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15-jähriger Würzburger paukt in der Karibik
Keine normale Reise: Der Würzburger Stefan Groß segelt im schwimmenden Klassenzimmer. Sechs Monate dauert seine Tour. Mehrere Jahre lang hat der 15-Jährige sich vorbereitet.
KUS-Projekt_Thor Heyerdahl       -  Das Schulschiff Thor Heyerdahl: Gut 40 Meter lang ist der Windjammer, 1930 in Holland als Küstenmotorschiff mit Hilfssegeln gebaut und später umgerüstet.
Foto: privat, KUS-Projekt | Das Schulschiff Thor Heyerdahl: Gut 40 Meter lang ist der Windjammer, 1930 in Holland als Küstenmotorschiff mit Hilfssegeln gebaut und später umgerüstet.
Joachim Fildhaut
 |  aktualisiert: 27.04.2023 00:51 Uhr
KUS-Projekt_Thor Heyerdahl       -  Das Schulschiff Thor Heyerdahl: Gut 40 Meter lang ist der Windjammer, 1930 in Holland als Küstenmotorschiff mit Hilfssegeln gebaut und später umgerüstet.
Foto: privat, KUS-Projekt | Das Schulschiff Thor Heyerdahl: Gut 40 Meter lang ist der Windjammer, 1930 in Holland als Küstenmotorschiff mit Hilfssegeln gebaut und später umgerüstet.

Ein Elfjähriger ging seinen Weg. Vier Jahre lang bereitete er sich vor. Dann segelte er über den Atlantik.

Weihnachten feierte er auf dem Weg nach Panama mit 33 Gleichaltrigen. Bald steht ein dreiwöchiger Kuba-Aufenthalt bevor. Dazwischen liegen ein paar Schultage. Der 15-jährige Würzburger Stefan Groß lernt im „Klassenzimmer unter Segeln“.

2011 schnappte Stefan Groß in seinem Röntgen-Gymnasium die Nachricht auf: Man kann nicht nur auf dem bayerischen Festland, sondern auch bei „Klassenzimmer unter Segeln“ (KUS) lernen. Dabei schippert man ein halbes Jahr auf dem Windjammer Thor Heyerdahl in die Karibik und zurück. In einer Besatzung aus rund drei Dutzend Zehntklässlern macht man als Matrose Dienst an Deck und in der Kombüse. Daneben gibt es fast normalen Schulunterricht.

Stefan war begeistert. Einziger Schönheitsfehler: Er war zu dem Zeitpunkt vier Jahre zu jung. Andererseits kann man einige Jahre ganz gut brauchen, um sich auf diese Fahrt vorzubereiten.

Zum Beispiel die Frage klären: Ist das wirklich was für mich? Da half fernsehen, der Kinderkanal mit einer Reportagereihe von dem Schulschiff: „Schon als mein Bruder einen Flyer von KUS mit nach Hause gebracht hat, begeisterte mich das Projekt“, erzählt der Sanderauer. „Als ich dann auch noch die KIKA-Serie sah, stand für mich fest, dass ich mit auf die Thor möchte.“

„Er hat sich vier Jahre lang reingehängt, damit es klappt“, sagt Mutter Daniela Groß mit merklicher Bewunderung. „Sport war nie so seins.“ Aber plötzlich begann ihr Jüngster mit Joggen, Basketball, Schwimmern. Als Mitte Juni 2015 die Zusage kam, passte er sein Training der künftigen Praxis an. Mit einem Sixpack Wasserflaschen im Rucksack marschierte er immer wieder durch den sengenden Sommer von der Sanderau zur Keesburg hinauf. Das sollte nicht nur die Muskeln kräftigen. Dabei lief er auch seine Trekking-Schuhe ein.

Schlafsack, Moskitonetz – alles mussten die angehenden Leichtmatrosen zum Start in Kiel im Oktober selbst dabei haben. Gab?s übrigens mitsamt sehr guter Beratung in einem Würzburger Outdoor-Shop. Arbeitsoverall und Gummistiefel stammen einfach vom Baumarkt.

Tipps für sein Bewerbungsschreiben bekam Stefan Groß von der Tochter der Freundin einer Bekannten, die bereits mit KUS auf hohe See gegangen war. „Bei der Bewerbung geht es um das Profil der Interessenten“, sagt Vater Jörg Groß. „Außer Noten und Fitness zählt soziale Kompetenz. Schließlich müssen sich die Segler ein halbes Jahr in eine Gruppe einfügen.“

Ordentliche schulische Leistungen sind auf See kein Selbstzweck. Denn die Kinder stammen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum, und in dem halben Schuljahr wird der Stoff einer zehnten Klasse im G8 behandelt. Wer also aus einem anders organisierten Unterricht kommt, muss irgendwie Anschluss finden. Und seine Wahlfächer paukt jeder im Selbststudium, damit er sich nach der Rückkehr nicht abgehängt findet.

„In KUS lernen die Schülerinnen und Schüler, dass sie für übernommene Aufgaben, aber auch zunehmend für den eigenen Lebens- und Lernweg verantwortlich sind“, besagt denn auch die Pädagogische Leitlinie für das Klassenzimmer unter Segeln. Die ganze Konstruktion haben Pädagogen der Friedrich-Alexander-Uni in Erlangen entwickelt, namentlich bei Professor Thomas Eberle unter Projektleitung von Dr. Ruth Merk. Die Wissenschaftler chartern regelmäßig den Dreimast-Toppsegelschoner bei einer gemeinnützigen Fördergesellschaft, die sich auf Erlebnispädagogik spezialisiert hat. Geschäftsführer ist hier der Kapitän Detlef Soitzek.

Rund 150 hatten sich für diesen Herbst/Winter beworben, 50 gingen im Frühjahr auf einen einwöchigen Probetörn, 34 wurden genommen. Dazu kommt eine gehörige Summe Schulschiffgeld - für Daniela Groß „eine Investition in die Bildung unseres Kinds“. Ihr Mann unterstreiche: „Das ist nichts, was man so nebenbei mal macht. Das ist eine einmalige Chance.“

Auf See trat der frühere Schülerzeitungsmacher des Röntgen denn auch gleich in die Thor-Arbeitsgruppe für Öffentlichkeitsarbeit ein. Die individuelle Kommunikation funktioniert nicht ganz so reibungslos. Ihre „Infos sind das Log- und Tagebuch der KUSis, die weltweit im Internet angeklickt werden können.“ Da lag das letzte Telefonat mit Stefan schon drei Wochen zurück. Zwar hatte der Sohn bei einem Landgang mal versucht, aus einem Internet-Café zu skypen. Hat aber nicht geklappt. Das Web-Logbuch hinkt desöfteren bis eine Woche hinterher. Da bleibt für die Großens in Würzburg nur die Beruhigung: „Keine Nachricht ist gute Nachricht.“

Drei Tage vor Weihnachten hat es dann doch geklappt, mit einer geschickten Kombination von Handy und Internet und von St. Georg auf Grenada. Stefan Groß berichtet von einer etwas gemischten Stimmung an Bord. Für die meisten ist es doch ungewohnt, das Fest der Familie so weit in der Ferne zu erleben. Dem Logbuch zufolge war Weihnachten auf See und in der Gemeinschaft dann aber doch sehr schön.

Ende April wird der Junge an Land zurückerwartet.

Informationsabend für den KUS-Törn 2016/17: 26. Februar 2016 um 17 Uhr in der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät in der Regensburger Straße 160, 90478 Nürnberg (der Raum wird noch bekannt gegeben). www.kus-projekt.de

Der spannende Moment: Stefan Groß beim Einschiffen in Kiel im Oktober 2015.
Foto: Privat | Der spannende Moment: Stefan Groß beim Einschiffen in Kiel im Oktober 2015.
 
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