Uwe, ein Angehöriger, der seine Frau Bärbl immer zur Phoenix Selbsthilfegruppe begleitet, beschreibt es so: „Es ist keine Schande, krank zu sein. Wenn jemand Diabetes, Bluthochdruck, Herzprobleme, Hepatitis oder sonst etwas hat, dann ist das akzeptabel, und man spricht auch darüber. Alkoholismus ist auch eine Krankheit, das sollte die Umwelt akzeptieren.“
In Ochsenfurt treffen sich jeden Donnerstag Alkoholabhängige. Sie haben ihre Krankheit akzeptiert und stehen dazu. Sie haben sich geoutet, sei es bei ihren Angehörigen oder ihren Arbeitgebern. Nach einer Entgiftung und einer Therapie fühlen sie sich jetzt endlich wieder frei und können ihr Leben genießen.
Am Tiefpunkt des Lebens angelangt
Bärbl Puls ist die Verantwortliche für Phoenix und Gruppenleiterin in Würzburg, und sie hat Phoenix mitbegründet. Sie spricht in der Gruppensitzung ganz offen über ihren Alkoholmissbrauch. Sie war am Tiefpunkt ihres Lebens angelangt. Zu dieser Zeit hat sie ihren heutigen Mann kennengelernt, der schon damals zu ihr stand. Sie schildert genau ihre Probleme. „Als ich „nass“ war, wurde der Druck, Alkohol zu trinken immer stärker. Ich wollte, dass es mir gut geht. Die Hände zitterten, ich konnte nichts mehr essen, sondern nur noch Alkohol trinken“, erzählt sie. Seit dem 31. Dezember 2006 ist sie nun trocken.
In der Gruppe sind nur die Vornamen bekannt. Es stellt sich jeder vor. Und jeder sagt: „Es geht mir gut.“ Und es ist nicht einfach eine Floskel. Man nimmt es den Anwesenden ab. Die Teilnehmer in Ochsenfurt sind sehr offen, obwohl eine Pressevertreterin bei dem Treffen anwesend ist. Jeder berichtet über sein Leben. Die meisten haben schon sehr früh als Jugendliche Erfahrungen mit Alkohol gemacht. Und die meisten, die in der Phoenix-Gruppe sind, sind schon seit vielen Jahren trocken.
Nur einer hat keinen Entzug gemacht
Andreas ist der Einzige, der keinen Entzug gemacht hat. Er hat es selbst geschafft. „Ich bin immer öfter abgestürzt, bin besoffen nach Hause gekommen und habe es noch nicht einmal in mein Bett geschafft“, erzählt er. Und dann hat er für sich entschieden, dass er keinen Alkohol mehr trinken will.
Erhard ist seit über zehn Jahren trocken. Er sagt einfach: „Ich wollte weiterleben.“ Jetzt fühlt er sich wohl und hat sich für sein Leben noch viel vorgenommen. Thomas war selbstständiger Winzer: „Schorle gehörte zu meinem Alltag dazu, schon von morgens an“, erzählt er. Doch es wurde immer mehr. Seine Ehe ging kaputt, sein Betrieb verloren. Aber: „Mein letztes Jahr war richtig gut. Ich habe eine Freundin und auch wieder einen eigenen Betrieb.“
Alkoholiker sind die besten Logistiker
Viele haben Schicksalsschläge hinnehmen müssen, wie den Verlust der Arbeit oder die Trennung der Ehefrau und der Kinder. Manchmal war es wegen des Alkohols, manchmal fingen sie das Trinken danach an. Die meisten, die hierher kommen, hatten einen Tiefpunkt in ihrem Leben erreicht, wo es nicht mehr weiterging. Und fast alle hatten auch körperliche Probleme. Jetzt sind sie seit vielen Jahren trocken. Und die Gruppe ist ihr Anker.
Matthias Beck leitet die Selbsthilfegruppe in Ochsenfurt. Er war selbst „nass“ und ist jetzt trocken. Er hatte einen totalen Absturz, hat einen Entzug gemacht und war dann acht Wochen in einer Klinik im Spessart, so wie die meisten Gruppenmitglieder der Selbsthilfegruppe Phoenix. Er versteht die Probleme. Er erklärt, dass Alkoholiker die besten Logistiker sind. Sie müssen erfinderisch sein, um sich Alkohol zu beschaffen und auch das Leergut so zu entsorgen, dass keiner etwas merkt: nicht die Angehörigen, die Familie oder die Arbeitskollegen.
Erfahrungsaustausch steht im Mittelpunkt
Bei den Treffen ist das Wichtigste der Erfahrungsaustausch. Jeder kann offen berichten, wie es ihm geht, wie er die Woche erlebt hat. Es gibt keine Vorurteile, keine Zurechtweisungen, sondern es hören alle zu. Und sie sind sich sicher, dass ihnen etwas fehlt, wenn sie nicht in die Gruppe kommen. Für alle ist jeder Tag ohne Alkohol eine neue Herausforderung. Natürlich erleben sie alle schlechte Tage, aber das Hochgefühl für sie ist: „Ich habe trotzdem nichts getrunken.“
In den vergangenen zwei Jahren haben 60 bis 70 Menschen die Ochsenfurter Gruppe besucht. Manche sind geblieben, manche gegangen. Die, die geblieben sind, haben keinen Rückfall mehr gehabt. Sie alle waren sich einig, dass sie inzwischen mehr Respekt vor dem Leben haben. Und sie genießen die Freiheit, über ihr Leben selbst zu entscheiden und es wieder zu spüren. Matthias Beck sagt: „Endlich lebe ich wieder, spüre und fühle etwas.“