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SCHWEINFURT
Zwei Kontrolleure für 25 000 Straßenbäume
Eine alte Verletzung an dem Walnussbaum ist verheilt, hat eine Narbe hinterlassen.
Foto: Anand Anders | Eine alte Verletzung an dem Walnussbaum ist verheilt, hat eine Narbe hinterlassen.
Gerd Landgraf
Gerd Landgraf
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:26 Uhr

Die Rechnung stimmt nicht, da sie weder Urlaub noch Krankheit, nicht Sturm und Blitzschlag, noch die Folgen eines Aufpralls nach einem Verkehrsunfall berücksichtigt. Doch die Zahlen beeindrucken: Jeder der beiden städtischen Baumkontrolleure hat an jedem der jährlich 250 Arbeitstage 44 Bäume auf standfestes Wurzelwerk, unversehrte Stämme und intakte Kronen zu untersuchen, denn Schweinfurt hat – ganz ohne den Stadtwald – 25 000 Straßen- und Parkbäume, von denen 22 000 älter als 20 Jahre und deshalb zumindest einmal im Jahr zu begutachten sind.

Pilzbefall an den Platanen

Torsten Kuhn und Michael Detsch sind gelernte Landschaftsgärtner, zertifizierte Baumkontrolleure und beide sind häufig auf Fortbildung, denn für die Ausbreitung von Pilzbefall oder die Massenvermehrung von Schädlingen sorgt immer öfter der Klimawandel, der beispielsweise den Massalia-Pilz, der bis zum Jahr 2003 nur rund um das Mittelmeer heimisch war, über die Alpen gebracht hat und nun in unseren Breiten die ansonsten als besonders gegen den Stress im Stadtklima widerstandfähige Platane befällt. Der Pilz tötet das Rindengewebe ab.

Ausgetrocknete Ästen drohen nach wenigen Monaten aus den Kronen zu fallen, weshalb der zuständige „Servicebetrieb Bau und Stadtgrün“ die Platanen jetzt spätestens alle sechs Monate unter die Lupe nimmt und alles Totholz ausschneidet.

Dokumentation begann vor 40 Jahren

Vor 40 Jahren begann das damalige Stadtgartenamt mit den Baumkontrollen. Amtsleiter Ulrich Hüser war mit seinem Konzept ein Vorreiter bei der Sicherheit auf Wegen und Straßen und dachte schon damals an standortspezifische Erkenntnisse aus der Dokumentation. Er wollte wissen, welche Baumarten den Stress am Straßenrand am besten verkraften.

Sieben Hauptbaumarten bestimmen heute das Grün an den Straßen und in den Parkanlagen: Ahorn, Rotbuche, Hainbuche, Esche, Linde, Eiche und die Platane. Vertreten sind unter den 25 000 Bäumen jedoch alle in Deutschland heimischen Arten und auch Exoten wie Perlschnurbaum, die vielstämmige Kaukasische Flügelnuss, die Zerreiche oder der Blauglockenbaum in den Wehranlagen. Nicht ganz so selten ist die Fichte, der Baum des Jahres 2017, doch auch dieses Nadelgehölz gehört mit etwa 250 Exemplaren zu den „Randgruppen“.

Alarm für den Pflegetrupp

Unterteilt hat der Servicebetrieb das Stadtgebiet in Pflegebereiche, die zumeist mit den Stadtteilen identisch sind. Bei jedem zehnten Baum finden Kuhn und Detsch eine Schädigung, die ein Einschreiten erfordert. Ist nur ein Ast zu entfernen, machen es die Baumkontrolleure mit der Stabsäge (bis in eine Höhe von 4,5 Meter) sofort. Ansonsten wird die nötige Maßnahme per Handy in eine Aufgabenliste übermittelt, die der mit fünf Gärtnern besetzte Pflegetrupp abzuarbeiten hat. Dieser ist in zwei Gruppen unterwegs und hat einen Hubsteiger (Arbeitshöhe bis 26 Meter) zur Verfügung.

Muss jedoch im Baum geklettert werden, um eine Krone zu richten, um Totholz zu entfernen, wird eine Fachfirma beauftragt. Zur Arbeit des Pflegtrupps gehört die Kontrolle der jungen Bäume. Diese werden so gezogen, dass sich die späteren Pflegearbeiten gegenüber einem ungesteuerten Wuchs um bis zu 70 Prozent reduzieren.

Unterwegs sind die Kontrolleure und die Baumpfleger bei fast jedem Wetter. Büroarbeiten sind selten, füllen nur wenige Stunden, da die Dokumentation an Ort und Stelle mit dem Handy erledigt wird. Einzutragen sind bei jedem Baum der Sicherheitszustand, die Sicherheitserwartung, der Kontrollintervall, die Bodenverhältnisse, Beschädigungen, der Zuwachs und auffällige Vergabelungen in der Krone, die Beschaffenheit der Rinde und Risse am Stamm.

Baumfällung nur im Herbst und Winter

In der Grünanlage an der Albertistraße, wo an diesem Dienstag keine Schäden zu vermelden waren, braucht Torsten Kuhn rund drei Minuten für die Begutachtung einer Robine. Bei dem kräftigen und erst wenige Jahrzehnte alten Baum muss er nicht zu Sondierstab, Hammer oder Zange greifen. Das Werkzeug kommt vor allem bei älteren Exemplaren zu Einsatz, wenn Stämme nach Hohlräumen abzuklopfen oder die Tiefe eines Risses zu erkunden sind. Totholz gibt es zwar in fast jedem Baum, doch unter drei Zentimeter Durchmesser muss nicht gehandelt werden.

Mit dem Kauf der ehemaligen US-Liegenschaften durch die Stadt waren in den vergangenen Monaten viele Neubewertungen durchzuführen – und im Stadtgebiet auch überdurchschnittlich viele Fällungen – mehr als 100 von Oktober bis Ende Februar. Auch die Bäume auf den Konversionsflächen sind nun allesamt nummeriert und über deren Entwicklung wird jetzt Buch geführt.

Schutz durch die chemische Keule

Die Dokumentation hilft nicht nur bei der Einschätzung von Schäden, sie hilft auch beim Einordnen von Gefahren wie etwa durch den Eichprozessionsspinner. Die Brennhaare der Raupe führen auf der Haut und in den Schleimhäuten der Menschen zu schmerzhaften Entzündungen, weshalb das Stadtgartenamt bei einem Befall – insbesondere im Sachs-Stadion und am Baggersee – zur chemischen Keule greift.

Dokumentiert wird an Ort und Stelle. So lassen sich auch langfristige Entwicklungen nachvollziehen.
| Dokumentiert wird an Ort und Stelle. So lassen sich auch langfristige Entwicklungen nachvollziehen.
Ein Schlag mit dem Gummihammer verrät Landschaftsgärtner Torsten Kuhn, ob es im Stamm hohle Stellen gibt.
| Ein Schlag mit dem Gummihammer verrät Landschaftsgärtner Torsten Kuhn, ob es im Stamm hohle Stellen gibt.
Mit dem Sondierstab untersucht Kontrolleur Torsten Kuhn den Stamm im Bereich des Bodens.
Foto: Anand Anders | Mit dem Sondierstab untersucht Kontrolleur Torsten Kuhn den Stamm im Bereich des Bodens.
 
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