zurück
DÜRRBACHAU
70-Jähriger fuhr mit dem Fahrrad von Lübeck bis nach Tallinn
Hatte nur wenige sonnige Tage: Der Würzburger Fritz Warth fuhr mit dem Rad nach Estland.
Foto: Theresia Müller | Hatte nur wenige sonnige Tage: Der Würzburger Fritz Warth fuhr mit dem Rad nach Estland.
Von unserem Redaktionsmitglied Claudia Schuhmann
 |  aktualisiert: 13.09.2012 12:03 Uhr

Wo er mal schönes Wetter erwischt hat, da hat er auch schöne Bilder gemacht: Sandige Steilküsten mit grünen Grasbüscheln im Vordergrund und der See im Hintergrund hat Fritz Warth fotografiert. Leider waren die sonnigen Tage in der Minderzahl während der vier Wochen, in denen der Rentner aus der Dürrbachau mit dem Fahrrad von Lübeck bis nach Tallin fuhr, der Hauptstadt Estlands.

Fast 2000 Kilometer hat der 70-Jährige auf seiner Ostseetour erstrampelt. Alle auf seinem erprobten Allzweckfahrrad. Von Pannen und Krankheiten blieb er verschont. Eindrücke und Erlebnisse hingegen gab es zahlreiche. Aber der Reihe nach. Eine Gruppe von Liegeradfahrern, die ihm vor einiger Zeit von dieser Tour erzählten, bringt Fritz Warth auf die Idee. Sein Bruder, mit dem er schon viele Wander- und Radtouren unternommen hat, will diesmal nicht mitfahren. Und so startet der 70-Jährige am 10. Juli ganz allein.

„Der Marienkäfer signalisierte mir: Es geht weiter“

Fritz Warth Mit Fahrrad auf Ostseetour

„Eigentlich wollte ich bis St. Petersburg fahren“, erzählt er. Dass er die Tour einen Monat später in Tallinn beendet, liegt – am Wetter. Fritz Warth ist kaum in Lübeck aus dem Zug gestiegen, da kündigt sich schon Regen an. Aber der Radler aus Unterfranken ist gut ausgerüstet. Er hat Taschen am Sattel und weitere am Vorderrad. Zelt, Schlafsack und Isomatte fahren vorsichtshalber auch mit.

Fritz Warth fährt die Küste entlang, immer nach Osten. Er besichtigt die vielen Seebäder, wird nass, überschreitet die Grenze nach Polen, wird wieder nass. Von der Landschaft, den Küstenwäldern und Stränden, ist er begeistert, und auch von der Zuvorkommenheit vieler seiner Gastgeber. Wo er Quartier nimmt, wird er zumeist gleich mit heißem Tee versorgt.

Trotzdem: Der sandige Radweg ist bei Nässe sehr anstrengend zu fahren, besteht über weite Strecken nur noch aus Pfützen. Fritz Warth mag sich mit dem schlechten Radweg nicht länger quälen und weicht auf die Landstraße aus. Aber dort wird der Radler nur als Verkehrshindernis betrachtet. Vor allem Lastwagen, die ihn überholen müssen, hupen ihn wütend an. Irgendwann stinkt es dem ausdauernden Radler, der wieder einmal im Regen Pause macht: „Ich hatte die Schnauze voll“, erzählt er. „Aber dann sah ich einen verspäteten Marienkäfer mit sieben Punkten. Dieser Glückskäfer signalisierte mir: Es geht weiter.“

Die Stadt Danzig begeistert den Unterfranken. Hier legt er einen Ruhetag ein. Bei Tagesetappen von rund 100 Kilometern sind solche Tage nötig, denn die Wäsche will gewaschen werden, die müden Beine sich ausruhen. Die Strecke von Danzig nach Königsberg, das heute zu Russland gehört und Kaliningrad heißt, legt Fritz Warth mit dem Zug zurück. Den Grenzübertritt stellt er sich in einem Bahnabteil gemütlicher vor als mit dem Rad. Vor seiner Abreise hat er sich bereits zwei Visa besorgt: eins für Königsberg und eins für St. Petersburg. An der polnisch-russischen Grenze wird der Zug gründlich durchsucht.

Dort kauft Fritz Warth von einer Zubegleiterin eines der wenigen Souvenirs, die er von dieser Reise mitbringt: einen Kugelschreiber mit einziehbarer Fahne von Königsberg. In der Stadt mit dem Bernsteinmuseum verweilt er etwas länger: Ein dort ansässiges Unternehmen, mit dem der Kranbaustatiker in seiner Zeit bei der Würzburger Stahlbaufirma Noell oft zu tun hatte, will seinen Rat in einer technischen Frage. Der Präsident der Firma revanchiert sich, indem er dem Radler für einige Tage sein Ferienhäuschen auf der kurischen Nehrung zur Verfügung stellt.

Auf der fast 100 Kilometer langen Landzunge zwischen Haff und Ostsee kann Fritz Warth seiner Leidenschaft für Suppen ungestört frönen. Man serviert ihm unter anderem eine Fischsuppe, zu der traditionell ein Gürkchen gegessen und mit Wodka heruntergespült wird. Auf der kurischen Nehrung verläuft auch die Grenze nach Litauen. Hier erlebt der Unterfranke zwar einen veritablen Sandsturm, doch die Radwege sind vorbildlich ausgebaut und er gelangt ohne Probleme bis in die Hauptstadt Riga.

Doch der Weg von dort bis nach Tallinn in Estland gestaltet sich erneut mühsam: Regen, Wind und Lastwagen, die Fritz Warth mit Gischt besprühen, vergällen ihm allmählich die Freude am Radfahren. Deshalb besteigt er in Tallinn eine Fähre nach Helsinki und dort eine zweite nach Travemünde. Am 10. August, auf den Tag genau einen Monat nach seiner Abreise, kommt Fritz Warth zu Hause an. „Eine Abenteuerreise war das nicht“, schmunzelt er. „Irgendwann habe ich nicht einmal mehr mein Fahrrad abgeschlossen.“

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Rentner
Sandstürme
Seen
Wodka
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top