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WÜRZBURG
Alles andere als cool: Nacktbilder im Netz
Sexting       -  Am Deutschhaus-Gymnasium werden Mädchen und Jungen über die Gefahren von „Sexting“ aufgeklärt. Dabei versenden Jugendliche erotische Fotos oder Nacktbilder von sich an den Partneroder ihrer Freundin per Smartphone an Freunde oder laden sie in sozialen Netzwerken hoch.
Foto: Julian Stratenschulte, dpa | Am Deutschhaus-Gymnasium werden Mädchen und Jungen über die Gefahren von „Sexting“ aufgeklärt. Dabei versenden Jugendliche erotische Fotos oder Nacktbilder von sich an den Partneroder ihrer Freundin per ...
Von unserer Mitarbeiterin Pat Christ
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:44 Uhr

Als Anna ihr Handy einschaltete, sprang ihr das Bild eines nackten Mädchens entgegen – etwa so alt wie sie selbst. „Das hat mich völlig schockiert“, sagt die Neuntklässlerin aus dem Deutschhaus-Gymnasium. Kurz darauf passierte ihr das noch einmal. Wie kommen Mädchen dazu, Bilder von sich zu verschicken, auf denen sie nackt zu sehen sind?, fragte sich die Jugendliche: „Ich selbst würde das nie tun.“ Denn was einmal in den digitalen Medien kursiert, ist kaum wieder zu löschen, weiß Anna.

Über das Cyberrisiko aufklären

„Sexting“ nennt sich das, was Anna (Name aller Schüler geändert) erlebt hat. Sie ist keine Ausnahme. Einer 2015 veröffentlichten Studie zufolge ist jeder vierte Teenager schon einmal mit dem Phänomen Sexting konfrontiert worden. Teilweise seien schon Zwölfjährige betroffen, berichtet Brigitte Greiner, Informatiklehrerin am Deutschhaus-Gymnasium, die vor vier Jahren begann, mit ihrer Kollegin Margarete Klement Unterrichtseinheiten zu entwickeln, um Mädchen über das Cyberrisiko „Sexting“ aufzuklären.

Vor drei Jahren nahmen die ersten Mädchen aus der siebten Klasse an der Doppelstunde teil. In dem Kurs wurde nicht in erster Linie darauf aufmerksam gemacht, dass es strafbar ist, solche Bilder weiterzuleiten. Im Mittelpunkt stand die Frage: Warum tun Mädchen das? „Sie wollen damit jemanden beeindrucken“, meint Viola aus der neunten Klasse, die vor zwei Jahren an dem Workshop „No Sexting“ teilnahm.

Über Schönheitsideale nachdenken

Für Brigitte Greiner und Margarete Klement hat Sexting viel mit der Angst von Mädchen zu tun, nicht attraktiv genug zu sein. Doch was ist eigentlich schön? Im Workshop werden die Teenager angeregt, über Schönheitsideale nachzudenken. Schönheit, lernen sie, hat nicht nur etwas mit dem Körper zu tun. Auch Stimme, Körpersprache und Gestik tragen dazu bei, dass ein Mensch anziehend auf andere Menschen wirkt. Am Ende erzählen sich die Mädchen gegenseitig, was ihnen aneinander gefällt, sagt Klement.

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Nachdem der erste „Sexting“-Workshop bei den Schülerinnen gut ankam, wollten Brigitte Greiner und Margarete Klement das Angebot auf die Jungs ausweiten.

„Wir Schüler untereinander reden sonst nie über so ein Thema.“

Toni, 13 Jahre alt

Mit Informatiklehrer Martin Otersen und Biologielehrer Arnold Weibel fanden sie zwei engagierte Mitstreiter. Die Unterrichtseinheit wurde daraufhin modifiziert. „Wir nehmen Jungs als Täter in den Blick“, so Otersen.

Diesmal ging es also um die Frage: Wie kommt ein Junge dazu, intime Bilder, die ihm seine Freundin online geschickt hat, weiterzusenden? Geht es ihm darum, in der Clique als „cool“ angesehen zu werden? Warum haben Jungs diese brutale Form der Prahlerei nötig? Im Workshop wird herausgearbeitet, von welch großer Charakterschwäche es zeugt, die eigene Freundin dafür zu missbrauchen, um in der Clique als cooler Typ dazustehen.

„Ich würde so etwas niemals tun“, sagt Toni, 13 Jahre alt. Er findet es gut, dass an seiner Schule ein Workshop zum Thema „Sexting“ angeboten wird. Er selbst hat noch keine aufreizenden Bilder über sein Smartphone bekommen. Er weiß allerdings, dass derartige Fotos auch in Würzburg kursieren: „Ich würde sie aber sofort löschen.“

Da Toni ein Junge ist, der sich viele Gedanken macht, war ihm das meiste, was er in der „Sexting“-Doppelstunde gehört hat, schon bekannt. Dennoch fand er es toll, an dem Kurs teilzunehmen: „Wir Schüler untereinander reden sonst nie über so ein Thema.“

Während Medienerziehung an Schulen inzwischen fest verankert ist, sind Unterrichtseinheiten zum Thema „Sexting“ noch selten. Was Brigitte Greiner und Margarete Klement entwickelt haben, stößt deshalb bei ihren Kollegen in der Region auf großes Interesse.

Aufklären bevor etwas passiert

Die beiden Lehrerinnen raten, in die „Sexting“-Prävention einzusteigen, noch bevor ein erster Fall in der Schule bekannt wurde. Auch im Deutschhaus-Gymnasium war kein konkreter Fall Anlass für den Workshop: „Wir wollten verhindern, dass Mädchen überhaupt auf die Idee kommen, solche Bilder von sich zu verschicken.“

Viola bestätigt, dass Prävention notwendig ist. Auch sie weiß von einem Mädchen, deren Nacktbild ohne ihr Wissen weiterverbreitet wurde: „Ich kenne sie aber nicht so gut, deshalb habe ich nicht mir ihr darüber geredet.“ Sie selbst, sagt Viola, würde das niemals tun: „Denn ich weiß, dass das, was einmal übers Handy verschickt wird, bleibt.“

Im Deutschhaus-Gymnasium unterstützt ein sechsköpfiges Lehrerteam Schüler, Eltern und Kollegen in akuten Mobbingfällen. Im Workshop „No Sexting“ wird auf dieses Team noch einmal speziell aufmerksam gemacht.

Sexting

Sexting wird vor allem von Teenagern und jungen Erwachsenen praktiziert. Darunter versteht man die private Kommunikation über sexuelle Themen per mobile Messaging.

Im engeren Sinn handelt es sich um Dirty Talk zur gegenseitigen Erregung, heißt es bei Wikipedia.

Seit es Multimedia Messaging Services (MMS) und Instant-Messagern wie WhatsApp gibt, kann damit auch der Versand von erotischem Bildmaterial des eigenen Körpers über Instant-Messaging-Anwendungen durch mobile Endgeräte verbunden sein, schreibt Wikipedia.

Das aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum stammende Kofferwort setzt sich aus Sex und texting (engl. "simsen, SMS schreiben") zusammen.

Im Deutschen wird das Wort hauptsächlich für das Versenden von erotischen Selbstaufnahmen per Smartphone oder Internet verwendet.

Was macht mich schön? – Über diese Frage lassen Brigitte Greiner (links) und Margarete Klement Schülerinnen am Deutschhaus-Gymnasium nachdenken.
Foto: Pat Christ | Was macht mich schön? – Über diese Frage lassen Brigitte Greiner (links) und Margarete Klement Schülerinnen am Deutschhaus-Gymnasium nachdenken.
 
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