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40 Jahre Filmwochenende: "Wir sind ein Publikumsfestival"
40 Jahre Filmwochenende: Ein gutes Festival braucht nicht unbedingt einen Star. Und viele gute Filme kommen nicht ins Kino. Sagen jedenfalls die Festivalmacher Hannes Tietze und Berthold Kremmler.
Anno 1975: Regisseur Werner Herzog und Norbert Westenrieder von der Filminitiative.
| Anno 1975: Regisseur Werner Herzog und Norbert Westenrieder von der Filminitiative.
Das Gespräch führte Holger Welsch
 |  aktualisiert: 26.04.2023 21:09 Uhr

Das Internationale Filmwochenende hat runden Geburtstag! 40 Jahre alt wird das Festival, das am nächsten Mittwoch, 29. Januar, im Central-Kino beginnt. Anlass genug, mit dem langjährigen Festivalchef Berthold Kremmler (von 1979 bis 2004) und seinem Nachfolger Hannes Tietze (seit 2005) über Stargäste, ein älter gewordenes Publikum und dem Aus der Filmrolle zu sprechen. Der 69-jährige Kremmler entdeckte einst beim Studium in Paris mit täglichen Kinobesuchen seine Filmleidenschaft. Der 39-jährige Tietze, Mitbetreiber des Ochsenfurter Casablanca-Kino, riss schon als 14-Jähriger beim Filmfestival Eintrittskarten ab.

Frage: 40 Jahre Internationales Filmwochenende. Wie wird dieses Jubiläum gefeiert?

Hannes Tietze: Wir sind nicht so die Feierwütigen. Obwohl es genügend Anlass dazu gäbe. Schon allein, weil es uns noch gibt. Viele von ehrenamtlichen Mitarbeitern veranstaltete Festivals halten nicht so lange durch. Spezielle Jubiläumsaktionen wird es nicht geben, dafür haben wir nicht genügend Leute. Aber eine zwölfseitige Chronik im Programmheft erzählt die Geschichte des Festivals. Unser Jubiläum feiern wir mit einem abwechslungsreichen Programm mit 35 Filmen und rund 60 Vorstellungen.

Wenigstens zum Jubiläum hatten wir einen Stargast erwartet. Der letzte war Hannelore Elsner vor zehn Jahren. Warum hat's wieder nicht geklappt?

Tietze: Wir waren dran an Amanda Plummer, die das Honey bunny in Tarantinos „Pulp fiction“ spielte, sie hat dann aber abgesagt. Der fehlende Stargast aber wird in erster Linie nur von den Medienleuten beklagt. Für das Marketing mag das ein Manko sein, aber nicht für die Qualität des Festivals.

Kremmler: Die stand für uns immer im Vordergrund. Mit großen Festivals wie Berlinale können wir nicht konkurrieren. Und oft hängt eine Zusage nicht vom Regisseur oder Schauspieler ab, sondern von der Produktionsfirma oder vom Verleiher, die bei einem bekannteren Festival bessere Vermarktungschancen sehen.

Aber es waren doch auch schon Wim Wenders oder Werner Herzog hier?

Kremmler: Früher war das alles etwas einfacher, weil es nicht so viele Festivals gab. Zu uns kamen prominente Regisseure wie Eric Rohmer („Die Marquise von O.“), der sonst keine Festivals besuchte, oder Bernardo Bertolucci („Der letzte Tango in Paris“), aber problematisch war's schon immer. Jean-Luc Godard wollte kommen und kam dann doch nicht, Claude Chabrol sagte einen Tag vorher ab und Sergio Leone zog kurzfristig einem Auftritt bei BMW dem Würzburg-Besuch vor.

Tietze: Es geht auch um Honorar, das wir nicht zahlen können. Zu uns kommen die Gäste nicht, weil sie von ihrer Produktionsfirma auf Marketing-Tour geschickt werden, sondern weil sie Lust dazu haben oder wir einfach penetrant genug nachgefragt haben. Wir sind kein Treff für Filmprofis, sondern ein Publikumsfestival.

Stichwort Geld. Wie finanziert sich das Festival?

Kremmler: Wir haben einen Etat von rund 90 000 Euro, vor allem für Verleihgebühren und die Betreuung der Filmemacher. Etwa die Hälfte der Kosten sollen aus dem Kartenverkauf kommen, den Rest steuern Stadt, Bezirk und Sponsoren bei, die uns trotz der Verkleinerung des Festivals treu geblieben sind. Geldprobleme hatten wir übrigens schon immer.

Wenn mehr Geld zur Verfügung stünde. . .

Tietze: . . . wäre manches leichter. Wir könnten zum Beispiel mehr Werbung machen. Qualitativ aber würde es kein besseres Festival werden.

Warum ausgerechnet im Jubiläumsjahr ein kleineres Festival?

Tietze: Weil auch eine Verkleinerung ihren Charme hat und wir etwas ändern mussten, da wir im Cinemaxx-Kino nur Säle kurz vor Ostern bekommen. Dieser Termin hat uns in den vergangenen Jahren wegen des kinounfreundlichen Wetters massiv Zuschauer gekostet. Früher kamen bis zu 14 000 Besucher, zuletzt waren es nicht mal die Hälfte. Im Central-Kino gehen wir jetzt „back to the roots“, alles in einem Kino wie einst im Corso-Kino, wo das Festival seine größte Zeit erlebte. Nur noch eine Spielstätte erleichtert die Organisation und kommt auch den Besuchern entgegen.

Müssen die Besucher bei weniger Plätzen und Filmen Sorge haben, keine Karte mehr zu bekommen?

Tietze: Sehr viel weniger Plätze haben wir wegen des großen Saals in der Turnhalle nicht. Aber einige Vorstellungen werden bestimmt ausverkauft sein. Aber es gibt viel Auswahl, falls man mal für eine bestimmte Vorstellung keine Karten mehr bekommen hat.

Das Filmwochenende lebt auch mit dem Klischee, vor allem Kunst- und Problemfilme zu zeigen. Was ist da dran?

Tietze: Nichts. Außer, dass diese Frage nicht neu ist und mich jedes Mal wieder ärgert. Wir zeigen eine breite Palette vin Filmen aller Genres und viel gute Unterhaltung.

Kremmler: Der Begriff der Unterhaltung stammt aus den 50er Jahren, dabei wird unterschlagen, dass schon seit der Antike selbstverständlich ist, dass Kunst auch der Unterhaltung dient. Auch diesmal sind Komödien dabei. Wir haben intelligente, anspruchsvolle Filme aus vielen Ländern, die noch nicht im Kino zu sehen waren und möglicherweise kaum zu sehen sind. Gute Filme gibt's genug.

Wer trifft die Auswahl?

Tietze: Zehn bis 15 Mitarbeiter der Filminitiative, die sich für bestimmte Filme oder bestimmte Länder interessieren, Festivals besuchen und dann ihre Favoriten vorschlagen. Hinzu kommen zahlreiche Filme, die uns Produzenten oder Regisseure zuschicken. Für die 35 Langfilme, die wir heuer zeigen, standen mindestens doppelt so viele zu Auswahl. Was dann gezeigt wird, entscheiden wir im Kollektiv. Dabei achten wir auf Qualität und versuchen uns vorzustellen, was das Publikum interessant finden könnte.

Was hat sich denn in 40 Jahren Filmwochenende geändert?

Tietze: Das Publikum ist nach wie vor bunt gemischt, aber älter geworden – wie auch im Kino. Die jungen Leute haben einfach viel mehr Medienangebote als früher. Kremmler: Wir selbst müssen nicht mehr soviel improvisieren, haben mehr Übung und Erfahrung im Organisieren.

Die Zeit der vertauschten Filmrollen ist vorbei?

Tietze: Definitiv. Denn die Filmrollen sind jetzt Festplatten. Da gibt's höchstens Probleme mit der Verschlüsselung. 35-Millimeter-Filme auf Rolle haben wir nur noch zwei beim Festival. Wohl zum letzten Mal.

Und was hat sich nicht verändert?

Kremmler: Dass alle Mitarbeiter, Filmbegeisterte aus verschiedensten Berufsgruppen, nach wie vor mit Herzblut dabei sind. Es geht noch immer sehr familiär zu, was auch die Filme machenden Gäste schätzen, die sich gut betreut fühlen. Viele Regisseure sind „Wiederholungstäter“ und kommen gerne wieder. Das Gespräch zwischen Publikum und Regisseur oder Schauspielern, das wir von Anfang an in den Mittelpunkt gestellt haben, ist noch immer ein Markenzeichen.

Wird es auch ein 50. Filmwochenende geben?

Tietze: So weit in die Zukunft blicken wir nicht.

Kremmler: Wir wissen ja nicht mal, wie lange wir noch unsere Spielstätte Central-Kino in der Mozartschule haben. Fragen Sie doch mal die Stadträte.

Festival für Cineasten: Das 40. Internationale Filmwochenende

Die Anfänge: Einen „gelungenen Probelauf“ nannte die „Main-Post“ das erste „Wochenende des Internationalen Films“, das vom 25. bis 27. Januar 1974 im vergleichsweise intimen Rahmen des City-Kinos stattfand. Gezeigt wurden damals neun Spielfilme, das Gespräch zwischen Filmemachern und Publikum sollte im Mittelpunkt stehen. Noch im gleichen Jahr wurde ein Verein gegründet, in dessen Händen die Planung und Organisation seither liegt: die Filminitiative Würzburg. Seit dem zweiten Filmwochenende im Jahr 1975 ist die Stadt Würzburg als finanzieller Förderer dabei.

Programmschwerpunkt 2014: Filme aus dem Baltikum und Skandinavien stehen im Mittelpunkt vom 30. Januar bis 2. Februar. Das Festival läuft in diesem Jahr komplett im Central-Kino in der Mozartschule und aus Termingründen nicht mehr im Cinemaxx. Auftakt: Feierlich eröffnet wird das Festival, bei dem 35 Spiel- und Dokumentar- sowie Kurzfilme gezeigt werden, bereits am Mittwoch, 29. Januar, mit dem Kurzfilm „Schattenspringer“ der Mönchbergschule und dem norwegisch-dänischen Spielfilm „Ja etter vind“ (Chasing the wind). Plätze und Säle: Wegen der Begrenzung auf den Standort Mozartschule stehen dem Festival statt bislang sechs nur noch vier Leinwände zur Verfügung: der große Central-Kinosaal mit 160 Plätzen, das kleine „Studio“ (30 Plätze), als temporäre Spielstätte die zum Kinosaal umgebaute Turnhalle mit 350 Plätzen sowie ein „Kellerkino-Saal“ mit 150 Plätzen. Kurzes und Party: Im Kellerkino laufen am Freitag, 31. Januar , ab 20 Uhr „Die Selbstgedrehten“, preisgekrönte Kurzfilme von Nachwuchsfilmern aus Unterfranken. An zwei Vormittagen gibt's wieder Schulvorstellungen, unter anderem mit dem niederländischen Fil, „Spijt“ (Reue) zum Thema Mobbing in der Schule. Musik- und Kurzfilme sind am Samstag, 1. Februar, um 21.30 Ihr im Kellerkino zu sehen. Ab 24 Uhr steigt die Festival-Party im Foyer des Central. Die Abschlussveranstaltung mit Preisverleihung beginnt am Sonntag, 2. Februar, um 18 Uhr.

Karten: Tickets gibt es ab Donnerstag, 30. Januar im Central. Reservieren kann man sie ab Mittwoch, 29. Januar: Tel. (0931) 70 82 38 88 oder im Internet: www.filmwochenende.de

Anno 1976: Wim Wenders und Elisabeth Rygaard beim dritten Filmwochenende.
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Anno 2004: Stargast Hannelore Elsner mit Festivalchef Berthold Kremmler.
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Anno 2009: Aus Hollywood kam „Zurück in die Zukunft“-Schauspieler Crispin H. Glover.
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