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THEATER
Zwischen Wahltod und Qualtod
Ernst Wilhelm Lenik ist in „Gott“ in der Hauptrolle zu erleben.
Foto: Robert von Aufschnaiter | Ernst Wilhelm Lenik ist in „Gott“ in der Hauptrolle zu erleben.
Bearbeitet von Kirsten Mittelsteiner
 |  aktualisiert: 17.12.2020 02:17 Uhr

Kaum ein anderer Schriftsteller ist zurzeit so gefragt wie Ferdinand von Schirach. In seinem zweiten Theaterstück nach „Terror“, das im Theater Schweinfurt im September 2016 seine Tourneepremiere feierte, widmet sich der Bestseller-Autor erneut einem Thema von höchster gesellschaftspolitischer Relevanz.

„Gott“ stellt Fragen, die die menschliche Freiheit, Autonomie und Selbstbestimmung betreffen. Fragen, die im Spannungsfeld von Moral, Christentum und Politik seit Jahren unterschiedlich und leidenschaftlich diskutiert werden. Wie schon in „Terror“ muss der Zuschauer seine moralischen und ethischen Wertvorstellungen im Hinblick auf die im Grundgesetz garantierte Würde des Menschen und die moralische Verantwortung jedes Einzelnen für jeden Einzelnen überprüfen.

Die Produktion des Euro-Studio Landgraf steht von Samstag, 26. bis inklusive Dienstag, 29. September jeweils um 19.30 Uhr auf dem Spielplan im freien Verkauf. Pro Aufführung werden 200 Sitzplätze unter der Einhaltung der Abstandsregelungen angeboten. Wie schon bei „Terror“ haben auch diesmal zwei Theater das Rennen um die Uraufführung gewonnen. Am 10. September kommt Ferdinand von Schirachs zweites Theaterstück zeitgleich am Düsseldorfer Schauspielhaus, inszeniert von Robert Gerloff, und am Berliner Ensemble heraus. Regie in Berlin führt Oliver Reese, der – damals noch Intendant am Schauspiel Frankfurt – auch Schirachs erstes Theaterstück „Terror“ als Erster auf die Bühne brachte.

Wie wollen wir leben? Und wie wollen wir sterben? Der Wunsch, in vertrauter Umgebung schmerzfrei aus der Welt zu scheiden – wir alle kennen ihn. Doch wie oft geht er in Erfüllung? Was dürfen wir hoffen? Wir wollen in Würde sterben. Aber Krankheiten, Unfälle, Kriege, Hunger, Verzweiflung – biologische oder äußere Umstände können uns die Würde, die wir für die letzten Stunden erhoffen, nehmen. Was aber wäre, wenn wir selbst über das Ende unseres Lebens entscheiden könnten?

Unser Tod soll nicht erschrecken, er soll andere nicht behelligen, er soll selbstbestimmt und friedlich sein. Können wir diese Entscheidung für uns treffen und auf Beistand hoffen? Also: Wahltod statt Qualtod? Bis vor Kurzem war dies nach geltendem deutschem Recht nicht möglich. Paragraf 217 des Strafgesetzbuches vom Dezember 2015 verbot die „geschäftsmäßige Förderung“ von Suizid. Dagegen hatten Ärzte, Privatpersonen, Sterbeorganisationen, Pfleger und Rechtsanwälte Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Das Verbot – so die Beschwerdeführer – verletze ihre Grundrechte. Denn wenn der Staat Sterbehilfe verbiete, so verwehre er das Recht auf selbst bestimmtes Sterben. Am 26. Februar 2020 hat das Verfassungsgericht dieses Verbot nun für verfassungswidrig erklärt. Doch was bedeutet das für unsere Zukunft? Wie wird der Gesetzgeber handeln, um die Suizidhilfe mit Erlaubnisvorbehalten, Aufklärungs- und Wartepflichten etc. zu regulieren? Und: Ist das Ganze überhaupt wünschenswert, ethisch vertretbar und zukunftsweisend — oder treten wir damit eine Lawine los, deren Ausmaße wir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht absehen können . . .?

„Gott“ gehört zu den wichtigsten neuen Stücken der kommenden Spielzeit. Die renommierte Theaterzeitschrift „Die Deutsche Bühne“ führt „Gott“ in ihrer Saisonvorschau als beachtenswerten, „zahlenmäßig sehr starke[n] ,Neueinsteiger'“: „Ferdinand von Schirach hat sein zweites Stück geschrieben, mit dem nicht unbescheidenen Titel „Gott“. Diesmal tagt unter Einbeziehung des Publikums kein Gericht, sondern der Deutsche Ethikrat, der am Beispiel eines älteren gesunden Mannes die Frage um die Rechtmäßigkeit von Sterbehilfe und damit nach dem Recht auf einen selbstbestimmten Tod berät. (…)“

Karten ab Samstag, 12. September im Vorverkauf

 
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