Nach zwei Jahren Pandemiepause erfuhr der Diözesanempfang mit Bischof Franz Jung am Montagabend in Würzburg einen Zuspruch wie noch nie: Rund 1100 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft nahmen die Gelegenheit zu Begegnung und Austausch wahr. Zum Greifen die Erleichterung: "Endlich sieht man sich wieder", war vielfach zu hören.
Empfang wieder im zentralen Hörsaalgebäude der Universität
300 weitere Anmeldungen konnten die Organisatoren von der Katholischen Akademie Domschule aus Platzgründen nicht mehr berücksichtigen. Der Empfang fand wie vor der Pandemie im zentralen Hörsaalgebäude der Uni Würzburg am Hubland statt. Aus dem größten Saal wurden Ansprache, Gastvortrag und Musik zusätzlich in zwei kleinere Räume übertragen.
In einer Zeit des Umbruchs, der Ungewissheiten und einer "erodierenden Gesellschaft" (Jung) lieferte der Gastvortrag im wahren Wortsinn wertvolle Impulse für das Zusammenleben und den Erhalt der Lebensgrundlagen. Eingeladen hatte man Professorin Christiane Woopen, Direktorin des Center for Life Ethics an der Universität Bonn. Acht Jahre lang war sie Mitglied im Deutschen Ethikrat, von 2012 bis 2016 auch dessen Vorsitzende, im Anschluss führte sie vier Jahre lang den Europäischen Ethikrat.
Kritik an zerstörerischer Wirtschaft und sozialer Ungleichheit
Unter dem Titel "Wohin wollen wir leben?" zeigte die 60-Jährige Eckpunkte einer wertebasierten Zukunftsgestaltung auf – und legte den Finger in die Wunden offener Widersprüche. Pflege, Klimaschutz, Schulbildung: Das seien Anliegen, die von der Gesellschaft gemeinhin als wichtig betrachtet werden. Das konkrete Handeln aber passe nicht zur angeblichen Wertschätzung, kritisierte Woopen, "wir werden unseren Werten nicht gerecht."
Sie brandmarkte eine zerstörerische Wirtschaft ebenso wie die soziale Ungleichheit global und in Deutschland. Wollte man Lebensgrundlagen und Entfaltungsmöglichkeiten künftiger Generationen tatsächlich erhalten, "dann wurden wir die Wirtschaft anders gestalten", sagte die Ärztin und Philosophin.
Mehrfach während ihrer Rede erhielt sie spontanen Applaus, auch als sie drastisch feststellte: "Wir sägen den Ast ab, auf dem unsere Kinder und Enkelkinder sitzen." Verzicht sei eine ethische Verpflichtung. Woopen mahnte zur Toleranz, zum Zuhören und zum Dialog. Solchen gab es zumindest nach ihrer Rede reichlich, beim geselligen Treffen und Gespräch.
Bischof Franz Jung dankte allen, die sich im zurückliegenden Jahr "für eine menschliche und eine menschenfreundliche Gesellschaft eingesetzt haben." Musikalisch begeisterte beim Diözesanempfang diesmal das Audax Saxophonquartett mit faszinierender Präzision und Spielfreude.