Der Mord an dem Würzburger Taxifahrer Eduard Wehnert bei Repperndorf (Lkr. Kitzingen) sorgt im November 1966 bundesweit für Aufsehen. Denn es ist bereits der dritte Fall binnen weniger Tage – und die Öffentlichkeit fragt sich: Geht da ein Serienkiller in Deutschland um, der es auf Taxifahrer abgesehen hat?
Mord auf offener Straße
Der 41-jährige Vater zweier Kinder wird am 20. November in Würzburg gegen 20 Uhr am Stand in der Annastraße für eine Fahrt nach Kitzingen gebucht. Unterwegs bricht der Funkverkehr ab, was bei der damaligen Technik nicht ungewöhnlich ist. Das verhinderte aber, dass der Taxifahrer im Notfall seine Kollegen um Hilfe rufen kann.
Gegen 20.30 Uhr meldet sich ein Paar bei der Polizei, das auf dem Weg von einer Tanzveranstaltung nach Hause war: Zwischen Repperndorf und Buchbrunn sahen sie ein Taxi quer auf der Straße stehen, mit laufendem Motor, die Scheinwerfer noch an und mit eingeschaltetem Blinker links. Als der junge Mann ausstieg, um nachzusehen, entdeckte er einen blutüberströmten Mann auf dem Fahrersitz.
Der dritte von fünf Morden binnen weniger Wochen
Es ist Taxifahrer Wehnert, den die Polizei tot auffindet, mit 39 Stichen getötet. In seinem Wagen findet man Geld, aber nicht seine Papiere. Der Fall sorgt überregional für Schlagzeilen. Es ist der dritte Mord binnen kurzer Zeit: Acht Tage zuvor wurde der Münchner Manfred von Bertoldi erstochen und beraubt, zwei Tage später der Frankfurter Taxi-Fahrer Heinz Schlund. Er wird in der Mittagszeit mit drei Pistolenschüssen getötet.
Eine Woche nach dem Würzburger erwischt es in Berlin Alfons Rosenthal. Und wieder ein paar Tage später stirbt am 4. Dezember der Osnabrücker Taxi-Fahrer Felix Reese.
Taxifahrer greifen zum Faustrecht
In Nürnberg kommt es am Abend des Mordes in Kitzingen ebenfalls zu einem Zwischenfall. Dort hatten zwei US-Soldaten in Zivil den Taxifahrer Horst Reitzammer gefragt: „Wo sind hier die Fräuleins?“ Dann befehlen sie ihm, sie in eine abgelegene Sackgasse zu fahren. Einer der Amerikaner umklammert den Fahrer von hinten, während der zweite beginnt, auf ihn einzuschlagen.
Doch in seiner Not tritt Retzammer auf eine Warnhupe. Im Nu sind 40 seiner Kollegen zur Stelle. Die Amerikaner flüchteten. Doch die erbosten Taxifahrer fassen die beiden und verprügeln sie. Nur mit Mühe kann die Polizisten die beiden Soldaten retten.
Eine sperrige Schutzmaßnahme
In Köln drohen fast 100 Droschken-Fahrer, zwei Fahrgäste "fertig zu machen"; die mit einem Taxi-Lenker in Streit geraten waren. Auch der rief seine Kollegen über die Funkanlage herbei. Taxi-Fahrer sind es auch, die nach dem Mord an ihrem Kollegen Max Eckert, 32, am 7. Oktober in Düsseldorf mit 600 Taxen aus Rachsucht den Verkehr blockierten, Passanten verprügelten und Gammler zu lynchen drohten.
Sie waren wütend auf das Bonner Parlament, das sich weigerte, die Todesstrafe wieder einzuführen. Noch wütender waren sie auf eine Schutzmaßnahme, die ihnen stattdessen verordnet wurde: Eine gepanzerte Schutzscheibe zwischen Fahrer vorne und Fahrgast im Fonds.
Umstrittene Trennwandverordnung
Auf Betreiben von Bundesverkehrsminister Georg Leber (SPD) trat 1967 die so genannte Trennwandverordnung in Kraft. Alle Taxis mussten bis zum 1. Januar 1968 mit einer kugelsicheren Trennwand, die im oberen Teil aus Panzerglas war, ausgerüstet werden. Die Luxusausführung war elektrisch versenkbar.
Durch die Panzerglasscheibe wurden aber sowohl der Fahrerraum, als auch der Fahrgastraum räumlich sehr eingeschränkt. Große Fahrer konnten ihre Sitze nicht weit genug nach hinten schieben und im Sommer gab es zudem klimatische Probleme. Außerdem litt unter der Trennscheibe die Kommunikation zwischen Fahrer und Fahrgast.
Belohnung ausgesetzt
Indessen ging die Suche nach dem Mörder des Würzburger Taxifahrers nur zäh voran. Der schwarze Ami-Schlitten war eine falsche Fährte, nun suchte man einen hellen VW-Käfer oder einen Fahrer, der einen Anhalter mitgenommen hatte.
Eine zunächst geplante Protestfahrt blies die Taxivereinigung wieder ab. “Sie hat ja nach all unseren Erfahrungen keinen Zweck,“ sagte der Vorsitzende Hermann Brückner. Oberbürgermeister Helmut Zimmerer setzte 2000 Mark Belohnung aus, die Staatsanwaltschaft erhöhte sie auf 4000 Mark.
Taxifahrer beweisen Solidarität bei Wehnerts Beerdigung
Zu einer Demonstration geriet dann Wehnerts Beerdigung: 211 mit Blumen geschmückte Taxen aus ganz Deutschland gaben ihm das letzte Geleit, ein zwei Kilometer langer Zug fuhr durch die damals noch offene Innenstadt, von der Augustinerstraße, dann am Dom vorbei, die Juliuspromenade vor zur Ludwigstraße und zum Hauptfriedhof. Bilder von damals zeigen eindrucksvoll, wie die Würzburger am Straßenrand dem Taxifahrer die letzte Ehre erwiesen, während sich die Domstraße herauf Taxi an Taxi reihte.
Am Grab sprach Josef Kuffer, der Landesvorsitzende der bayerischen Kraftdroschken- und Mietauto-Unternehmer. Die Friedhofsverwaltung sprach von der größten Beerdigung, die Würzburg seit 1934 erlebt habe. In einer Pressekonferenz im Hofbräu-Keller ließ Kuffer anschließend kein gutes Haar an der Trennwand-Verordnung.
Täter bekannt, aber nicht gefasst
Elf Monate nach dem Mord verkündete der Würzburger Oberstaatsanwalt Albert Purucker dann Überraschendes: Der 21-jährige US-Soldat Gary McGuire sei der Tat dringend verdächtig. Doch der war längst nicht mehr an seinem Standort in Giebelstadt (Lkr. Würzburg). Bereits im Mai war er „aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes“ ins US-Hospital Sheppard in Texas verlegt worden. Zu dem Zeitpunkt habe er noch nicht konkret unter Verdacht gestanden. Man werde sich bemühen, ihn in Deutschland vor Gericht zu stellen.
Im Februar 1968 waren die Würzburger Taxifahrer erneut auf den Barrikaden: „Der Mord an unserem Kollegen Eduard Wehnert endet ebenso wie der an Karl Pfeuffer n Schweinfurt – der Täter wird nicht bestraft“, zürnten sie. In der Kugellagerstadt war der Mietwagenfahrer Karl Pfeuffer von zwei US-Soldaten erschossen worden. Aber erst später legten die beiden in ihrer Heimat ein Geständnis ab, das wegen formaljuristischer Fehler nicht verwertet werden konnte. Die Täter gingen straffrei aus.
Klinik schickt Gutachten: Verdächtiger ist geistesgestört
Auch im Würzburger Fall musste die Würzburger Justiz 16 Monate nach dem Mord kapitulieren: Die Shepard-Klinik in Texas hatte ein ausführliches Gutachten über den Tatverdächtigen erstellt. Darin hieß es, Gary McGuire habe zum Zeitpunkt des Mordes an einer schweren geistigen Erkrankung gelitten. Ein Heilungserfolg sei fraglich. Die Staatsanwaltschaft gab am 15. Februar 1968 bekannt: Sie werde nicht weiter versuchen, den Fall an sich zu ziehen.
1969 wurde die Trennscheibenverordnung wieder aufgehoben. Manche Taxis waren bis dahin noch nicht umgerüstet. Alle anderen Unternehmen bauten die bis zu 2.000 DM teuren Konstruktionen relativ schnell wieder aus, da deren hohes Gewicht einen erhöhten Kraftstoffverbrauch zur Folge hatte.
Der ermordete Würzburger Taxiunternehmer Wehnert hatte sich für die Trennscheibe ausgesprochen – anders als 95 Prozent seiner Kollegen. Ihm hätte sie vielleicht das Leben retten können.