
Ein komplexer Stoff als Ein-Personen-Stück – kann das gutgehen? Im ausverkauften Evangelischen Gemeindehaus durfte man gespannt sein. Und wurde nicht enttäuscht. Der "Faust"-Stoff reicht bis ins frühe 16. Jahrhundert zurück und ist seitdem immer wieder neu bearbeitet worden – stets auch als Spiegel seiner jeweiligen Zeit.
Torsten Fischer, so etwas wie der Hausregisseur des Euro-Studios, hat nun mit "Herr Teufel Faust" Goethes "Tragödie erster Teil" auf eigene Weise adaptiert und in Szene gesetzt. Mehr noch: Er hat das Stück Dominique Horwitz geradezu auf den Leib geschrieben.
Und dieser liefert eine beeindruckende Solo-Performance ab. 90 Minuten lang spielt Horwitz einen Parforceritt durch die Höhen und Abgründe des Faust-Stoffs – mit vollem körperlichem Einsatz, sprachlich jederzeit präsent und präzise. Schweinfurt kennt ihn von früheren Gastspielen, etwa in Strindbergs "Fräulein Julie".
Ganz im Heute angekommen
In Fischers Inszenierung ist Faust ganz im Heute angekommen. Kein angestaubtes Studierzimmer erwartet das Publikum, sondern modernes Mobiliar vor einer überdimensionalen Weltkugel, wie aus dem All betrachtet. Umrahmt wird die Bühne (Ausstattung: Herbert Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos) von riesigen Wänden, bedeckt mit mathematischen Formeln und Studien zum menschlichen Körper – sie bedrängen Faust, scheinen ihn zu erdrücken. Doch Faust will hinaus. Grenzen erforschen. Sie überschreiten. Die Welt erobern. Der alternde Mann giert nach Macht, Jugend, Vergnügen – und auch nach Liebe.
Horwitz wechselt in atemberaubendem Tempo Rollen, Kleidung und Stimmungen. Er schüttet sich Schnaps über den Kopf, wälzt sich am Boden, fläzt sich im Sessel – und zitiert dabei den berühmten Satz: "Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust."
Bekanntlich verkauft sich Faust dem Teufel – und wird mehr und mehr eins mit ihm. Horwitz verkörpert Faust und Mephisto zugleich. Als Mephisto wird er spöttisch, ironisch, bisweilen obszön. In einem schleichenden Prozess verschmelzen beide Figuren immer mehr. Dabei bleibt Goethes Sprache glücklicherweise weitgehend unangetastet. Fischers Bearbeitung lässt den berühmten Versen, den spöttischen Knittelversen und freien Texten, Raum. Passend zur jeweiligen Szene.
Spannend auch das Gretchen-Drama: Faust hält das Bild der Verführten in den Händen, schleudert es fort – nur um es doch wieder an sich zu reißen. Es ist natürlich auch sein eigenes Drama. Vor geschlossenem Vorhang blickt Gretchen – in Gestalt eines Bildes – verzweifelt und traurig auf ihr kurzes Leben zurück.
Am Ende: Langanhaltender Beifall. Bravorufe.