Jeden zweiten Tag steigt Heinz Heuler die steile Holztreppe zum Dachboden hinauf, wo er schon erwartet wird: Sobald die Tauben auf dem Dach die Schritte des ehrenamtlichen Betreuers hören, flattern sie vom First zur Öffnung oberhalb der Regenrinne und schlüpfen in ihren Schlag auf dem Speicher. Unter dem Spitzgiebel fliegt der Staub auf, es riecht nach trockenem Stroh und nach Hühnerstall. Mit einem Pfiff lockt Heuler einige Nachzügler vom Dach. Dann schließt der ehrenamtlich Taubenpfleger im Speicher die Tür zum Schlag auf.
Sofort fliegt ein weißer Vogel auf ihn zu. „Die ist wohl einmal für eine Hochzeitsfeier aufgestiegen und hat dann nicht mehr zurück in ihren Schlag gefunden“, erzählt Heuler über die zutrauliche Taube. Auch die anderen 22 ständigen Bewohner des Rathausschlages erkennt Heuler am Gefieder. „Der Schimmel hier vorne war von Anfang an da. Auch das kräftige Weibchen da hinten in der Ecke ist geblieben.“
Die beiden Bekannten gehören zu den 25 Tauben, die Heuler im August am Bahnhof eingefangen und in den neu eingerichteten Taubenschlag ins Rathaus gebracht hat. Dort wurden sie einen Monat eingesperrt und täglich gefüttert und getränkt. Seitdem die Ein- und Ausflugsluke geöffnet ist, bekommen sie alle zwei Tage Getreide.
Heuler streut eine Handvoll Futter aus. Erbsen, Weizen, Mais kullern in die Krippe. „Das ist handelsübliches Taubenfutter, das ich direkt beim Landwirt hole,“ erklärt der 74-Jährige, der seit über 60 Jahren Brieftauben züchtet.
„Wir füttern die Tauben sporadisch, um sie anzulocken und an den Schlag zu gewöhnen,“ sagt Dr. Winfried Ueckert. Der Leiter des städtischen Verbraucherschutzes ist für das Taubenprojekt verantwortlich. Ziel sei neben dem Anlocken die artgerechte Ernährung. „Tauben fressen auch, was ihnen nicht gut tut, und werden krank“, erklärt der Veterinär. Deshalb würden Tierfreunde auch nichts Gutes tun, wenn sie ihre Pommes oder Kuchenkrümel den Tauben hinwerfen. „Stattdessen ist es Tierschutz, die Tauben eben nicht zu füttern,“ appelliert der Veterinär an die Vernunft von Tierfreunden.
Die Vögel, die nebeneinander auf dem Nistregal im Rathausdach sind keine zerrupften, humpelnden Straßen-Tauben. Ihr graues Gefieder glänzt, der Kopf schillert blau, der Kropf grün und lila. Sie blicken neugierig zu den Besuchern.
Der städtische Umgang mit den Tauben war im vergangenen Jahr in die Kritik geraten. Ab 2006 hatten die Mitglieder des Vereins Menschen für Tierrechte im Auftrag der Stadt auf Straßen und Plätzen den Tauben täglich rund 40 Kilo Getreide gefüttert.
Laut Berichten von Bürgern sowie Taubenpfleger Heuler hatte diese „Mast“ zu einer starken Vermehrung der Tauben geführt. Um dies Entwicklung zu stoppen, hat der Stadtrat im vergangenen Jahr das Füttern auf der Straße einstellen lassen und den Bau des Taubenschlags im Rathaus, sowie zwei weiterer im Quellenbachparkhaus beschlossen.
Taubenexperte Heinz Heuler zur Neuausrichtung der Taubenpolitik
Heuler kann die Auswirkungen des Futterstopps bereits zählen: „Seitdem werden wieder weniger Eier gelegt.“ Die Anzahl der Eier, die in den vier Taubenhäuser im Glacis gelegt worden seien, habe sich seit der Einstellung der Fütterung fast halbiert.
Ruruh - eine Taube steckt ihren Kopf aus der abtrennten Zelle im Regal, in dem sie brütet. Auf einigen Strohhalmen und ein paar Zweigen, die sich der Vogel von draußen mitgebracht hat, liegen zwei weiße, knapp tischtennisballgroße Eier. „Das sind Plastikeier, die ich vor zwei Tage ins Nest gelegt habe“, erklärt Heuler. Die echten hat er ausgetauscht und vernichtet. Rund 15 Tage lang wird der Vogel jetzt noch auf den falschen Eiern sitzen. „Irgendwann merken sie, dass keine Küken schlüpfen und geben das Brüten auf.“ Elf Paare brüten zur Zeit auf diese erfolglose Art im Rathausschlag.
1000 Eier sammelte Heuler seit den 80er Jahren jährlich in den vier Taubenhäusern im Ringpark ein. In den neuen Taubenschlägen sind es bislang rund 450.
„Das große Ziel des Taubenprojektes ist, die Population mittel- bis langfristig auf eine angemessene Zahl zu reduzieren,“ betont Umweltreferent Wolfgang Kleiner. Als angemessen gilt ein Prozent der Bevölkerung. Das wären für Würzburg 1300 Tauben. Im Moment flattern viel mehr durch die Stadt.
Neben der Verringerung des Nachwuchses dienen die Schläge auch der Reduzierung des Taubenkots in der Stadt. Zumindest einen Teil ihrer jährlichen Kotmenge von etwa 12 Kilogramm soll die Taube im Schlag lassen. Diesen kehrt Heuler alle 14 Tage aus. Einmal im Vierteljahr steht eine Großreinigung an.
Während sich Heuler um die Praxis kümmert, ist die städtische Mitarbeiterin Christine de Asevedo vor allem für die Theorie zuständig. Die Koordinatorin des Taubenprojektes im Kommunalreferat pflegt die Statistik über die Entwicklung der Population. Außerdem ist sie direkte Ansprechpartnerin für Bürger. „Es gibt immer wieder Beschwerden,“ berichtet Asevedo. Diesen geht sie nach, indem sie die Hauseigentümer vor Ort über Maßnahmen zur Taubenvergrämung berät. „Bislang war jeder Eigentümer dazu bereit.“ Daneben kümmert sich Asevedeo um die Suche nach weiteren Plätzen für Taubenschläge und um die Aufklärung zur Fütterung.
Denn laut Umweltreferent Kleiner pendelt sich die Taubenpopulation nur auf das gewünschte Maß ein, wenn „alle Aspekte zusammen wirken“: Fütterungsverbot, hier wird zum Beispiel auch die Außengastronomie gebeten mitzuwirken, das Entfernen wilder Nistplätze und die Einrichtung kontrollierter Schläge. Für deren Unterhalt gibt die Stadt jährlich einen vierstelligen Betrag aus.
Kleiner betont: „Das sind alles tierschutzgerechte Maßnahmen.“ Wenn die Tauben, die nach ihrer Mahlzeit wieder auf das Rathaus-Dach zurück geflattert sind und nebeneinander in der Sonne sitzen, sprechen könnten, würden sie dem Umweltreferenten wohl zustimmen.
Taubenpolitik in Würzburg
500 kontrollierte Nistplätze betreut die Stadt Würzburg. Neu sind die Schläge im Rathaus (90 Nistplätze) sowie im Quellenbachparkhaus (280 Nistplätzen), die 2009 für 14 000 Euro gebaut wurden. Bislang brüten in den neuen Schlägen rund 50 Pärchen. 453 Eier wurden diesen bislang entnommen.
Vier Taubenhäuser mit 100 Brutplätzen gibt es seit 1980 im Ringpark. Eingesammelte Eier in diesem Jahr: 459. 2009 waren es fast 900.
Die Stadt sucht aber noch weitere Plätze. Die Kosten für Pflege, Material und Instandhaltung der Häuser und Schläge bewegen sich laut Umweltreferent Wolfgang Kleiner jährlich „in einem mittleren vierstelligen Bereich“.
Weitere Taubenschläge in der Stadt werden von der Kirche, zum Beispiel in der Deutschhauskirche, betreut. Die Uni unterhält acht Schläge und ein Taubenhaus, die Fachhochschule einen Schlag in der Münzstraße, in der Justizvollzugsanstalt am Friedrich-Bergius-Ring wurden Falken angesiedelt, die Tauben vertreiben sollen.
Eine genaue Bestimmung der Taubenpopulation in der Stadt ist nicht möglich. Wie viele Tiere wild nisten, zum Beispiel in leer stehenden Lokschuppen um den Bahnhof, kann man nur raten. Schätzungen gehen von 2000 bis 5000 Tauben aus. Angestrebt wird ein Prozent der Bevölkerung. Das wären für Würzburg 1300.
Verboten ist in der Stadt die Fütterung: In diesem Jahr wurden bereits 16 Verfahren wegen verbotswidrigen Taubenfütterns eingeleitet, 2009 waren es fünf.
wo isst du denn dein Brot ?
ach, du pickst Getreide in dein
Kröpfchen ?! dann flieg schnell
aufs Töpfchen !
flieg hinaus aus dem Rathaus,
guck dich um, da leffen viele Leut
herum. die Einen sagen 'gurr gurr
gurr', die Andern 'murr murr murr'
und wieder andere 'Falken her'
ach liebes Turteltäubchen du hasts
schwer.
Flieg nau's aufs Land und nähr
dich redlich... pick hafer, weizen
gerste, roggen, dann brauchst
a nit auf dem Dach rumhocken.
Kein Fenstersims vollscheiss,
pick lieber Mais.
Im Rathaus-Taubenschlag..ach Du lieber Himmel.Gibt es da denn keinerlei Alternativen außerhalb der Innenstadt?
Kann man die Viecherl nicht stadtnah "auslagern"...naja,wohl nicht .
Mich erschrecken solche Berichterstattungen mehr als dass ich einen Sinn dahinter finden kann....einen Taubenschlag im Rathaus Würzburg zu installieren....zur Hülfe... .
Vorschläge:
- Schilder "Der Tierfreund füttert keine Tauben" aufstellen?
- Siehe Bahnhof: Hier werden (wurden?) die Tauben durch Vogelschreie vergrämt. Kann so etwas für die Marktbuden funktionieren?
- Wäre es eine Möglichkeit 4 mal täglich an diesen speziellen Plätzen zu fegen, damit die Semmelbrösel weg sind?