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GEROLZHOFEN
Zufallsfund mausert sich zur Superkachel
Hans Koppelt fand 1982 neben dem heutigen VG-Gebäude eine Kachelplatte. Zehn Jahre ruhte sie im Depot. Dann sichtete sie ein Spezialist. Seither ergaben sich erstaunliche Erkenntnisse.
Norbert Vollmann
Norbert Vollmann
 |  aktualisiert: 19.10.2021 15:04 Uhr

Hans Koppelt bleibt auch mit 90 Jahren als Heimatforscher und Hobbyarchäologe trotz der Beschwerlichkeiten des Alters nicht untätig. Jetzt verkündet er „neue Erkenntnisse zu einem alten Fund.“

Genau geht es um eine frühbarocke Ofenkachel, die er 1982 beiläufig in unmittelbarer Nachbarschaft seines Weißen Hofes im Garten zwischen dem Anwesen Brunnengasse 3 und dem Amtsgebäude der Verwaltungsgemeinschaft aus einer gemauerten Grube geborgen hatte. Hier befindet sich heute die damals an der Zufahrt zum VG-Gebäude errichtete Tiefgarage.

Genau an der südöstlichen Grenze zum Garten war damals knapp unter der Erdoberfläche eine doppelte, aus Natursteinen gemauerte Steinkiste aufgetaucht. Nur der obere Rand spitzte heraus.

Beschwert und abgedeckt war eine der beiden rechteckigen und nicht sehr tiefen Kisten, die sich als Unterbau eines Frühbeetkastens entpuppten, mit jener großen Ofenkachelplatte. Der eine Teil des Doppel-Kastens war mit Gartenerde, der andere Teil, der mit der aufliegenden Ofenkachel, mit Asche gefüllt.

Daraus war zu schließen, dass neben dem Frühbeet ein paar Jahrhunderte zuvor die Kachel und die Asche eines eingelegten Ofens aus dem benachbarten Schloss entsorgt worden waren. Den Amtssitz hatte Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn 1580 wieder aufgebaut.

Als Hans Koppelt nach der Säuberung der Kachel die etwas verdrückten Bruchstücke wieder zusammensetzte, stellte sich heraus, dass die 51,5 mal 35 Zentimeter große Kachel zwar brüchig, aber bis auf zwei Fehlstellen fast völlig erhalten war. Die Fehlstellen wurden mit Gips ergänzt.

Grubenhäuser hatten Vorrang

Neben der Kachel waren die Reste frühmittelalterlicher Grubenhäuser an der Nordwestecke des Baugrundstücks und ein alter Brunnen zum Vorschein gekommen. Da die Dokumentation und Untersuchung der Grubenhäuser Vorrang hatte und die Kachel auch nicht so recht zu den üblichen Kachelfunden aus Gerolzhofen und dem Umland passte, legte sie Hans Koppelt erst einmal auf Seite.

Im Koppelt'schen Depot ruhte sie unbearbeitet, bis sich der Kachelspezialist Harald Rosmanitz ihrer annahm. Er war seinerzeit wieder einmal wegen anderer Funde für seine Doktorarbeit bei Hans Koppelt in Gerolzhofen zu Besuch gewesen.

Daraufhin tauchte die von Rosmanitz fotografierte Gerolzhöfer Kachel 1994 als Bild in einer Zeitschrift des Landesdenkmalamts Baden-Württemberg auf. Sie passte nämlich sowohl von der Größe als auch vom Motiv in den stark beschädigten, zentralen oberen Bereich eines prachtvollen baugleichen frühbarocken Kachelofens. Die Reste dieses Ofens hatte Rosmanitz im Karlsruher Stadtteil Durlach entdeckt und dessen ursprüngliches Aussehen bereits weitgehend rekonstruiert.

So mauserte sich der Gerolzhöfer Fund zur Superkachel eines Ofens, der zur Beheizung eines Saales oder großen Raum gedient haben muss. Zu sehen ist darauf als Motiv eine von zwei Hermes-Figuren flankierte Frau in kostbaren Kleidern, die sich in einem Handspiegel betrachtet. Der Rahmen ist mit Früchtegehängen und Puttenköpfen verziert.

Die Kachel, durch die der Ofen gut zu beheizen war und deren braune Glasur durch die lange Zeit knapp unter der Erde gelitten hatte, passt zeitlich und stilistisch exakt in die Echterzeit. Deshalb kann man mit großer Sicherheit annehmen, dass sie zu dem Super-Kachelofen gehörte, der im ehemaligen Echter'schen Schloss und heutigen VG-Amtsgebäude in der Brunnengasse stand.

Noch mehr: Aus einer Beschreibung der Räumlichkeiten sowohl im Echter'schen Schloss in Gerolzhofen als auch seines Wasserschlosses in Dingolshausen („Ingelsheimer Hof“) aus dem Jahr 1616 lässt sich schließen, dass damit entweder der große Saal oder der große Vorraum des 1580 auf der Anhöhe in der Altstadt erbauten Schlosses beheizt wurde. Die Inventare waren angefertigt worden, um angesichts des bei der Aufteilung entstandenen Streites zu klären, welche Bereiche des Schlosses dem Bistum gehörten und welche Bereiche vom Fürstbischof als Privaträume genutzt wurden und damit seinen Erben zustanden. Bis 1619, also drei Jahre währten die Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Erben. Dies geht aus dem Beitrag „Die Inventare der Echter'schen Rittergüter Gerolzhofen und Dingolshausen von 1616“ von Erwin Riedenauer hervor, den er 1992 im Jahrbuch für Fränkische Landesforschung veröffentlichte.

In dem repräsentativen Steinbau in Gerolzhofen war nämlich nicht nur der Amtssitz der bischöflichen Verwaltung untergebracht. Hier befanden sich auch die Privatgemächer und eine kleine Kapelle, die der Bischof während seiner Besuche in Gerolzhofen bewohnte.

Einblick in die damalige Heiztechnik

So zeigt der Einzelfund einer alten Ofenkachel den Entwicklungsstand der Heiztechnik am Beginn des 17. Jahrhunderts in künstlerischer und technischer Hinsicht. Nachweislich hatte das Gerolzhöfer Hafner- und Ofensetzerhandwerk einen hohen Anteil daran, so Hans Koppelt.

Dies unabhängig davon, dass der Bischof diesen künstlerisch wertvollen und besonders gestalteten Ofen importiert haben dürfte. Denn die Modellreihe mit den dargestellten Allegorien hatte sogar einen Namen: „Die fünf Sinne“. Es ging also um Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten. Die Gerolzhöfer Kachel stellt das Sehen dar, indem sich die edle Frau im Handspiegel besieht.

Hans Koppelt ist es damit anhand einer alten Ofenkachel gelungen, der Stadtgeschichte ein weiteres kleines Geheimnis zu entreißen und ihr so ein weiteres Puzzle-Stück hinzuzufügen.

Bei Grabungen im Jahr 1982 in der Altstadt war die Kachel beiläufig als Abdeckplatte eines Frühbeetkastens im oberen Bereich der Leiter entdeckt worden.
Foto: Vollmann/Sammlung Koppelt/Harald Rosmanitz | Bei Grabungen im Jahr 1982 in der Altstadt war die Kachel beiläufig als Abdeckplatte eines Frühbeetkastens im oberen Bereich der Leiter entdeckt worden.
Der baugleiche, rekonstruierte „Fünf Sinne“-Ofen, in dessen oberen Bereich die Gerolzhöfer Kachel genau passt.
| Der baugleiche, rekonstruierte „Fünf Sinne“-Ofen, in dessen oberen Bereich die Gerolzhöfer Kachel genau passt.
Zur Modellreihe „Die fünf Sinne“ gehört diese 51,5 auf 35 Zentimeter große Kachel, die einst den zentralen oberen Bereich eines frübarocken Ofens im Echter'schen Schloss in Gerolzhofen zierte. Die braune Glasur hat allerdings durch dien lange Zeit knapp unter der Erdoberfäche etwas gelitten. Fehlstellen waren von Hans Koppelt mit Gips ergänzt worden. Die Kachel stellt das „Sehen“ dar, indem sich eine Frau in edlem Gewand im Handspiegel betrachtet.
Foto: Norbert Vollmann | Zur Modellreihe „Die fünf Sinne“ gehört diese 51,5 auf 35 Zentimeter große Kachel, die einst den zentralen oberen Bereich eines frübarocken Ofens im Echter'schen Schloss in Gerolzhofen zierte.
 
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