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OCHSENFURT
30 Jahre Rettungsflieger in Ochsenfurt - Alarm für Christoph 18
30 Jahre Rettungsflieger in OchsenfurtVon 7 Uhr morgens bis Sonnenuntergang ist der Hubschrauber der Deutschen Rettungsflugwacht einsatzbereit. Täglich rettet die Besatzung Menschenleben. An diesem Sommertag sind es zwei.
30 Jahre Rettungsflieger in Ochsenfurt - Alarm für Christoph 18
Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Fritz
 |  aktualisiert: 21.07.2010 14:24 Uhr

Das schrille Klingeln des Alarmtelefons geht durch Mark und Bein. Zwei Mal läutet es. Dann gehen die Piepser der Rettungsflieger los.

Sie haben Einsatz. Pilot Otto Hartmann springt auf. Sein Frühstücksbrötchen bleibt halb angebissen auf dem Teller liegen. Rettungsassistent Ernst Freier hat sich gerade einen frischen Kaffee eingegossen.

Zum Trinken kommt er nicht. Er spurtet zum Telefon, spricht mit der Einsatzzentrale. Jetzt zählt jede Minute. Zusammen mit Notarzt Hermann Schröter rennt er zum Hubschrauber. Der Pilot hat die Systeme längst gecheckt. Alles ist startklar. Die Rotoren drehen sich. Christoph 18 hebt ab. Es ist 7.55 Uhr.

Ein Frontalzusammenstoß bei Mondfeld, heißt es über Funk. Mehrere Verletzte. Das ist alles, was Notarzt Schröter erfährt. Er stellt sich auf das Schlimmste ein.

Etwa 30 Flugmeilen, also 54 Kilometer, sind es bis zum Unfallort westlich von Wertheim. Für den Hubschrauber ein Katzensprung. In elf Minuten ist er vor Ort. Ein Auto hätte für diese Strecke die fünffache Zeit benötigt. Notarzt Schröter verschafft sich einen Überblick.

Den 22 Jahre alten Beifahrer hat es schwer erwischt. Er wird ins Zentrum für operative Medizin ZOM der Würzburger Uni-Klinik geflogen.

Um 9.05 Uhr landet die Crew wieder in Ochsenfurt. „Christoph 18 ist daheim“, funkt Erwin Freier an die Leitstelle. Die Besatzung hat jetzt erst einmal Papierkram zu erledigen. Rettungsassistent Freier öffnet die Post. Ein Motorradfahrer bedankt sich bei den Fliegern. „Dank ihrer Hilfe kann ich im August meine Ehefrau auf den Philippinen besuchen“, schreibt er.

Dem kräftigen Rettungsassistenten fährt ein Lächeln über die Lippen. „So etwas ist selten“, sagt er. Und dann schweigt er. Kurz denkt er an die vielen Motorradunfälle, bei denen jede Hilfe zu spät kam. Erst gestern wurden seine Kollegen zu zwei Unfällen gerufen.

Ein Motorradfahrer starb, der andere war schwer verletzt. Freier schüttelt mit dem Kopf. „Ne, nur nicht drüber nachdenken“, seufzt er und richtet sich auf.

Wieder schlagen die Piepser Alarm. Alles bleibt liegen und stehen. Herzinfarkt in Eibelstadt, funkt die Leitstelle. Otto Hartmann setzt den Hubschrauber der Deutschen Rettungsflugwacht wenige Minuten später sanft neben den Stadtmauern auf.

Es stellt sich raus, dass die Adresse nicht richtig übermittelt wurde. Jetzt müssen die Retter zusehen, wie sie möglichst schnell zum Patienten kommen. In diesem Augenblick kommt ein Feuerwehrauto um die Ecke.

Die Eibelstadter haben Christoph 18 landen sehen. Mit Martinshorn bringen sie Notarzt und Rettungsassistent zum Einsatzort. Dem Herzinfarkt-Patienten geht es schlecht. Keinesfalls kann er mit dem Hubschrauber in die Uni-Klinik transportiert werden.

Notarzt Schröter entschließt sich für einen Transport mit dem Rettungswagen. Eine halbe Stunde später treffen sich alle wieder auf dem Dach des ZOM in Würzburg.

Eile ist angesagt. Am Waldrand in Leinach ist ein Landwirt verunglückt. Otto Hartmann findet die Unfallstelle schnell. Das Landen wird schwierig. Überall verlaufen Stromleitungen.

Manche heben sich kaum von den braunen Feldern ab. Eine Herausforderung für Pilot und Rettungsassistenten. Ernst Freier hat, wie alle anderen fünf Sanitäter, die an der DRF-Station in Ochsenfurt abwechselnd Dienst verreichten, eine Zusatzqualifikation zum Herms-Crew-Member. Das bedeutet, dass er den Piloten bei der Navigation und der Luftraumbeobachtung unterstützen kann.

Alles geht glatt. Hartmann setzt den rot-weißen Helikopter sicher ins hohe Gras. Sofort kontrolliert er ob Stroh oder Heu ins 600-PS-starke Triebwerk gekommen ist. Schröter und Freier kümmern sich derweil um das Unfallopfer.

Der Mann ist mit seinem Traktor auf nassem Gras einen steilen Hang hinab gerutscht. Durch die vielen Bremsaktionen und Lenkbewegungen des Fahrers ist der Schlepper wohl umgekippt und hat dabei den Fahrer überrollt.

Ein Notarzt aus Karlstadt und Ersthelfer der Leinacher Feuerwehr sind bereits vor Ort. Es steht schlecht um den Landwirt. Die beiden Ärzte tun alles, um ihn zu stabilisieren. Sie schaffen es. Der Mann ist transportfähig und wird ins ZOM geflogen.

Dreißig Minuten später landen die Rettungsflieger wieder in Ochsenfurt. Otto Hartmann isst sein halb angebissenes Frühstücksbrötchen, Ernst Freier schüttet den kalten Kaffee weg. Freier ist von Anfang an mit Christoph 18 unterwegs.
 
Viele Erlebnisse hat er längst verdrängt. „Das muss man auch“, sagt er. „Sonst geht man kaputt.“ Nur eine Situation kann er nicht so einfach aus seinem Gedächtnis schieben. „Das Härteste was ich bisher erlebt habe war ein Hubschrauberabsturz“, sagt er und sofort sind die Bilder von damals wieder präsent.

Es war 1985 bei Dettelbach: Beim Starten wird soviel Staub aufgewirbelt, dass kaum etwas zu sehen ist. Der Heckrotor bleibt an einem Brückenpfeiler hängen. Der Hubschrauber stürzt ab, rutscht auf die Seite, fängt an zu brennen. Alle Besatzungsmitglieder bleiben unverletzt. Jetzt gilt es den Patienten – es ist ein Kind – zu retten. „Bis dahin war bei mir noch alles okay“, sagt Freier. „Als das Kind schließlich im Rettungswagen lag, sind mir die Beine weg gebrochen.
 
Am nächsten Tag habe ich mich gefühlt als hätte mich ein Panzer überrollt“, erzählt er. Eine Woche ist er nicht geflogen. Dann hats ihn wieder gepackt.

Es ist still im Raum. Nur der Funkverkehr aus dem Zimmer nebenan ist zu hören. Wie halten die Rettungsflieger das nur aus? Tagtäglich werden sie mit dem Schlimmsten konfrontiert. „Kinder“, sagt der Pilot. Er stockt, ...


...setzt noch mal an. „Unfälle mit Kindern, gerade wenn man selbst welche hat, gehen unter die Haut“, fährt er fort. Notarzt Schröter nickt.
 
Er hat drei Kinder. „Es ist gut, dass wir eine kleine Gruppe sind. Da können wir drüber reden“, sagt Schröter. Und Pilot Otto Hartmann hat schon mehrmals überlegt, ob er denn nicht zu abgebrüht sei, weil er manch schlimme Dinge nicht an sich ranlässt. „Man muss abschalten können.

Sonst hält man das nicht lange aus“, sagt er. Es funktionier aber nicht immer. „Manches kann man wirklich für eine Zeit verdrängen. Kommt dann aber ein ähnlicher Einsatz, sind alle Bilder wieder da.“

Noch fünf Mal wird Christoph 18 an diesem Tag zu Einsätzen gerufen. Für eine Frau mit Tablettenvergiftung kommt die Rettung aus der Luft in letzter Minute. Kurz nach Sonnenuntergang wird der Hubschrauber in die Halle gefahren. „Christoph 18 geht jetzt schlafen“, lächelt der Pilot.

Die Männer sitzen noch eine Weile zusammen und reden. Dann packt Ernst Freier die restlichen Frühstücksbrötchen zusammen, spült die Kaffeetassen und schaltet den Funk ab. Nach 15 Stunden gehen alle in den Feierabend.

Luftrettung Ochsenfurt


Lebensgefährliche Erkrankungen, wie Herzinfarkte, Schlaganfälle sowie Unfälle sind die häufigsten Alarmierungsgründe. 21 Notärzte, sechs Rettungsassistenten (drei BRK, drei Malteser) und drei Piloten sind mit dem Hubschrauber, dessen Funkrufname „Christoph 18“ ist, im Einsatz. Zu 1656 Einsätzen wurden die Rettungsflieger 2009 gerufen, hauptsächlich als Notarztzubringer.

Einsatzorte im Umkreis von 60 Kilometern kann Christoph 18 in maximal 15 Minuten erreichen. Das Luftrettungszentrum Ochsenfurt gibt es seit Juli 1980. Der Hubschrauber fliegt heute in der Regie der Deutschen Rettungsflugwacht . Davor waren Bundesgrenzschutz und ADAC in der Verantwortung. Tag der offenen Tür

Hinter die Kulissen der Rettungsflieger kann man am Sonntag, 18. Juli, blicken. An der Ochsenfurter Station der DRF Luftrettung neben der Main-Klinik steht Christoph 18 zur Besichtigung.

Die Rettungsflieger erläutern die Ausstattung und berichten aus ihrem Einsatzalltag. Wer Lust bekommt, selbst einmal abzuheben, kann bei einer externen Firma Hubschrauberrundflüge gegen Entgelt buchen. Und jene, die lieber am Boden bleiben wollen, können im Cockpit des Hubschraubersimulators der Bayerischen Bereitschaftspolizei ihre Runden drehen.

Außerdem bietet die DRF kostenlose Kinder lernen helfen-Kurse an. Ein Clown unterhält die kleinen Gäste. Es gibt Löschübungen und Schnuppertauchen.

 
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Kommentare
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  • sapientia
    herzlichen Glückwunsch, liebe Besatzung und lieber Christoph 18! Ich hab die ersten Jahre im Rettungsdienst miterlebt und zur Erinnerung gehört für mich auch Charlie, der damals mit Christoph 18 abgestürzt ist und ums Leben kam. Er war ein toller Flieger, immer gut drauf - wer ihn kannte, hat ihn sicher nicht vergessen. Ich erinnere mich gern daran, wie Charlie immer im Lukra zwischen zwei hohen Pappeln am Horizont hereingeschwebt ist...
    Nochmal: Herzlichen Glückwunsch und noch viele unfallfreien Jahre und Euch Dank für das dicke Fell, dass es braucht für diese Arbeit.
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