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WÜRZBURG
Alles über die jüdischen Grabsteine aus der Pleich
Gewichtiges Werk: Bayerns Kulturminister Wolfgang Heubisch (Mitte) und Professor Karlheinz Müller bei der Buchvorstellung in „Shalom Europa“.
| Gewichtiges Werk: Bayerns Kulturminister Wolfgang Heubisch (Mitte) und Professor Karlheinz Müller bei der Buchvorstellung in „Shalom Europa“.
Von unserem Redaktionsmitglied Alice Natter
 |  aktualisiert: 12.01.2012 17:27 Uhr

Ein Vierteljahrhundert genau ist es her, dass beim Abriss der „Landelektra“ in der Würzburger Pleich ein spektakulärer Fund zu Tage kam. „Vielleicht war das ein Gedanke, ein Jubiläum abzuwarten mit der Veröffentlichung?“, fragte Dr. Josef Schuster, der Vorsitzende der Israelitischen Gemeinde in Würzburg, mit einem lächelnden Blick zu den Editoren.

Im Januar 1987 war mit 1455 Grabsteinfragmenten ein weltweit einzigartiges Zeugnis der mittelalterlichen jüdischen Geschichte entdeckt worden. 25 Jahre später liegt nun die schwergewichtige Publikation zu den 72 Tonnen Stein vor.

Dass es so lange gedauert hatte? Nun, die Erforschung war intensiv und aufwändig gewesen. Und Herausgeber Professor Karlheinz Müller und seine Kollegen dokumentieren in den drei Bänden auf 2500 Seiten schlicht alles, was die Wissenschaft zu den Steinen und ihren hebräischen Inschriften inzwischen weiß.

„Hätten wir gewusst, wie lange es dauern wird, ich weiß nicht, ob wir uns auf das Unternehmen eingelassen hätten“, hatte Mitherausgeber Professor Simon Schwarzfuchs aus Tel Aviv in seinem Grußwort geschrieben. Professor Abraham Reiner flog am Dienstag sogar frühmorgens eigens aus Israel nach Deutschland (und abends wieder zurück) um bei der Vorstellung der drei Bände im Neuen Jüdischen Gemeindezentrum „Shalom Europa“ dabei zu sein.

„Ein wirklich großer Tag für die Geschichte der Stadt“, meine Oberbürgermeister Georg Rosenthal. Die Öffentlichkeit könne nun „teilhaben an dem sensationellen Fund“. Am 9. Januar 1987 waren in der Pleich Bagger angerückt, um das ehemalige Markuskloster abzureißen. Im Schutt und den eingerissenen Mauern entdeckte man auffällige Steine. „Nicht einzelne Steine, nicht Hunderte, sondern viel, viel mehr“, so Rosenthal.

Fotoserie
Aufmerksamen Bürger war damals klar gewesen: Die Abrissarbeiten mussten gestoppt, die hebräischen Inschriften, die Jahrhunderte lang in den Klostermauern gesteckt hatten, geborgen und erforscht werden. 19 Jahre sollten die steinernen Zeugen aus den Jahren 1147 bis 1346 schließlich auf dem Rotkreuzhof lagern. Theologieprofessor Karlheinz Müller hatte unterstützt von Unipräsident Theodor Berchem dafür gesorgt, dass die wissenschaftliche Bearbeitung der Grabmale anlaufen konnte.

Dass Julius Echter im 16. Jahrhundert auf dem Gelände des jüdischen Friedhofs das Juliusspital errichten ließ – „ein echter Rechtsbruch“, sagt Rosenthal. Heute sind die „Judensteine“ im Depot im neuen Jüdischen Gemeindezentrum untergebracht. Dass „Shalom Europa“ nicht ein „reines Grabsteinmuseum“ wurde, sondern das traditionell-jüdische Leben in all seinen Facetten zeigt – der bayerische Kulturminister Wolfgang Heubisch würdigte das am Dienstag ausdrücklich.

Die Grabsteine belegten heute, dass Würzburg im 12. und 13. Jahrhundert ein renommiertes wie maßgebliches Zentrum jüdischen Lebens und jüdischer Gelehrsamkeit in Europa gewesen war, sagt Müller. Er dankte unter anderem der Diözese Würzburg, die die Erforschung der Steine über viele Jahre unterstützt hatte. Mit 65 000 Euro finanzierte schließlich die Gesellschaft für fränkische Geschichte die gewichtige Edition. „Die bisher umfangreichste und schwierigste Aufgabe“ der Gesellschaft, sagt der Vorsitzende Eyring Freiherr von Rotenhan.

„Die Grabsteine vom jüdischen Friedhof in Würzburg aus der Zeit vor dem Schwarzen Tod (1147 – 1346)“, hrsg. v. Karlheinz Müller, Schimon Schwarzfuchs, Abraham Reiner. Wissenschaftlicher Kommissionsverlag Stegaurach. 240 €, Subskriptionspreis bis 31. Januar 198 €

Vortragsreihe

Steine! Nichts als Steine? – Unter diesem Titel lädt die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Würzburg und Unterfranken zu einer neunteiligen Vortragsreihe über die „Judensteine“ aus der Würzburger Pleich. An allen Mittwochen zwischen 1. Februar und 28. März spricht Professor Karlheinz Müller über Aspekte der Grabsteine. So geht es am 8. Februar um die Geschichte des mittelalterlichen Judenfriedhofs, am 22. Februar um die Anfänge der jüdischen Gemeinde in Würzburg, am 21. März um hebräische Inschriften. Die Vorträge finden von 18.30 Uhr bis 19.15 Uhr im „Neuen Jüdischen Gemeindezentrum Shalom Europa“, Valentin-Becker-Straße, statt.

Arbeit im Bild: Zahlreiche Fotografien im Einleitungsband dokumentieren die Erforschung und Bearbeitung der Grabsteine.S: THERESA MÜLLER
Foto: Foto | Arbeit im Bild: Zahlreiche Fotografien im Einleitungsband dokumentieren die Erforschung und Bearbeitung der Grabsteine.S: THERESA MÜLLER
 
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    Viel Köpfe, wenig vom Buch zu sehen.
    MFG
    Nadler
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