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Würzburg
30 Jahre Klinikpfarrer: Gottfried Amendt fühlt sich "beschenkt“
Klinikpfarrer Gottfried Amendt.
Foto: Markus Hauck (POW) | Klinikpfarrer Gottfried Amendt.
Bearbeitet von Gabriele Kriese
 |  aktualisiert: 09.11.2020 02:16 Uhr

30 Jahre lang hat Klinikpfarrer Gottfried Amendt (75) schwer kranke und sterbende Menschen sowie deren Angehörige begleitet. 1990 begann er als zweiter Krankenhauspfarrer an der heutigen Universitätsklinik Würzburg, 2011 wurde er Klinikpfarrer am Klinikum Würzburg-Mitte am Standort Missio, blickt das Bischöfliche Ordinariat in einer Pressemitteilung zurück.

Die Aufgaben der Klinikseelsorger seien vielfältig: von Gesprächsangeboten über die Feier von Gottesdiensten bis hin zu Angeboten wie Besinnungstagen für die Mitarbeiter. "Ich sehe es als Berufung", sagt er rückblickend. Die Gespräche habe er immer als ein Geben und Nehmen empfunden. "Viele Menschen haben mir ihre Lebensgeschichten erzählt. Oft fühlte ich mich mehr beschenkt. Ich bin sehr dankbar für diese Zeit." Seit 1. November 2020 ist Amendt im dauernden Ruhestand.

Es sei sein Wunsch gewesen, in der Klinikseelsorge oder Telefonseelsorge zu arbeiten, sagt Amendt. "Ich wollte Zeit für die Menschen und für die Seelsorge haben." Deshalb habe er sich bewusst gegen die mit mehr Verwaltungsaufgaben verbundene Leitung einer Pfarrei entschieden, als er nach 13 Jahren als Rektor des Würzburger Matthias-Ehrenfried-Hauses und Jugendseelsorger des Stadtdekanats Würzburg nach einer neuen Herausforderung suchte. "Verwaltung und Organisation sind nicht so mein Ding. Ich habe mich für die Klinikseelsorge entschieden."

21 Jahre wirkte er als katholischer Seelsorger an der heutigen Universitätsklinik Würzburg mit rund 1600 Patienten und acht Intensivstationen, und dann noch einmal neun Jahre am deutlich kleineren Standort Missio mit 320 Patienten und einer Intensivstation.

"Das Schöne war, dass ich nicht auf die Uhr schauen musste. Ich konnte mir Zeit nehmen für schwer kranke und sterbende Menschen."
Gottfried Amendt,
Klinikpfarrer i.R.

In beiden Häusern lag sein Schwerpunkt auf der Seelsorge für die Menschen auf den Stationen der Inneren Medizin und auf den Intensivstationen. "Das Schöne war, dass ich nicht auf die Uhr schauen musste. Ich konnte mir Zeit nehmen für schwer kranke und sterbende Menschen, für ihre Angehörigen und auch für das Personal", sagt Amendt.

Die Seelsorger würden im Krankenhaus sehr geschätzt, ist seine Erfahrung. "Wir haben keinen Zeitdruck. Wir entlasten das Personal. Die Ärzte hören den Patienten auch zu, aber sie müssen immer weiter." Mal wünschten sich die Patienten selbst geistlichen Beistand, mal würden sie von den Angehörigen angesprochen, mal sei es das Personal, das auf das Angebot der Seelsorge hinweise.

Wenn Amendt auf eine Station kam, habe er im Stationszimmer nachgefragt, ob jemand einen Seelsorger wünsche. "Ansonsten bin ich von Zimmer zu Zimmer gegangen. Wenn ich neu in ein Zimmer gegangen bin und die Türklinke in der Hand hatte, war da immer ein bisschen Angst, was mich erwartet", gibt Amendt zu.

Er habe bewusst darauf geachtet, nicht sofort als Priester erkenntlich zu sein, erklärt Amendt und zeigt auf sein schlichtes Namensschild aus Holz mit einem aufgemalten Baum. Manche Patienten hätten in ihrem Leben schlechte Erfahrungen mit Geistlichen gemacht. "Sie erzählen mir beispielsweise, dass sie in der Schule geschlagen wurden. Und dann stellen sie fest, dass ich eine ganz andere Person bin als der Pfarrer aus ihrer Kindheit."

Einmal habe ihn ein Mann des Zimmers verwiesen und gesagt, er könne gleich weitergehen, er habe mit Kirche nichts am Hut. Später habe der gleiche Mann zu ihm gesagt: "Mit ihnen kann man ja ganz normal reden." Viele Menschen hätten sich für das Gespräch bedankt. "Dabei habe ich nur zugehört. Ich bin da und höre zu."

Doch manchmal habe auch er keine Worte mehr gehabt. Amendt erzählt von einer jungen Patientin, die nach einem Sturz vom Pferd gestorben ist. "Die Mutter hat alles rausgelassen, ihren ganzen Frust. Sie hat mich gefragt, ob ich eine Antwort habe. Aber ich war auch sprachlos." Auch Zweifel seien im Krankenhaus erlaubt, "auch für die Seelsorger".

"In der Klinik gibt es viele Engel: die Ärzte, das Pflegepersonal, aber auch den technischen Dienst, die Pforte, das Reinigungspersonal."
Gottfried Amendt,
Klinikpfarrer i.R.

Großen Respekt empfindet Amendt für das Personal. "In der Klinik gibt es viele Engel: die Ärzte, das Pflegepersonal, aber auch den technischen Dienst, die Pforte, das Reinigungspersonal." Im Missio würden seit 2016 jedes Jahr vier Besinnungstage für das Personal angeboten. "Wir sind in Abschnitten den Jakobsweg von Binsbach bis Gaukönigshofen gelaufen sowie den Besinnungsweg in Retzbach. Es gibt Impulse, etwa eine Meditation an einem Baum oder an einem Bildstock, aber auch Zeit zum Reden und zum Austausch", erzählt Amendt.

Ein Besinnungstag finde vor Ort statt, für jene, die nicht mehr so viel laufen können. Im Schnitt seien 25 Teilnehmer dabei. "Das Angebot wird sehr geschätzt." Mit der Zeit gehörten auch immer mehr Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen zu den Aufgaben des Klinikpfarrers. "Wenn man die Menschen über Tage oder Wochen begleitet, dann wünschen sie auch, dass man den Angehörigen beerdigt." Auch für Trauungen und Taufen gebe es immer wieder Anfragen vom Personal.

Während des Corona-Lockdowns sei eine halbe Station des Missio mit Corona-Patienten belegt gewesen. Diese wurden – auf Anfrage – von Pastoralreferent Michael Hanft betreut. "Zu den anderen Patienten konnte ich wie gewohnt gehen, aber mit Maske und entsprechendem Abstand. Es durfte nur ein Angehöriger pro Patient zu Besuch kommen", erzählt Amendt. Eine Ausnahme sei bei Menschen gemacht worden, die im Sterben lagen: Diese konnten auch von mehreren nächsten Angehörigen besucht werden.

"Das Gebet hat mich getragen und tut es auch jetzt noch."
Gottfried Amendt,
Klinikpfarrer i.R.

Kraft für seine Arbeit tankt Amendt unter anderem in der Natur. Schon als Kind sei er nach der Schule aufs Feld oder in den Wald gegangen. 1987 lief er zwei Monate zu Fuß auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela, und ein Jahr später mit einer Gruppe aus Würzburg in sechs Etappen. Außerdem meditiert er seit 30 Jahren. "Ich meditiere jeden Morgen." Zudem geht er jedes Jahr für zehn Tage zur Schweigemeditation nach Gries bei Kronach. Wenn man anderen helfen wolle, müsse man auch seine eigene Lebensgeschichte aufarbeiten und mit sich im Reinen sein, sagt Amendt und fügt noch an: "Ich glaube, dass viele Menschen für mich gebetet haben. Das Gebet hat mich getragen und tut es auch jetzt noch."

Im Ruhestand feiert Amendt weiterhin regelmäßig Gottesdienste in Würzburg. Für das kommende Jahr stehen bereits vier Trauungen im Kalender. "Ich habe keine Bedenken, dass ich arbeitslos werde."

  

 
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