Wie triftig die Gründe der Stadt – im juristischen Sinne – sind, sich von Sigrid Bertuleit zu trennen, wird sich wohl vor Gericht zeigen. Atmosphärisch herrscht zwischen der Museumsleiterin und ihrem Arbeitgeber seit vielen Jahren Eiszeit. Bertuleit ließ kaum eine Ausstellungseröffnung verstreichen, ohne vor der Presse die schlechte finanzielle und personelle Ausstattung ihres Hauses zu beklagen. Das muss nicht nur ihrer Chefin der ersten zehn Jahre, Oberbürgermeisterin Gudrun Grieser, die in solchen Dingen sehr sensibel war, illoyal vorgekommen sein.
Bertuleit hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass Schweinfurt sie als Stadt nicht interessiert. Hin und wieder tauchte eine Leihgabe aus dem Museum Otto Schäfer im Museum Georg Schäfer (MGS) auf, ansonsten gab so gut wie keine Zusammenarbeit mit den anderen Häusern. Auch mit den örtlichen Medien kommunizierte sie eher widerwillig.
Ihr Blick richtete sich grundsätzlich in die Ferne, dorthin, wo in ihren Augen alles weniger provinziell war: Leihgaben, Presse, Publikum. Dabei wäre in der Stadt einiges möglich, denkt man nur an eine Verbindung zwischen MGS und Kunsthalle. Die Neue Pinakothek in München hat im vergangenen Jahr gezeigt, wie spannend es sein kann, wenn man die Kunst des 19. Jahrhunderts mit Arbeiten der Moderne oder der Gegenwart konfrontiert. Zugegeben: Personell wäre das Museum dazu kaum in der Lage. Zumindest nicht, solange es sich als autarke Insel begreift.
Herbert Rott ist Hauptkonservator der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen Neue Pinakothek in München. Bis 1. Januar war er über zehn Jahre Mitglied im Museumsbeirat. Als Nachfolger von Jens Christian Jensen, der vergangenes Jahr starb, sitzt er nun im Kuratorium der Sammlung-Dr.-Georg-Schäfer-Stiftung, Eigentümerin der Bilder: „Ich habe durchaus mitbekommen, dass es da hie und da in Kompetenzfragen gezwickt und gezwackt hat. Dass es aber schwerwiegende Vorfälle gegeben haben soll, die zu diesem Schritt führen mussten, hat mich überrascht.“
Die Lage ist verzwickt, was schon mit dem Zuschnitt von Bertuleits Posten beginnt: Das Haus Eigentum des Freistaats, das Museum in der Trägerschaft der Stadt, sein Inhalt Eigentum der Stiftung. Und jeder hat ein Mitspracherecht. Rott: „Das kann Konflikte mit sich bringen, muss es aber nicht zwangsläufig. Ich würde das nicht per se als problematisch betrachten. Es gibt diese Situation überall da, wo private Sammlungen oder Stiftungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Etwa in vielen Schweizer Museen wie dem Museum Oskar Reinhart. Die Aufgabe ist nicht einfach, aber lösbar. Sie erfordert diplomatische Fähigkeiten, Fingerspitzengefühl und eine gewisse Souveränität im Umgang mit den verschiedenen Partnern.“
Den Startschuss für die schwierige Gemengelage hatte Fritz Schäfer als Sprecher der Stifterfamilie ausgerechnet bei der Eröffnung des Museums am 23. September 2000 selbst gegeben: Er brachte die Möglichkeit einer Rückforderung der Bilder in direkten Zusammenhang mit einer ausreichenden Personaldecke des Hauses. So waren es also schon zwei, die der Stadt Vorhaltungen machten, da passte es ins Bild, dass auch Fritz Schäfer und Gudrun Grieser nicht sehr dicke Freunde wurden.
Als Ausstellungsmacherin setzte Sigrid Bertuleit durchaus Akzente. Es gelang ihr, die restriktive Haltung der Stiftung aufzubrechen, bei der man anfangs der Ansicht war, das Museum müsse alle Ausstellungen ausschließlich aus dem Bestand bestreiten. Bertuleit setzte durch, dass Leihgaben ins Haus kamen – deren bedeutendste war zweifellos Edouard Manets Zola-Porträt –, dass aber auch Bilder verliehen wurden. Anders geht es in der Museumswelt nunmal nicht. Wer aber dafür verantwortlich ist, dass die ständige Sammlung nach 14 Jahren immer noch unverändert hängt, ist von außen nicht ersichtlich.
Viele Beobachter zollen Bertuleits Arbeit Anerkennung, auch Kuratoriumsmitglied Herbert Rott: „Sie hat eine beeindruckende Vielzahl von Themen und Ausstellungen umgesetzt. Das ist schier unglaublich, wenn man bedenkt, dass es neben ihr nur noch eine Kuratorin für Grafik gibt.“ Mit Claudia Valter und jetzt Karin Rhein hatte Bertuleit in der Tat sehr kompetente, einfallsreiche und ausgesprochen loyale Kuratorinnen.
Das Museum ist nun in einer schwierigen Lage. „Für 2015 gab es ja große Pläne, etwa mit der Hodler-Ausstellung“, sagt Rott, „da müsste man jetzt längst tätig werden. Auch in Sachen Raubkunst muss jetzt gehandelt werden.“
Eigenartig klingt das..