Mit Entsetzen reagiert Steffen Jodl vom Bund Naturschutz auf eine Abholzaktion von Bäumen und Hecken in Prosselsheim. Im Zuge der Abbrucharbeiten am ehemaligen Ponyhof hat die Gemeinde alte Baumbestände entfernt. Weil in diesem Bereich das künftige Wohnbaugebiet Sonnenweg geplant ist, reagiert Geschäftsführer Jodl von der Kreisgruppe Würzburg empfindlich.
"Unfassbar, hier wurden vollendete Tatsachen geschaffen", ist Jodl überzeugt davon, dass die Gemeinde Prosselsheim eine "vorbereitende Bauleitplanung" am südlichen Ortsrand selbst in die Hand genommen hat. Bisher sei der Bund Naturschutz im Zuge einer artenschutzrechtlichen Prüfung noch nicht beteiligt worden. Jodl kritisiert deshalb die Rodungsarbeiten "aufs Schärfste". Dieses Vorgehen der Gemeinde sei absolut unüblich.
"Wenn die Bäume schon gefällt sind, ist es für uns zu spät, im Bauleitverfahren Stellung zu beziehen", kritisiert Jodl. Erfahren von der Aktion hat er von Erhard Reiniger, dem Vorsitzenden der Ortsgruppe Bund Naturschutz Kürnach-Estenfeld-Prosselsheim. Er hatte sich vor Ort ein Bild gemacht, nachdem er auf die Abbrucharbeiten am Haus und das Abholzen von Bäumen aufmerksam gemacht worden war.
Terrain entwickelte sich zu einem Biotop
Ortsgruppenvorsitzender Reiniger nahm umgehend Kontakt mit Bürgermeisterin Birgit Börger auf. Seiner Meinung nach habe sich das Terrain auf dem inzwischen gemeindlichen Grundstück nach ein paar Jahren Leerstand "zu einem kleinen Biotop entwickelt". Die Ortsgruppe würde es begrüßen, wenn dieses Biotop so weit wie möglich erhalten bliebe.
Es könne die Lebensstätte wild lebender Tiere sein. In den Gebäuden könnten sich Wochenstuben von Fledermäusen befinden und die Bäume könnten als Brut- und Nistplätze geschützter Tiere dienen. Ob denn in dieser Hinsicht Untersuchungen durchgeführt worden seien, und ob die Naturschutzbehörde angefragt war, bat Reiniger die Bürgermeisterin um Auskunft.
Die Antwort kam umgehend. Vor Beginn der Arbeiten seien alle Gutachten eingeholt und Erlaubnisanträge gestellt worden. Ein Fachbüro habe ein saP-Gutachten erstellt und damit eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung durchgeführt. Die Gemeinde habe die Untere Naturschutzbehörde und den Landesbund für Vogelschutz einbezogen.
Für die Gebäude hätten die Behörden den Abbruch freigegeben. Bei der Abrissplanung sei der alte Baumbestand berücksichtigt worden. Sowohl die Obstbäume im Süden als auch einige der Großbäume auf dem Grundstück des ehemaligen Ponyhofs bleiben erhalten. Die Gehölzrodung sei auf das notwendige Mindestmaß beschränkt worden.
Fläche des Ponyhofs wird nur teilweise dem Baugebiet zugeordnet
"Wer mich kennt, weiß, dass alte Bäume und der Erhalt der Natur meine Steckenpferde sind", ist Bürgermeisterin Börger persönlich betroffen von dem Vorwurf. Die Fläche des ehemaligen Ponyhofs werde nur teilweise dem neu entstehenden Baugebiet zugeordnet. Auf einem Teil der jetzigen Grünfläche würden künftig naturschutzrechtliche Vermeidungsmaßnahmen - das Vermeiden erheblicher Beeinträchtigen von Landschaft und Natur - vorgenommen. Die Fläche links des Spurbahnwegs werde nicht vom geplanten Wohnbaugebiet tangiert. Dort seien Aufwertungen mit einer Biotopfläche, Streuobstbäumen und einer Bienenwiese vorgesehen.
"Der teilweise befestigte aktuelle Weg wird zurückgebaut und als Schmetterlings- und Wildbienensaum entwickelt", gibt Bürgermeisterin Börger Auskunft. Außerdem entstehe entlang des Weges eine Eingrünung mit Landschaftshecken und lokaltypischen Obstbäumen.
Das Abholzen der Bäume habe nichts mit dem künftigen Baugebiet, sondern mit den Abbrucharbeiten der Gebäude zu tun. Zudem sei der Garten- und "Hinterhofbereich" von halbhohem Mauerwerk und von Bäumen geräumt worden. Die alten Fichten, ein Nussbaum und einzelne Laubbäume seien nicht mehr verkehrssicher gewesen sind. Sie hätten die Arbeiter gefährdet, so die Bürgermeisterin.
Ohne das Fällen der Bäume und das Abtragen eines Teils der Mauer und Hecke hätten Materialien wie Asbestfaserzement-Platten zudem nicht fachgemäß entfernt werden können. Diese belasteten Altmaterialien und das Altöl werden nun durch Fachfirmen sach- und fachgerecht entsorgt. Auch das komme der Natur zugute.
Beschleunigtes Verfahren möglich
Seit 25 Jahren hat die Gemeinde Prosselsheim kein Baugebiet mehr ausgewiesen. Der Aufstellungsbeschluss für das Wohnbaugebiet "Sonnenweg" ist im Juli 2019 gefasst worden. Inzwischen gibt es einen ersten Planentwurf, der in den kommenden Wochen mit dem Fachplaner erarbeitet und im Zuge des Genehmigungsverfahrens veröffentlicht wird.
Weil die Netto-Baufläche unter 10 000 Qudratmeter liegt, erfüllt sie die Voraussetzungen für ein "beschleunigtes Verfahren" im Sinne des Baugesetzbuches. Das heißt, dass von einer Umweltprüfung und vom Umweltbericht abgesehen werden kann. Die artenschutzrechtliche Prüfung ist jedoch auch im beschleunigten Bauverfahren notwendig.