Mit der „Breast Care Nurse“ gibt es an der Uni-Frauenklinik seit zwei Jahren eine besondere Schwester. Sie begleitet Frauen nach der Diagnose Krebs durch den gesamten Therapieprozess. „So etwas hätte ich mir damals gewünscht“, bekennt Brigitte Keller von der Würzburger Gruppe „Frauenselbsthilfe nach Krebs“. Denn vor elf Jahren, als sie erfahren hatte, dass in ihrer Brust ein Tumor heranwächst, gab es in Kliniken für Krebspatienten noch kaum psychosoziale Unterstützung.
Wie viel sich hier in den vergangenen Jahren zum Positiven verändert hat, wurde am Samstag beim Krebs-Selbsthilfetag am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) deutlich. Mehr als 200 Betroffene und Angehörige kamen zu der Veranstaltung unter der Überschrift „Alles, was der Seele gut tut“. Sie lernten unter anderem „Soulfood“, naturheilkundliche Selbsthilfestrategien, therapeutisches Yoga oder die Wundschmerzkissen der Handarbeitsgruppe St. Thekla in Ochsenfurt kennen. Über 1300 bunte Kissen nähten die Frauen dieser Gruppe mittlerweile ehrenamtlich.
Selbsthilfegruppen entlasten
Anders als vor zehn Jahren wissen Krankenhäuser heute, dass Krebspatienten nicht nur eine fundierte Diagnose und die bestmögliche Behandlung brauchen. Genauso wichtig sind Hilfestellungen, um die Krankheit zu bewältigen. Wie stark diese Hilfen nachgefragt werden, bestätigt laut Brigitte Keller die hohe Auslastung der „Breast Care Nurse“. „Aus diesem Grund wäre unser großer Wunsch an das Uniklinikum, dass noch weitere solche Schwestern eingestellt werden,“ so die 54-Jährige. Zehn Jahre ist es her, dass Brigitte Keller zusammen mit Beate Beyrich auf die Idee kam, eine Gruppe für Frauen nach der Diagnose Krebs zu gründen. Beyrich erhielt vor 13 Jahren die Diagnose Brustkrebs. Auch sie erlebte damals, dass sich kaum ein Arzt dafür interessierte, wie es Menschen mit dieser Diagnose geht. Aus dieser Erfahrung heraus setzt sie sich bis heute ehrenamtlich für betroffene Frauen ein.
Selbsthilfegruppen, so der Würzburger Sozialwissenschaftler Ernst Engelke, sind für krebskranke Menschen eine „exzellente Möglichkeit“, etwas für ihr seelisches Wohlbefinden zu tun. Nicht zuletzt entlasten sie die Lebensgefährten. Für Partnerschaften bedeuten lebensbedrohliche Krankheiten wie Krebs eine große Herausforderung, so der Autor des Buchs „Die Wahrheit über das Sterben“. Studien zufolge zerbrechen bis zu 20 Prozent aller Beziehungen nach der Erstdiagnose einer schweren Krankheit.
Dass sich das Leben nach der Diagnose Krebs grundlegend ändert, bestätigt Landtagspräsidentin Barbara Stamm. 2008 hatte sie selbst erfahren, dass sie an Brustkrebs erkrankt ist. Was kommt jetzt auf mich zu? Wie geht es weiter? Diese Fragen trieben die Politikerin um. Wie Stamm bei der Veranstaltung betonte, ist es wichtig, mit anderen Menschen über die eigenen Ängste zu sprechen: „In Kliniken und Rehaeinrichtungen ist das allerdings kaum möglich, denn der Faktor Zeit wird im gesetzlichen Krankenversicherungssystem viel zu wenig berücksichtigt.“ Darum sei Selbsthilfe unglaublich wichtig.
Dem stimmt die Onkologin Claudia Löffler vom Comprehensive Cancer Center Mainfranken zu. Um zu genesen, müssten Patienten aus der Passivität nach der Schockdiagnose in die Aktivität kommen. Durch naturheilkundliche Selbsthilfestrategien, gesundes, genussvolles Essen, den Austausch mit anderen Betroffenen und Entspannung gelinge es, dem Gefühl von Hilflosigkeit zu entrinnen. „Allmählich wächst das Gefühl, Kontrolle zurückzubekommen“, so die Spezialistin. Wie gut Entspannungstechniken wirken, wurde laut der Psychoonkologin Elisabeth Jentschke in Würzburg inzwischen belegt: „Wir konnten klar sehen, dass sich Angst nach acht Wochen Yoga signifikant verändern lässt.“ Auch könne dann eine Chemotherapie besser ausgehalten werden. Im nächsten Schritt wird nun untersucht, in welchem Maße sich Depressionen und Erschöpfungssymptome bei Krebs minimieren lassen.
Die Frauenselbsthilfe nach Krebs (FSH) ist eine der größten Krebs-Selbsthilfeorganisationen in Deutschland. Die Würzburger Gruppe trifft sich an jedem 1. Montag im Monat um 18 Uhr in der Villa Kunterbunt (Reiserstraße 5-7).