Ihr Vater ist 86 Jahre alt geworden, ihre Mutter 85 – und sie selbst wollte nicht älter als 80 Jahre werden. Eigentlich. Jetzt überlegt Hedwig Stier, geboren am 17. Oktober 1913: „Was mach' ich demnächst?“ Die Heidingsfelderin kümmert sich um ihren Haushalt, hält ihren Garten in Schuss, macht viele Handarbeiten, strickt gerne, liest jeden Tag. Dass sie 100 Jahre alt ist inzwischen? Was soll's. Hedwig Stier sagt: „Immer bewegen, immer was tun! Nur net hinhängen, jammern und winseln.“
Nun erzählt eine Ausstellung vom Leben von Hedwig Stier – und von zwölf weiteren Hundertjährigen, die in Würzburg leben. Zusammen mit der Beratungsstelle für Senioren und Menschen mit Behinderungen unter der Leitung von Volker Stawski hat ein Team der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt um die Professoren Theresia Wintergerst und Dieter Leistner eine Studie mit Würzburgern erarbeitet, die 100 Jahre alt sind – und älter. Helena Heinrich und Anne Zeun führten für ihre Bachelorarbeiten 13 Interviews mit hochbetagten Würzburgern. Die Fotografen Rainer Wengel und Daniel Zellfelder porträtierten die 13 Senioren. Ein Ergebnis ihrer Arbeiten ist ab diesem Mittwoch im Würzburger Rathaus zu sehen: In einer Ausstellung gewähren die 13 Hundertjährigen Einblick in ihre Lebenswelt. Kurze autobiografische Skizzen zeigen, wie sie ihr Leben meistern und bis heute aktiv gestalten.
Wie Arnold Heimberger, geboren am 21. Juli 1913, so alt geworden ist? Er habe sich an die Worte Winston Churchills gehalten, sagt der ehemalige Syndikus der Würzburger Universität: „Whiskey, cigars, no sports.“ Barbara Hopf, auch Jahrgang 1913, sieht den Grund für ihr hohes Alter in den guten Genen. Und Luise Singer gibt als Rezept für hohes Alter an: „Arbeit, Sorgen und gesund leben.“ Die Lebenseinstellungen der Porträtierten machen Mut, zeugen von Gelassenheit und positiver Akzeptanz gegenüber den „Dingen, die wir eh nicht ändern können“. Diese „Altersweisheit“ habe sich in allen Interviews spüren lassen, berichtet das Projektteam. Laut Statistik der Stadt leben in Würzburg derzeit knapp 50 Menschen, die 100 Jahre oder älter sind.
Anfang der 70er Jahre hatte es schon einmal eine Studie über Hundertjährige in Würzburg gegeben, damals durchgeführt von Professor Hans Franke, dem Direktor der Medizinischen Poliklinik der Universität Würzburg. Die Porträts der Senioren zeichnete der Architekt und Oberamtsrat am Juliusspital, Ignaz Schmitt, unter dem Titel „Begegnung mit Hundertjährigen“. Damals wie heute ging es bei der Studie um den demografischen Wandel und seine vielfältige Bedeutung für alle Bereiche unseres Lebens. Das Projekt werde in den nächsten Jahren weitergeführt, sagt Volker Stawski: „Künftig möchten wir die Menschen aus der Region Würzburg einbinden und die Hundertjährigen im ländlichen Raum porträtieren.“
Ein echtes Zukunftsthema: Die Hälfte der Frauen in Deutschland, die nach 1970 geboren worden sind, werden 100 Jahre oder älter werden. Und 50 Prozent aller jetzt geborenen Kinder ebenso. Der Rat von Emma Fuchs, Jahrgang 1911: „Alles muss genommen werden, wie es kommt.“ TEXT: ALICE NATTER Fotos: RAINER WENGEL/ DANIEL ZELLFELDER
Die Ausstellung zum Projekt „Hundertjährige in Würzburg“ wird an diesem Mittwoch, 13. November, um 10 Uhr im Foyer des Rathauses eröffnet. Zu sehen sind die Porträts bis 29. November.
Wer sich für das Thema interessiert: Beim vierten Würzburger Demografieforum am Dienstag, 26. November, wird es von 9.30 bis 13 Uhr im Rathaus um die alternde Bevölkerung und die Folgen gehen. Alle Interessierten sind dazu eingeladen.