„Die meisten Menschen schätzen eine Bratwurst oder ein Steak, aber wo das Fleisch herkommt und dass dafür tatsächlich ein Tier geschlachtet werden muss, wollen die wenigsten so genau wissen.“ Metzgermeister Thomas Hemmerich bringt auf den Punkt, was seinen Job, sagen wir mal vorsichtig, nicht gerade zum Trend- und Traumberuf macht, denn der Metzger-Nachwuchs ist Mangelware.
Aber einer muss es ja machen, um für Nachschub auf dem Grill und zwischen den Brötchenhälften zu sorgen. Montag ist Schlachttag bei Hemmerich und seinem Team und – ausgestattet mit Haarnetz Schürze und Gummistiefeln – bin ich plötzlich mittendrin in dem Handwerk, ohne das die Currywurst nur Curry und der Hackbraten nur ein Gemisch aus Semmelbröseln und Ei wäre. Diesmal sind es 16 Schweine, die im Schlachthaus in Obbach im Dienste der menschlichen Ernährung vom Diesseits ins Jenseits wechseln. Bei Thomas Hemmerich, Andreas Hopf, Harald Krug und Jalil Jamazade sitzt jeder Handgriff.
Der Tod bleibt zwar der Tod, aber Dank der elektrischen Zange, die mit bis zu 350 Volt eine schockartige Betäubung auslöst, bevor der tödliche Stich erfolgt, dürften die Tiere, wie der Volksmund sagt, „den Schlag nicht spüren“. Nur Minuten später sind die Schweine bereits in der Putzmaschine, kurz darauf werden sie zerteilt. In den so entstandenen Schweinehälften ist nun schon viel mehr die „Ware Fleisch“ zu erkennen.
Regionale Vermarktungskette nutzen
Was man dieser Ware ersparen kann, solange sie noch lebt, sind lange Transportwege und damit verbundener Stress. „Wir beziehen unsere Tiere zu fast 100 Prozent aus der Region Oberes Werntal“, betont Hemmerich. Das bedeutet kurze Transportwege und rasche Fleischverarbeitung – und ganz nebenbei biete die regionale Vermarktung auch bessere Fleischqualität.
Das klingt gut und dennoch ist es ein Schlachthaus, in dem diese Qualität eben noch auf vier eigenen Beinen herumgelaufen ist und in dem es deutlich anders riecht, als in der Parfümabteilung einer Drogerie. Wer jetzt sentimental wird und irgendwas von „nie mehr Leberkäsbrötchen“ brummelt, sollte sich vor Augen halten, dass alleine die Bürger von Stadt und Landkreis Schweinfurt (rund 160 000) laut Hemmerich pro Jahr knapp 10 Millionen Kilo Fleisch verzehren. Rund zehn Prozent davon, so schätzt er, stammen aus der regionalen Wertschöpfungskette. Und die sei unterm Strich für die Umwelt und – auch für die Tiere – die bessere Lösung.
Für die Tiere deshalb, weil sie in der Region in der Regel artgerechter gehalten und besser ernährt werden, für die Umwelt, weil nicht nur lange Transportwege, sondern auch eine Menge Plastikmüll eingespart werden. Man denke nur an den ökologischen Wahnsinn, der einem immer dann begegnet, wenn zum Beispiel ein halbes Dutzend dünne Salamischeiben in einer aufwendigen Plastikbox angeboten werden.
Ein weiter Weg zur fertigen Wurst
Von der Wurst sind wir noch ein ganzes Stück weit weg an diesem Montagmorgen im Schlachthaus in Obbach. Thomas Hemmerich (43), der schon mit 15 Jahren das Metzgerhandwerk in dritter Generation erlernte, drückt mir eine „Glocke“ in die Hand, mit deren Haken dem frisch gebrühten Schwein die Klauen abgezogen werden. Mit einer Art Hand-Flammenwerfer werden dann die verbliebenen Borsten angesengt. So sichtbar gemacht, werden sie mit einem scharfen Messer abgeschabt.
Über meine Versuche in diesem Geschäft kann auch der junge Afghane Jalil Jamazade schmunzeln. Der ist zwar Moslem und hat als gelernter Metzger in seiner Heimat eher Schafe und Rinder geschlachtet, mit dem Schweineschlachten hat er aber keine Probleme. „Ich muss sie ja nicht essen!“ Thomas Hemmerich würde den fähigen Mitarbeiter gerne behalten, aber ob das klappt steht in den Sternen. Zu unklar ist der Status des Flüchtlings, der in Afghanistan in der Kleiderkammer der Bundeswehr gearbeitet hat und schon deshalb in seiner Heimat keine Zukunft hat. Hemmerich ist beileibe nicht der erste Handwerker, der sich von der Politik wünscht, dass für solche Menschen mit Beruf und dem Willen zur Integration, klare und tragfähige Bleibe-Perspektiven geschaffen werden.
Viel Bürokratie vor dem Braten
Dabei ist die Regelung der Arbeitspapiere noch der kleinere Teil der Bürokratie, die heute einen Handwerker plagt. Auch zum Metzgerhandwerk gehört eine Menge Papierkram. Jeder Schlachttag wird begleitet von aufwendigen Dokumentationen, Aktenordner mit ellenlangen Listen müssen abgearbeitet werden.
Inzwischen ist auch die Veterinärmedizinerin eingetroffen. Dr. Alexandra Bucher hat bereits im Morgengrauen die lebenden Tiere begutachtet, jetzt bekommen die Schlachthälften noch die Stempel, anhand derer sich Aufschluss über die Herkunft der Tiere gewinnen lässt. Proben zur weiteren Untersuchung werden entnommen. Im Schlachthaus sieht es inzwischen wieder ganz sauber aus. Schlachten ist zwar für die eine Seite tödlich, aber es ist auch in modernen und EU-zertifizierten Schlachthäusern wie dem von Thomas Hemmerich, eine maximal hygienische Angelegenheit. Darüber hinaus hat jeder seinen Platz, so dass zum Beispiel derjenige, der die Schweine zerteilt, sich nicht dort aufhält, wo die Schweine gebrüht werden.
„Billig-Einstellung“ der Kunden macht dem Handwerk zu schaffen
Zur weiteren Verarbeitung werden die Einzelteile in die Filialen nach Sömmersdorf, Oberwerrn, Schweinfurt oder zur Hauptstelle nach Geldersheim gebracht, wo die Wurst gemacht wird. Mancher Schweinehalter, vor allem solche, die nur wenige haben, bringen die Tiere nur zum Schlachten vorbei, holen im Lauf der Woche zwei Schweinehälften oder bereits portionierte Teile ab. „Wenn wir nicht da wären, müssten viele regionale Schweinehalter ihre Tiere nach Bamberg bringen“, ist sich Thomas Hemmerich sicher.
1958 gab es alleine in Schweinfurt noch 53 Metzger, heute ist die Zahl eigenständiger Betriebe sehr viel übersichtlicher. Zum eingangs erwähnten Image-Problem des Fleischerhandwerks kommt die Billig-Einstellung vieler Menschen die sich zwar für 1000-Euro ein neues iPhone kaufen, aber kaum bereit sind, für regional erzeugtes Fleisch ein paar Cent mehr zu bezahlen, so die Erfahrung der Metzger. Aber es gibt Hoffnung, dass sich hier einiges ändert, dass die Menschen zunehmend bereit sind, für gewissenhaft erzeugte Lebensmittel etwas tiefer in die Tasche zu greifen.
Metzger sind Frühaufsteher
Metzger sind Frühaufsteher, dafür ist um die Mittagszeit das meiste getan. Es kehrt Ruhe ein, zur Brotzeit gibt es – was sonst – ein Wurstbrötchen. Und siehe da, es schmeckt immer noch, wenn auch mit einem geschärften Bewusstsein und mehr Achtung für das regional erzeugte Lebensmittel Fleisch – und für die Menschen, die dieses Handwerk ausüben.