
Spätestens als Lara Piepka und Selin Kücük, zwei Schülerinnen der Mittelschule Höchberg, das Gedicht "Krieg und Frieden" der 1937 in Dessau geborenen Ingeborg Görler vortrugen, kam Gänsehaut bei den Besuchern und Besucherinnen der Gedenkfeier zum Volkstrauertag auf. Darin heißt es: "Krieg ist etwas, das die Alten erlebt haben, man kann’s nicht mehr hören". Und weiter unten: "Frieden ist nichts, was man den Jüngeren oder Älteren überlassen soll". Dieser Gegensatz, der eigentlich keiner ist, zog sich auch durch die Rede von Bürgermeister Alexander Knahn.
Seit 100 Jahren wird den Kriegstoten in Deutschland gedacht, erstmals im Jahr 1922 im Reichstag, als Reichstagspräsident Paul Löbe die erste Rede zum damaligen "Heldengedenktag" sprach. Der damaligen Zeit entsprechend – der Erste Weltkrieg war nur vier Jahre vorbei –, war seine Rede noch sehr militärisch ausgerichtet und doch zur Versöhnung der damaligen Kriegsgegner aufrufend.
Das Herz wird schwer
Von Versöhnung sprach auch Knahn, mit Blick zurück auf die Ereignisse des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Dann wurde er aktuell. "Das Herz wird schwer, wenn man erkennen muss, dass sich die Geschichte wiederholt und die Menschheit wohl nichts daraus gelernt hat". Gerade in Deutschland sei man in der Verantwortung, nun zu handeln. "Unsere Demokratie basiert auf den Werten wie Menschenwürde, Freiheit, Toleranz, Diversität und Individualität, soziale Verantwortung und Gemeinsinn. Wir müssen diese Werte den Anfeindungen entgegenhalten". Dabei sei es egal, ob man sich gegen Kriegstreiber und Despoten in der Ferne richtet oder gegen Ketzer und Radikale in unserer Nähe.
Friedensordnung tief erschüttert
Knahn erinnerte an die ungeheuerlichen Ausmaße des Zweiten Weltkriegs mit über 60 Millionen Toten. "Kaum eine Familie blieb von den Auswirkungen des Krieges verschont". Nach 1945 habe man sich an ein Leben in Freiheit, Demokratie und Frieden gewöhnt. Die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg verflüchtigte sich. Erst mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar dieses Jahres wurde uns bewusst gemacht, dass Krieg auch in unserer Nähe möglich ist. "Haben wir die Weckrufe überhört?", fragte Bürgermeister Knahn. Dieser Krieg habe die europäische Friedensordnung tief erschüttert. Der Traum vom "ewigen Frieden" platzte jäh. Freiheit muss weiter als Chance verstanden werden, so wie man es nach 1945 getan hat, mahnte Knahn.
Diese Mahnung sprach ebenfalls Pfarrer Matthias Lotz aus. "Krieg bringt unfassbares Leid", rief er in Erinnerung. Doch auch er hatte Hoffnung, das sich die Menschheit besinnt und zum Frieden zurückkehrt. Die Feierstunde wurde musikalisch von den Musikfreunden Höchberg würdevoll untermalt.