Öl auf Watte – kein Maler wählt freiwillig eine solch unmögliche Technik. Anders der Zeichner Paul Flora: Der arbeitete mit der Feder auf denkbar schlecht geeignetem, weil viel zu rauem Büttenpapier. Das Ergebnis sieht zu gut aus. 50-mal kann man sich davon ab Freitagabend im Kunsthaus Michel in der Würzburger Semmelstraße 42 überzeugen.
"Unheimlich stolz" ist Galerist Gerd Michel darauf, dass er eine Ausstellung zum 100. Geburtstag des Künstlers nach Würzburg holen konnte. Schließlich befindet er sich damit in bester Gesellschaft des Karikaturmuseums Krems und der Wiener Albertina. Denn Michel stellt keine Drucke, sondern Originalzeichnungen aus – ja genau, diese Unikate auf Büttenpapier. Ein befreundeter Sammler in unserer Region lieh die Blätter aus.
Außer der Technik haben viele Bilder eins gemeinsam: meisterhaft kontrastierte Volumina. Mächtige, ja übermächtige Steinreihen, Alleebaumkronen, Fassaden sind vielleicht sogar der Anlass für drei Kompositionen gewesen, so dass es auf den Inhalt gar nicht mehr so stark ankommt. Der funktioniert trotzdem gut, man beachte auf dem Blatt "Alkoholfreie Getränke" das zierliche Cafégestühl neben dem gewaltigen Barockpalast: Gegensätze ziehen uns an.
Die Exponate entstanden in den 1960er bis 1970er Jahren, berichtet Gerd Michel. sichtlich ist das an der Klarheit, des Offenheit des Raums. Später zeichnete Paul Flora viele Nacht- und Nebelwerke mit Schraffuren bis an den Blattrand. Seine Würzburger Geburtstagsausstellung bleibt dagegen auch praktisch rabenfrei – eine heitere Schau.
Manches Blatt ist auch ohne Worte ein vollständiger Witz. Mein liebster: der Dicke Mann mit dem Sparschwein auf der Bankhaustreppe. In der Bilderkrippe stehen allerdings ein paar Auftragsarbeiten, in denen zu viele Wörter gemacht werden. Das Moralische darin bekommt der Kunst nicht gut. Es lohnt sich trotzdem, den Ständer durchzublättern, vor allem wegen der Buchillustrationen. Man taucht ein in die Werkstatt eines Zeichners, den der Galerist Gerd Michel als "einen der zwei größten des 20. Jahrhunderts" bezeichnet – neben Alfred Kubin. Was seine Größe ausmacht ist u. a. – und in der Würzburger Ausstellung gut nachvollziehbar –, dass Paul Flora nie schematisch konstruierte. Seine Schraffur ist zwar seine individuellen Handschrift. Eingesetzt hat er sie aber sehr variantenreich. Jede Bildidee konnte ihn zu einer neuen Lösung herausfordern. Deswegen kann man jedes Ausstellungsstück an der Wand so ausgiebig studieren, als würde und würde man den Witz nicht kapieren.
100 Jahre Paul Flora, bis 16. Juni. Eröffnung am 25. März, 18 Uhr, mit Vortrag der Kunsthistorikerin Nadine Waldmann. Anmeldung unter Tel.: (0931) 13908.