Wenn die Eltern pflegebedürftig werden und zuhause bleiben wollen, behelfen sich die Angehörigen aus Kostengründen immer häufiger mit Betreuungskräften aus Osteuropa. Allerdings hat diese Versorgungsform einer 24-Stunden-Betreuung ihre Grenzen, in rechtlicher und in ethischer Hinsicht. Das machte Prof. Barbara Städtler-Mach, Präsidentin der Evangelischen Hochschule Nürnberg, bei ihrem Vortrag in Eßleben deutlich.
Der Seniorenbeirat des Marktes Werneck hatte den Impuls zu diesem Thema gegeben, die Gemeinde hatte die Expertin daraufhin zum Vortrag eingeladen. Allerdings waren nur 20 Interessierte, darunter pflegende Angehörige, ins Sportheim gekommen. Diese allerdings diskutierten engagiert, teils auch emotional mit. Denn wer selbst vor der Herausforderung steht, die Interessen seiner Angehörigen sowie die Qualität und Kosten der Betreuung unter einen Hut zu bekommen, weiß, wie schwierig die Materie ist.
Prof. Städtler-Mach machte anhand einer Präsentation deutlich, dass die Frauen aus Polen, Rumänien oder der Ukraine in ihrer Heimat häufig schlechte oder keine Verdienstmöglichkeit hätten. In der Regel seien sie nicht im Bereich Pflege ausgebildet und würden als "Haushaltshilfen" arbeiten, teilweise in Schwarzarbeit.
Ein Markt, der zeigt, wie es um die Versorgung in Deutschland steht
Dieser "Graue Markt", der hier entstanden sei, sei ein Zeichen der unzureichenden pflegerischen Versorgung in Deutschland, mit ihrem Fachkräftemangel, mit der fehlenden Anerkennung der Pflegearbeit, mit dem Wandel der Familien und mit dem demografischen Wandel. Gleichzeitig sei aktuell die Vermögenslage alter Menschen gut, die Einkommensunterschiede in Europa seien aber groß.
Die Fachfrau klärte zunächst über die Rechtsformen der Beschäftigung auf. Illegal sei es, wenn die Betreuungskräfte schwarz hier arbeiten. Das heißt, der Arbeitnehmer entrichtet keine Steuern, der Arbeitgeber entrichtet keine Sozialversicherungsbeiträge. In der Regel erfolge die Entsendung oder Vermittlung über eine Agentur, die als Arbeitgeber auftritt, die Betreuungskraft ist im Herkunftsland sozialversichert. Oder die Betreuerin werde als Selbstständige in Deutschland mit A 1-Bescheinigung angemeldet. Häufig sei sie Subunternehmerin eines Unternehmens in Osteuropa.
Die rechtlich korrekte Form wäre, so Städtler-Mach, wenn die Kraft aus Osteuropa direkt durch die Angehörigen angestellt würde. Unklar sei aber, wie eine Beziehung zwischen der Betreuerin und dem Pflegebedürftigen zustande komme. Außerdem seien die Angehörigen auf deutscher Seite häufig durch die Arbeitgeber-Pflichten wie die Anmeldung zur Sozialversicherung oder das Abführen von Steuern überfordert.
Zwischen Arbeitsrecht, Bezahlung und Ethik
Welche arbeitsrechtlichen Probleme bei diesen "Dienstleistern" entstehen, verdeutlichte die Nürnberger Expertin schon anhand der Arbeitszeit. Ein 24-Stunden-Einsatz bedeute, dass Bereitschaftszeit gleich Arbeitszeit sei. Wie aber verfahre man mit der zustehenden Freizeit, der erlaubten Tagesarbeitszeit, bei Krankheit oder Urlaub?
In puncto Bezahlung müsse man realisieren, dass der Mindestlohn auch für die Bereitschaft gelte. Faktisch bedeute das, dass eine Betreuerin nur zwei oder drei Euro pro Stunde erhalte, ohne Unterbringung, Kost und Busreise. Wenn an eine Agentur bezahlt werde, wisse der Auftraggeber zudem nicht, wie viel die Betreuungskraft tatsächlich erhalte.
Auch ethische Herausforderungen berge diese Art der Pflege, so Städtler-Mach: Wie gehe man mit der Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen um? Problematisch sei, dass die Betreuungskräfte Verantwortung übernähmen ohne eine entsprechende Ausbildung und Versicherung. Häufig seien auch die Rahmenbedingungen schwierig.
Das Fazit der Professorin: Die sogenannte "Win-win"-Situation gehe auf Kosten der Rechtsstaatlichkeit und auf Kosten der einzelnen betroffenen Personen. Eine Lösung der Situation könne aber nicht von den Betroffenen ausgehen. Hier seien eine europäische Rechtsprechung und eine Regelung des Marktes gefordert.