„Mia san mia!“ Zumindest, seit sich die Kicker des FC Bayern München diesen wohl urbayerischsten aller Kampfschreie zu eigen gemacht haben, kennt man ihn deutschland-, wenn nicht sogar europaweit. Aber wia samma mia? Wie tickt er nun eigentlich, dieser Homo Bavaricus?
Der Kabarettist Bruno Jonas hat sich da so seine Gedanken gemacht, hat beobachtet und analysiert, und dabei tiefschürfende Erkenntnisse gewonnen über den Mensch im Allgemeinen und den Bayern im Speziellen. Die hat er nun in einem Soloprogramm zusammengefasst, das er am Samstag auch im Sportheim der DJK Alitzheim präsentierte: So samma mia – die Welt aus bayerischer Sicht.
Nun steht er also da auf der Bühne, links von ihm eine Büste des griechischen Philosophen Sokrates, rechts ein in Stein gehauener Schimpansenkopf, den er als Willi Jonas vorstellt – seinen Urahnen.
In seinem Rücken eine Bierzeltgarnitur mit einem Glas Weißbier. Das dient gelegentlich zum Stimme ölen. Aber auf Biertischniveau begibt sich Bruno Jonas nie an diesem Abend.
Als Altmeister des politischen Kabarett, der schon zum Ensemble der legendären Münchner Lach- und Schießgesellschaft gehörte, als Bruder Barnabas auf dem Nockherberg die Politprominenz derbleckte und zusammen mit Dieter Hildebrandt mittels „Scheibenwischer“ für eine ungetrübte Sicht auf die politische Großwetterlage sorgte, setzt er seine Stiche lieber mit dem verbalen Florett denn mit dem Säbel.
„Der Zugereiste ist der Idealbayer“
So prahlt er, wenn auch mit triefender Ironie, gerne mit seinem bayerischen Abitur „mit großem Latinum“, einem republikweiten Gütesiegel: „In Bayern haben nur 20 Prozent das Zeug zum Abitur. Also jeder Vierte. Und wir hatten kein G8, wir hatten G9, ich sogar G10.“ Das gar noch zu einer Zeit, da Lehrer noch keine Lehrer waren, „sondern Kriegsteilnehmer. Unser Erdkundelehrer hat uns ein Jahr lang Russland erklärt. Das stand zwar nicht im Lehrplan, aber da hat er sich ausgekannt.“
Ein Philosophiestudium schloss sich an, weshalb ihm Begriffe wie „epistemologische Spalte“ oder „olfaktorische Komponente“ leicht von der Zunge gehen. Was nicht heißen soll, dass er nicht auch mal richtig lospoltern und Tacheles reden könnte.
Schließlich ist er Niederbayer, „und die niederbayerische Sprache eignet sich am Besten zum Ausdrücken komplexer Sachverhalte.“
Und dann legt er sie dar, seine Evolutionstheorie zum Homo Bavaricus und dessen Identität. „Der Zugereiste ist der Idealbayer“, ist seine These, und die untermauert er sogleich mit Argumenten.
Zunächst einmal sollen die Böhmen das schöne Bayernland besiedelt haben. Da sie über die Further Senke einsickerten, nennt er sie „die Heruntergekommenen“.
Irgendwann war Bayern dann Teil des römischen Imperiums, und als dieses langsam zerbröckelte und einige der bayerischen Römer den Rückweg über den Brenner scheuten, waren auch noch „die Zurückgebliebenen“ da.
Weiteren Zuwachs brachten die Kelten, „die Herübergekommenen“. Und als zu Zeiten der Völkerwanderung sich noch einige an der schönen bayerischen Landschaft ergötzten und schlicht und ergreifend nicht mehr weiterwandern wollten, war das im Entstehen begriffene bayerische Völkchen um eine weitere Gruppe reicher: „Die Fußlahmen. Sie haben die Unbeweglichkeit nach Bayern gebracht.“
Ein illustrer Haufen also, zu dessen gemeinsamer Identität ausgerechnet Karl der Große beitrug. Ein Franke also, Vertreter dieses seltsamen Völkchens im Norden des heutigen Freistaates, das dem König einst von Napoleon aufs Auge gedrückt wurde. „Die stellen immer so seltsame Fragen“, ätzt Jonas – wie dereinst nach der bayerischen Identität. Doch als was sollte der zusammengewürfelte Haufen sich jetzt bezeichnen. Als Heruntergekommene? Als Zurückgebliebene? Als Fußlahme? Alles keine schmeichelhaften Optionen. Und da sagte plötzlich einer: „Du, Karl, mia san mia!“ Heureka, da war sie, die bayerische Identität.
„Öha“ als Urform
Fehlte noch die Sprache. „Öha war die Urform des Bayerischen“, doziert Jonas. Und daraus habe sich alles Weitere entwickelt: „Wenn Sie noch tiefer in die Materie einsteigen wollen, müssen sie in die Oberpfalz. Dort ist das bayerische Sprachlabor. Die versuchen, ganz ohne Konsonanten auszukommen.“
Doch das sei egal, der Bayer sage schließlich: „Es muss mich keiner verstehen. Es reicht, wenn ich gehört werde. Das hat sich Horst Seehofer zu Herzen genommen.“
Und da auch Jonas Bayer ist, lässt auch er sich zu vielen aktuellen Themen hören. Zum deutschen Beitrag im Kampf gegen den IS etwa: „Drei Flieger, und bei denen funktioniert die Cockpitbeleuchtung nicht. Die fliegen jetzt bei Nacht mit Kerzen.“
Oder zur deutschen Wiedervereinigung: „Die DDR hatte ihre Vorteile: Flucht war verboten. Ich war ohnehin für die Dreistaatenlösung: mit Österreich.“
Er parliert über die Gender-Studies und wie Lehrer ihren pubertierenden Schülern beratend zur Seite stehen können, wenn Mädchen die Brüste wachsen und sich bei den Jungs zwischen den Beinen etwas regt: „Kinder, denkt euch nix dabei. Die Natur macht nur Vorschläge.“
Natürlich kommt Jonas auch an der Flüchtlingsdebatte nicht vorbei. Wenn Flüchtlinge in Albanien ankommen und von dort unbedingt lieber nach Bayern wollten, seiner Errungenschaften wegen, sinniert er: „Warum exportieren wir dann die CSU nicht einfach nach Albanien? Dann könnte der Söder dort Ministerpräsident werden . . .“
Um den Einzelschicksalen der Flüchtlinge gerechter zu werden, schlägt er vor, künftig nicht mehr von Flüchtlingen, sondern von „Individualreisenden“ zu sprechen. Überhaupt rät er jedem Neuankömmling, gleich nach der Ankunft einen Trachtenladen heimzusuchen: „Wenn sie Glück haben, verlassen sie diesen als Wolpertinger.“ Und wenn auch ein Syrer in Lederhose einmal fließend „Mia san mir“ aussprechen könne, „dann ist Integration gelungen“.
Jonas' Spott ist beißend. Etwa wenn er, ganz Philosoph, sagt: „Der Mensch war an die Quelle der göttlichen Vernunft angeschlossen. Doch irgendwann haben die Götter die Leitungen gekappt.“
Wenn er die Demokratie in Frage stellt, dann nur, weil diese die Herrschaft des Volkes bezeichnet: „Es gibt nirgends mehr Deppen als im Volk.“ Und mit einem Stoßseufzer fügt er hinzu: „Ich wünsche mir eine Obergrenze für die Dummheit von Politikern. Aber ich weiß, die ist nicht praktikabel.“
Als Jonas schließlich nach gut zwei Stunden mit seinen Gedankengängen endet und Applaus aufbrandet in der vollbesetzten Halle, meint er bissig: „Das ist ja wie in Peking beim Volksdeputiertenkongress.“
Als Zugabe lässt er das Volkslied „Ade nun zur guten Nacht“ anstimmen: „Wir singen es in andante prosecco.“
„Aufrecht bis zum Umfallen“
Dann – nach einer ebenso unterhaltsamen wie hintersinnigen Ein-Mann-Schau – entlässt er sein Publikum bestens bespaßt in die Nacht. Nicht ohne ihm noch einen Leitsatz – erprobt in der Politik – mit auf den Weg gegeben zu haben: „Verhältst du dich blöd, finde eine vernünftige Rechtfertigung für die eigene Blödheit.“
Manch einer wird vielleicht auch noch ein wenig länger nachdenken über Jonas'sche Sätze wie: „Der Mensch ist ein Tier auf zwei Beinen. Aufrecht bis zum Umfallen. Rücksichtslos, egoistisch, immer auf seinen Vorteil bedacht. Aber auch sozial und solidarisch, wenn es ihm nützt . . .“ Philosophie a la Bruno Jonas – irgendwo zwischen Sokrates und Schimpanse.