Kreis zumindest ansatzweise auf weibliche Verwandte aus. Das Lehen fiel allerdings auch dann heim, wenn der Belehnte seine Pflichten verletzte, indem er etwa gegen seinen Herrn Krieg führte, das Lehen als nicht-existent verschwieg oder dieses verkaufen wollte. Die Verfahren kamen dann vor das Würzburger Landgericht.
Regelmäßige Einträge
In Würzburg wurden die oft protokollarischen Einträge in den Lehenbüchern von den Kanzleibeamten, teilweise auch von Notaren vorgenommen. Vermutlich hatten die Vasallen ihre Lehen auf Zetteln aufgelistet und diese persönlich in der Kanzlei vorgelegt. Teilweise wurden die Lehenobjekte mündlich vorgetragen. Oft waren die Güter und Rechte auf Wachstafeln festgehalten und wurden erst nach einiger Zeit im Würzburger Lehenbuch aufgelistet. In der Regel fallen die Belehnungen in die ersten Amtsjahre eines neuen Bischofs; dort wurden sie dann chronologisch angelegt.
Neben den weltlichen Lehen, den sogenannten Mannlehen, die häufig Burggüter mit Burghut beinhalteten und mit Feldlehen, Waldlehen oder Zinseinnahmen kombiniert waren, gab es auch geistliche Lehen. Diese finanzierten die Pfarreien und die Seelsorge. Weiter waren die Lehen nach Ständen zu unterscheiden, neben der Lehen der Fürsten, die vom König ausgegeben wurden, standen solche der Grafen und der Barone, dann der Ritter, schließlich die Lehen von Bürgern und Bauern. Das Reichslehenwesen existierte bis zum Ende des Alten Reiches 1806.
Art der Güter
Vielfältig waren die Objekte, die in Würzburg zu Lehen ausgegeben wurden. Übertragen werden konnten Burgen, Dörfer, Höfe, Weiler, dann einzelne Häuser und Mühlen sowie Liegenschaften wie Äcker, Wiesen, Weinberge, Gärten und Wälder. Wichtig waren immer die Einkünfte aus diesen Lehen. Weiter erscheinen als Lehensobjekte Rechte wie die Hochgerichtsbarkeit, die niedere Gerichtsbarkeit, das Geleitsrecht oder das Patronatsrecht an Kirchen und Kapellen, die jeweils beträchtliche Einnahmen garantierten.
Schließlich gab es auch reine Geldlehen. In diesem Fall erhielt der Vasall für seine Verwaltungsaufgaben, für den Schutz der Burg und deren bauliche Instandhaltung, für die Verwaltung eines Amtsbezirkes oder für den Dienst auf der Marienburg einen festen Geldbetrag aus der direkten Steuer oder aus dem Zoll.
Die Vergabe der Lehen durch den Würzburger Bischof war an eine gewisse Symbolik geknüpft. Wie die Abbildung zeigt, las der Kanzleibeamte die Namen der zu vergebenden Güter und Rechte aus dem Lehenbuch vor, der Lehensmann kniete nieder, berührte den ausgestreckten Stab des Bischofs und schwor mit drei Fingern den Lehenseid.
Der wissenschaftliche Wert der Lehenseinträge besteht neben neuen Erkenntnissen zur Landesgeschichte, zur Verwaltung des Territoriums, zur materiellen Ausstattung der Pfarreien auch in zahlreichen Orts- und Flurnamen. Man erfährt von bislang unbekannten Zollstätten, es gibt Hinweise auf Forstämter bspw. im Steigerwald sowie in der Rhön und auf die Pfarreiorganisation. Aufschlussreich und von Interesse ist nicht zuletzt die reiche Fülle von Personennamen aus Adel und Bürgertum, die ansonsten nur sporadisch belegt sind.