Würzburg. Der Schock sitzt fast vier Jahrzehnte später noch immer tief: "Wir hatten bei Gerbrunn Erdbeeren gepflückt", erinnert sich Kristy Rodney, die im Sommer 1980 ein kleines Mädchen war und in der US-Wohnsiedlung neben den Leighton Barracks lebte. "Als wir zurückkamen, befahl man uns, die Wohnung nicht zu verlassen und die Tür abzuschließen."
Der Soldat Jan Holdridge arbeitete im US-Hauptquartier am Eingang des Kasernengeländes. Nach Schichtende wollte er über eine Wiese zu seiner Unterkunft gehen. Plötzlich sah er im Gras einen amerikanischen Soldaten in Tarnuniform mit bemaltem Gesicht. Der sagte kein Wort, schüttelte nur den Kopf und wies nach hinten. "Da entdeckte ich weitere getarnte Soldaten, die auf dem Bauch lagen", weiß Holdridge noch. "Ich machte mich verdammt schnell davon."
Am Zahltag mit Nylonstrumpf die Bank gestürmt
Ganz in der Nähe hatte sich der 39-jährige US-Soldat Peter Friebel, Sohn eines Deutschen, in der American Express-Bank in einem Anbau am Tower mit zwei Geiseln verschanzt. Doch als die Geiselnahme Stunden später gewaltsam endete, war es kein amerikanisches, sondern ein deutsches Spezialeinsatzkommando, das Friebel vor der Bank erschoss. Am Tag darauf hörte Kristy Rodney von ihrer entsetzten Mutter, dass das Blut des Geiselnehmers noch auf dem Gehsteig leuchtete.
Der 39-jährige Friebel hatte, mit einem dunklen Nylonstrumpf maskiert, am Morgen des 30. Juni, dem Zahltag für die US-Soldaten, gegen 8 Uhr den 49-jährigen Bankangestellten Melvin Cochran sowie den 35-jährigen Oberfeldwebel Buddy Davis mit vorgehaltener 9-Millimeter-Smith-and-Wesson-Pistole in seine Gewalt gebracht. Eine Augenzeugin sah dies und alarmierte sofort die Militärpolizei.
US-Soldaten und deutsches SEK kooperieren
Wenig später hielt ein Streifenwagen vor der Bank. Die Polizisten riefen "Wer ist da drin?" Davis musste ein Fenster öffnen und im Auftrag des Täters antworten: "Das ist ein Überfall!" Das Kasernengelände wurde sofort abgesperrt, die Bank von schwerbewaffneten amerikanischen Soldaten abgeriegelt, die deutsche Polizei benachrichtigt und das Spezialeinsatzkommando (SEK) Mittelfranken der Landespolizei alarmiert.
Während Buddy Davis noch mit der Autobesatzung sprach, kam eine Reinemachefrau ahnungslos die Kellertreppe der Bank herauf. Als sie die brenzlige Situation erkannte, schlich sie wieder nach unten und versteckte sich in einem Abstellraum. Erst am Abend entdecken drei Polizisten mit schwarzgefärbten Gesichtern ihr Versteck. Während lärmend ein Lastwagen hin- und hergefahren war, hatten die Beamten ein Gitter durchgesägt und waren in den Keller der Bank gelangt; sie befreiten die Gefangene.
Peter Friebel war ein amerikanischer Stabsunteroffizier, der in München, wo er mit Frau und drei Kindern wohnte, beim Militärischen Abschirmdienst der US-Army arbeitete. Für die Tat hatte er eigens Urlaub genommen. Von 1970 bis 1973 war er in Würzburg unter anderem als Übersetzer beim Verbindungsbüro am Ludwigkai eingesetzt gewesen; deshalb kannte er die örtlichen Verhältnisse gut.
Täter lässt seine Geisel reden
Dennoch, so die 1980 in Würzburg stationierte ehemalige Soldatin Linda Davies fast 40 Jahre später, "ist es eine wirklich schlecht Idee, ausgerechnet eine Bank mitten in einer Kaserne zu überfallen".
Friebel erklärte sich damit einverstanden, einen Telefonkontakt herzustellen. Die beiden Geiseln mussten in einen kleinen Büroraum gehen, dessen Eingang der Bankräuber mit geladener und entsicherter Pistole verstellte.
Es begannen aufreibende Stunden der telefonischen Verhandlungen mit zwei Beamten der amerikanischen Kriminalpolizei CID und einem Psychologen. Die drei strebten die Aufgabe das Täters an, um die Geiseln nicht durch eine gewaltsame Befreiung zu gefährden.
Der Täter selbst redet kaum; es war Buddy Davis, der meist Kontakt halten musste. "Ich habe mich in all den Jahren meines Dienstes nie so gefährdet gefühlt", berichtete er bei einer Pressekonferenz drei Tage später; während der Geiselnahme rauchte er zwei Päckchen Zigaretten.
1,4 Millionen Dollar gefordert
Peter Friebel nannte seine Forderungen: ein Fluchtwagens, der ihn zu einem Flughafen bringen sollte, sowie 1,4 Millionen Dollar in Zehner-, Zwanziger- und Fünfziger-Scheinen. So viel Geld war freilich in der Bank trotz Zahltag nicht vorhanden. Ein Hubschrauber flog daher los, um Scheine aus der Bank in den Kitzinger Harvey Barracks zu besorgen.
Dort arbeitete damals Evelyn Kelley, die sich 2019 erinnerte, dass sie die Seriennummern der für Würzburg bestimmten Banknoten notierte. Als die Tüten mit Geld eintrafen – zweimal 300 000 Dollar – musste der Bankfachmann Cochran nachzählen.
Täter droht mit Erschießung der Geiseln
Inzwischen hatte sich die Geiselnahme in den Leighton Barracks herumgesprochen. Neugierige standen in sicherem Abstand mit Fernrohren auf Dächern; andere blickten durch Teleskope. Im Innern der Bank wurde die Situation immer gefährlicher. Als Friebel drohte, ab 19.15 Uhr die Geiseln und sich selbst zu erschießen, dachte Buddy Davis darüber nach, wie er den Täter mit Hilfe eines kleinen Tischchens oder einer Schreibmaschine überwältigen könnte. Mit Rücksicht auf Cochran, der in unmittelbarer Nähe der Pistolenmündung saß, ließ er es bleiben.
Doch Friebel knickte ein und die Verhandlungen gingen auch nach 19.15 Uhr weiter. Schließlich traf der Rest des Lösegeldes – 800 000 Dollar – ein und wurde direkt in den bereitstehenden Fluchtwagen, einen weißen BMW, gelegt. Buddy Davis erhielt von Friebel den Auftrag, die bereits vorhandenen 600 000 Dollar zum BMW zu bringen. Er tat es und legte die wertvollen Tüten auf den Rücksitz.
Danach war er frei.
Da deutsche Scharfschützen vor ähnlich ausgebildeten amerikanischen Kräften am Tatort eintrafen, akzeptierte Generalmajor Sam Wetzel, der Kommandeur der 3. US-Infanteriedivision, das Angebot der deutschen Polizei, eine aktive Rolle zu ubernehmen. SEK-Männer lagen versteckt in einem 130 Meter entfernten Neubau hinter ihren Gewehren mit Zielfernrohr. Andere versteckten sich auf einem Lastwagen, den 30 Mann lautlos vor das viel näher gelegene Kino (heute ein Rewe-Markt) geschoben hatten.
Ihr Auftrag war, die noch verbliebene Geisel Melvin Cochran zu befreien. Da dieser nur 1,63 Meter groß war – Kollegen nannten ihn scherzhaft "Shorty" – konnten sie Cochran und den etwa 20 Zentimeter größeren Geiselnehmer nicht verwechseln. Um 0.30 Uhr am 1. Juli 1980 kamen beide aus der Bank. Friebel drückte Cochran die Pistole ins Genick. Er schaute sich um und dirigierte seiner Geisel zum Auto.
Drei tödliche Schüsse
Die SEK-Männer waren per Sprechfunk miteinander verbunden. Auf ein Zeichen fielen um 0.32 Uhr innerhalb einer halben Sekunde drei Schüsse – zwei in Friebels Kopf, einer in seinen Hals. Jeder war tödlich. Melvin Cochran stürzte ohnmächtig, aber unverletzt, zu Boden. Noch Tage später war er von den Geschehnissen so mitgenommen, dass er nicht an der Pressekonferenz teilnehmen konnte, in der seine Mitgeisel Buddy Davis vor zahlreichen Journalisten detailliert von den Ereignissen berichtete.
Die Schüsse hatten ein juristisches Nachspiel. Ein Hamburger Strafrechtler erstattete Anzeige wegen des Verdachts auf Totschlag. Ende September 1980 stellte die Staatsanwaltschaft Würzburg das Ermittlungsverfahren gegen SEK-Mitglieder und den Würzburger Polizeichef Hanns-Peter Ludwig ein. Es habe aufgrund der Verhandlungen genügend Hinweise dafür gegeben, dass der Geiselnehmer seine Drohung, die Geisel umzubringen, wahrmachen würde, wenn man seine Forderung nach freiem Abzug nicht erfülle. Daher seien die Todesschüsse rechtlich einwandfrei gewesen.
Manchmal frage ich mich schon, was solche Leute antreibt?
Hätte der auch Anzeige erstattet, gegen die Polizei wegen Unterlassung, wenn die Geisel vom Geiselnehmer erschossen worden wäre?
Geltungssucht?
Ansonsten damals fehlende Werbemöglichkeiten für Strafrechtler?