Wovon träumt ein Archivar? Noch dazu, wenn er ehrenamtlich tätig ist? Von einem besonderen Fund vielleicht. Einen solchen hat Jürgen Gottschalk, Bezirksarchivar der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) gemacht. Und stellt damit einen Bezug von Würzburg und Anne Frank, der prominenten Tagebuch-Verfasserin von Amsterdam, her.
Anne Frank ist derzeit und noch bis zum 29. November Thema einer interaktiven Ausstellung im Felix-Fechenbach-Haus in Grombühl. Unter dem Titel „Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte“ wird nicht nur über das Leben und das Ende von Anne Frank im KZ Bergen-Belsen berichtet, sondern die Autoren vom Anne-Frank-Zentrum in Berlin um Direktor Thomas Heppener wollen Geschichte und Gegenwart verbinden und stellen daher Fragen zu Identität, Gruppenzugehörigkeit und Diskriminierung und wollen damit zu eigenem Engagement für Freiheit, Gleichberechtigung und Demokratie ermutigen.
Die besondere Beziehung zwischen Würzburg und Amsterdam, Otto Frank und Alfred Joseph fand Jürgen Gottschalk bei Recherchen über das Schicksal des aus Würzburg stammenden Pfadfinders Fred Joseph, geboren 1911 und gestorben am 21. Januar 1943 im KZ Ausschwitz.
Die beiden Väter, Otto Frank und Alfred Joseph, waren aus Nazi-Deutschland geflohen, sie waren befreundet und zusammen halfen sie geflüchteten Juden. Alfred Josephs Sohn Fred Joseph schickte dem Vater Geld an eine Deckadresse in Amsterdam, mit dem auch die Familie von Anne Frank versorgt wurde. Nachdem Vater Alfred Joseph ins KZ Buchenwald kam, übernahm Sohn Fred die Überweisungen, der letzte vorliegende Einlieferungsschein datiert vom 21. August 1941. Anders als ihre Kinder Anne Frank und Fred Joseph überstanden beide Väter, Otto Frank und Alfred Joseph, den Holocaust.
So lagert bis heute im Bezirksarchiv der Georgs-Pfadfinder im Kilianeum Würzburg der maschinengeschriebene Brief, mit dem sich bei Alfred Joseph senior für die Überweisung bedankte, die von Deutschland am 21. August 1941 an eine Deckadresse in Amsterdam gegangen war, wo die Familie Frank seit Februar 1934 lebte und sich vom 6. Juli 1942 bis zur Verhaftung am 4. August 1944 in einem Hinterhaus an der Prinsengracht 263 versteckt hielt.
Der Brief von Otto Frank, der als einziger der Familie Frank den Holocaust überlebte, ist vom 18. September 1947. Empfänger ist der aus Würzburg stammende Alfred Joseph Senior, der 1947 auswanderte und bis zu seinem Tod 1956 als Schneider in New York lebte, nachdem sein älterer Sohn, Fred Joseph, am 13. November 1942 von der Gestapo verhaftet worden war und am 21. Januar 1943 im KZ Auschwitz verstorben war. Otto Frank fragt in dem Brief auch nach dem jüngeren Sohn Hans, der als Zahntechniker in Lichtenfels den Krieg überlebte. Otto Frank fragt Alfred Joseph Senior auch: „Haben Sie eigentlich … Anne’s Buch gelesen? Es erregt großes Aufsehen und war sofort ausverkauft, so dass bereits die 2. Auflage in Druck kommt…“ Jürgen Gottschalk vermutet, dass der Brief als Luftpost von der Schweiz, wo Otto Frank 1947 lebte, nach New York gegangen ist – auf extra dünnem Papier.
Die Geschichte der Anne Frank erschien unter dem Titel „Het Achterhuis“ (Das Hinterhaus) in holländischer Sprache am 25. Juni 1947 und wie in dem Brief berichtet wird, war die Erstauflage von 3000 Exemplaren rasch ausverkauft.