Je mehr die Welt aus den Fugen gerät, umso größer ist die Sehnsucht nach Ordnung und Perspektive. Und das Bedürfnis nach Stabilität und Zuversicht. Dies mag die große Resonanz auf den diesjährigen Diözesanempfang erklären – gut 1200 Gäste aus Politik, Gesellschaft und Kirche waren der Einladung von Bischof Franz Jung gefolgt.
Geopolitische Verschiebungen und große Unsicherheiten
Der Abend fand wie gewohnt im zentralen Hörsaalgebäude der Universität Würzburg statt und wurde per Video in einen zweiten Raum übertragen. Als Gastredner hatte man den renommierten Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler geholt, sein aktuelles Buch „Die Welt in Aufruhr – die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert“ rangiert seit Wochen in den Bestsellerlisten.
Münkler analysiert aus dem geschichtlichen Rahmen heraus die Verschiebung geopolitischer Achsen und beschreibt die aktuelle Phase von Unsicherheit und Übergang – wobei es auch in vermeintlich "ruhigen" Zeiten genügend Kriege gab. Sie waren für Europa nur weit weg, tobten besonders auf dem afrikanischen Kontinent.
Nach Jahrzehnten einer Bipolarität mit zwei Supermächten und – nach Ende der Sowjetunion – der Vorherrschaft der USA habe eine neue Unordnung die Welt erfasst. Sie sei für die Menschen in Europa ungewohnt und deshalb angstbehaftet. "Ein solcher Umbruch nimmt uns sehr in Anspruch", sagte Münkler. Eine Rückkehr zu den alten Verhältnissen sei aber ausgeschlossen.
Der 72-jährige Publizist und Berater machte deutlich, dass Europa seine Verantwortung für die eigene Sicherheit und Zukunft wahrnehmen müsse. Vorbei die Zeiten, als man sich auf den Weltpolizisten USA verlassen konnte. Symbolisch steht für den Politologen dafür der überhastete Abzug aus Afghanistan im Sommer 2021. Er befürchtet einen erneuten Rückzug der USA auf nationale Interessen ("America first"), falls Donald Trump im Herbst wieder zum US-Präsidenten gewählt werden sollte.
In einer neuen, sich herausbildenden Weltordnung sieht Herfried Münkler ein Nebeneinander von fünf Hauptakteuren. Außer den USA seien dies China, Russland, Indien als Vertreter des globalen Südens – und Europa. Wer sich dabei durchsetzen wird, sei offen. "Und wir Europäer sitzen nicht fest auf dieser Bank", wegen der zentrifugalen Kräfte und Vetorechte innerhalb der Europäischen Union (EU) trete man zu wenig als politischer Akteur auf.
Die EU müsse sich fundamental verändern, erst dann könnten weitere Staaten aufgenommen werden. Mit Blick nach Osten zeigte Professor Münkler ein düsteres Szenario auf: Sollte die Ukraine im russischen Angriffskrieg tatsächlich unterliegen, erwartet er eine Migrationsbewegung in die EU von "mindestens zehn Millionen Menschen". Auch in Nordafrika müsse die EU ein Interesse an politischer Stabilisierung und wirtschaftlicher Prosperität haben.
Bischof Franz Jung verwies im größten Hörsaal der Uni auf die vielfältigen Krisen dieser Zeit: Klimawandel, Kriege, Inflation. Die jüngsten Proteste von Bauern und Eisenbahnern zeigten, "wie sehr in unserer Gesellschaft die Unzufriedenheit wächst und die Polarisierung dramatisch zunimmt." Ohne eine Partei beim Namen zu nennen, meinte er: "Positionen, die lange als abwegig galten, scheinen plötzlich als legitime Wahlmöglichkeiten zu gelten."
Wer erklärt sich in einer neuen Ordnung zum Hüter der Welt? Die von Münkler aufgeworfene Frage ergänzte Jung mit den Worten: "Wer steht für die Menschenrechte? Wer betreibt eine Politik, die für Migranten und Fremde einsteht?" Wirkliche Zuversicht verbreiten konnte Politologe Münkler an diesem Abend nicht. Man müsse, so sein Appell, hart dafür arbeiten. Wo Menschen an ihre Grenzen kommen, schloss der Bischof, könnten Gott und der "Stern der Hoffnung" helfen.
Organisiert wurde der Diözesenempfang wieder von der Akademie Domschule, die musikalische Umrahmung übernahm in souveräner Manier das Bläserquartett Blechschmitt.
Was mir aufällt: Egal welcher Empfang usw in letzter Zeit stattgefunden hat und ich mir die Bilder anschaue, erkenne ich oft immer die gleichen Gesichter. Laden sich Würzburgs "Prominente" immer gegenseitig ein?