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REGION WÜRZBURG
600 PS und Verständnis ohne Worte
Ehrenamtlich im Einsatz: Fabian Riemen (links) unternimmt als freier Mitarbeiter des Familienentlastenden Dienst (FED) der Lebenshilfe regelmäßig etwas mit Peter. Traktor fahren ist eine der Leidenschaften des geistig behinderten Mannes.   Foto Riemen
| Ehrenamtlich im Einsatz: Fabian Riemen (links) unternimmt als freier Mitarbeiter des Familienentlastenden Dienst (FED) der Lebenshilfe regelmäßig etwas mit Peter.
Von unserem Mitarbeiter Georg Ruhsert
 |  aktualisiert: 06.12.2012 12:05 Uhr

Fabian Riemen studiert in Würzburg Pädagogik und Sonderpädagogik, sowie Philosophie auf Magister. Einmal in der Woche tauscht er den Hörsaal mit einem besonderen Arbeitsplatz: Riemen ist einer von 350 ehrenamtlichen Mitarbeitern des Familienentlastenden Dienstes (FED) der Lebenshilfe für die Städte und Landkreise Würzburg und Kitzingen. Er betreut zwei Familien mit behinderten Angehörigen.

Alle 14 Tage macht sich Riemen auf den Weg zu Peter. Der 53-Jährige aus einem kleinen Dorf Kitzinger Landkreis kam mit einer geistigen Behinderung auf die Welt. Peter kann sich nur schwer mit Worten verständigen. Tagsüber arbeitet er in einer Werkstatt für Behinderte.

Die Besuche von Fabian sind für Peter Abwechslung im Alltag. Die beiden unternehmen allerlei zusammen. Mal geht es einfach raus in die Natur, mal zum Kaffee trinken in die Stadt und manchmal sind es besondere Ausflüge, denn Peter und Fabian haben eine gemeinsame Liebe: Autos und Motoren. „Da machen wir auch schon mal 'ne Probefahrt im Autohaus“, verrät der 24-Jährige. Den Besuch bei einer Militärschau, bei dem Peter einen 600 PS-Panzermotor spürte und vor allem hörte, hat er nicht vergessen.

„Ein Teil der Arbeit besteht für mich darin, mit Peter zu sprechen“, sagt Riemen. Doch wie kann Kommunikation laufen, wenn einer keine Sprache hat? Peter hat Zeichen. Oft setzt er Laute oder Blicke ein, um etwas zu erzählen und er kann „Ja“ oder „Nein“ sagen. Natürlich muss sein Betreuer ihn gut kennen, um rauszukriegen, wo gerade der Schuh drückt. Meist helfen dabei Tipps der Eltern, was in den Tagen zuvor los war. Eine Kommunikation, die Geduld und engen Kontakt erfordert.

Für Riemen ist das nichts Selbstverständliches: „Ich hatte früher Scheu vor Menschen mit Behinderung“, erinnert er sich. Als 17-Jähriger habe er um Menschen mit Behinderung einen Bogen gemacht. Dann kam der Musterungsbescheid und die Entscheidung, Zivildienst zu leisten. Er kam in eine Tagesförderstätte mit schwerstbehinderten Kleinkindern. „Da musste ich mich nicht nur mit Behinderung auseinander setzen, sondern auch mit dem Tod.“ Beides hat sein Weltbild verändert.

„Ich bin dankbar für die Begegnungen mit Menschen mit Behinderung. Ich hab viel von ihnen gelernt“. Etwa in dem, was Riemen „emotionale Intelligenz“ nennt, die Fähigkeit Stimmungen und unterschwellige Botschaften wahrzunehmen. Damit verbunden sind für ihn Spontaneität, Echtheit, Ehrlichkeit, Direktheit, dem Anderen nicht aus dem Weg zu gehen. „Ich kann mich vor Peter nicht verstecken“, sagt er und lacht. So habe dieser bei einem Besuch im Café gespürt, dass seinem Betreuer die Bedienung durchaus gefiel. Beim Gehen rief Peter plötzlich solange laut „Frau, Frau“, bis diese extra nochmals zu den beiden an den Tisch kam und sie verabschiedete.

„In den eineinhalb Jahren ist eine richtige Freundschaft entstanden“, freut sich Riemen. So nahm er Peter auch schon einmal für ein paar Tage zu Besuch mit in sein Elternhaus, einen Bauernhof. „Vom Traktor fahren schwärmt er noch heute“. Solche größeren Unternehmungen laufen über „Urlaub und Freizeit“, das Reisebüro für Menschen mit Behinderung der Lebenshilfe. Hier werden individuelle Pakete geschnürt, inklusive Betreuung durch ehrenamtliche Assistenten.

Ohne Begleitung geht es nicht

„Es ist wichtige, für diese Arbeit einen Rückhalt zu haben“, sagt Riemen. Denn die Blicke der Passanten, das Angestarrt werden und sich rechtfertigen müssen, kosteten ihn viel Kraft. In den regelmäßigen Kontakten mit den Koordinatorinnen der Lebenshilfe könne er seine Erfahrungen aufarbeiten. Besonders wichtig sei dies, wenn es mit der betreuten Familie mal schwierig werde. Denn ob die Chemie wirklich stimmt weiß man vorher ja nicht. Bei Problemen geht notfalls jemand vom Koordinationsteam mit und sucht nach Lösungen. Wenn ein Klient einen anderen Betreuer möchte, sei das o. k. Auf der anderen Seite könnten die Betreuer auch ohne schlechtes Gewissen eine Familie abgeben oder ihre Einsätze beenden.

Für seinen Einsatz erhält Riemen eine Aufwandsentschädigung in für Studentenjobs üblicher Höhe. Aber Geld spielt nicht die wichtigste Rolle. Wie viele der Ehrenamtlichen des FED möchte Riemen später hauptberuflich mit Menschen mit Behinderung arbeiten, im künstlerischen Bereich. Da sind die Mitarbeiterfortbildungen und vor allem die Erfahrungen eine gute Grundlage.

Aktuell sucht der FED neue Ehrenamtliche. Interessenten können sich an Cornelia Reichert, Tel. (0931) 78 01 29 10 oder Mail: fed@lebenshilfe-wuerzburg.de wenden.

 
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