Nirgendwo werden europaweit so viele Biozuckerrüben angebaut wie in Franken. Das liegt vor allem daran, dass Deutschlands größter Zuckerproduzent, die Südzucker AG, in Sachen Biozucker auf dem Vormarsch ist. Weil die Biozuckerrübe einen regelrechten Boom erlebt, soll nun sogar der Produktionsstandort verlegt werden.
Nachdem die Produktion von Biozucker aus Rüben früher nur phasenweise von der Südzucker AG getestet worden war, produziert das Unternehmen aus Mannheim nun seit 2002 jährlich. Bislang wurde die Biorübe in Warburg (Nordrhein-Westfalen) verarbeitet. Nach der bevorstehenden Schließung des Werks soll der Biozucker dann ab 2020 ausschließlich im Südzucker-Werk in Rain am Lech produziert werden. In diesem Jahr wurden Bio-Rüben aus Unter- und Oberfranken schon nach Rain geliefert.
Größte Anbauregion Europas
Aufgrund des anhaltend wachsenden Marktes für Bioprodukte steigt laut Südzucker AG auch die Nachfrage nach Biozucker. Verarbeitet wird dieser überwiegend in Getränken und Süßspeisen der Nahrungsmittelindustrie. So steigt auch die Anbaufläche der Biorüben stetig. Wurden im Vorjahr noch 350 Hektar in Franken angebaut, so waren es in diesem Jahr bereits 530 Hektar. Nach Auskunft von Klaus Ziegler, Geschäftsführer des Verbandes Fränkischer Zuckerrübenbauer, soll die Fläche auch im kommenden Jahr wieder steigen und dann etwa 700 Hektar betragen. Damit sei Franken die größte Anbauregion für Biozuckerrüben in Europa.
Rund um Bamberg sei ein Schwerpunkt für den Anbau von Bio-Rüben, sagt Michael Mikus, Geschäftsführer des Maschinenrings (MR) Gerolzhofen, von wo auch die Ernte und der Abtransport der oberfränkischen Rüben organisiert wird. In diesem Jahr waren es ungefähr 70 Hektar mit Bio-Rüben im Bereich des MR. "In der Region um Gerolzhofen ist es eher zu trocken für die Bio-Rüben. Richtung Bamberg regnet es aber meist etwas mehr." Trotzdem geht Mikus davon aus, dass sich der Anteil der Bio-Rüben weiter erhöhen wird. "Es gibt einige Bio-Umsteller", sagt er – und vermutlich werden von denen dann auch welche Zuckerrüben biologisch anbauen.
Dennoch bedient der Biozucker noch immer nur einen Nischenmarkt: Nur etwa zwei Prozent der fränkischen Anbaufläche für Zuckerrüben werden ökologisch bewirtschaftet. Ein eigens für die Produktion von Biozucker vorgesehenes Werk betreibt die Südzucker AG deshalb nicht. Zu Beginn der Erntesaison im September werden als erstes die Biorüben verarbeitet, damit sich das ökologisch erzeugte Produkt nicht mit den Rüben aus konventionellem Anbau vermengt. Da sich die Rübe zu diesem Zeitpunkt noch im Wachstum befindet, erhalten die Landwirte einen „Frühlieferausgleich“, dessen Höhe sich am Zeitpunkt der Lieferung bemisst. Es dauert lediglich ein bis zwei Wochen, bis alle angelieferten Biorüben zu fertigem Zucker verarbeitet werden. Aufgrund der geringen Kapazität ist die Inbetriebnahme eines reinen Biorüben-Werkes auch in naher Zukunft nicht geplant, sagt eine Sprecherin der Südzucker AG.
Schlechtere Ökobilanz
Ein erheblicher Teil des Biozuckers in Europa wird durch Zucker aus Zuckerrohr gedeckt. Aufgrund ihrer chemisch Zusammensetzung sind beide Zuckerarten identisch, jedoch muss das Zuckerrohr über weite Strecken aus Ländern wie Brasilien oder Paraguay importiert werden. Zu Lasten der Ökobilanz. So soll der Biorüben-Zucker die Umwelt um rund 37 Prozent weniger belasten als ein Bio-Fairtrade-Rohrzucker aus Paraguay. Das geht aus einer Studie hervor, welche die Schweizer Zucker AG in Auftrag gegeben hat. Demnach seien aber nicht nur die Transportwege und der Anbau auf dem Feld verantwortlich. Vor allem die Zuckerausbeute in der Fabrik selbst ist in Europa deutlich höher. So ist für eine Tonne Zucker hierzulande etwa 45 Prozent weniger Anbaufläche nötig als in Paraguay, so die Studie.
Teure Unkrautbekämpfung
Für jede Tonne Biozuckerrüben erhalten die Landwirte je nach Zuckergehalt etwa 115 Euro, das ist rund dreimal so viel wie für Rüben aus konventionellem Anbau. Der Preis setzt sich zusammen aus dem Grundpreis für die Rübe, einer Treue- beziehungsweise Einstiegsprämie, dem Frühlieferausgleich und einem Bonus, sollte die Lieferung frei von Unkraut sein. Allerdings ist der Anbau von Biorüben auch bis zu dreimal kostenaufwändiger als beim konventionellen Anbau. Dies liegt vor allem an der intensiveren Bodenbearbeitung und Unkrautbekämpfung. Denn chemische Spritzmittel sind im ökologischen Landbau tabu.
Biolandwirt Manuel Metzger beispielsweise baut auf etwa acht bis zehn Hektar Biozuckerrüben an. Frühestens erst nach vier Jahren sät Metzger wieder Rüben auf dasselbe Feld. Dies ist wichtig, um zu viel Unkraut vorzubeugen, vor allem aber, um die Pflanzen vor Krankheiten wie etwa dem Mehltau zu schützen. Die Bodenbearbeitung beginnt bereits im Herbst mit Grubber und Pflug. Bis ins Frühjahr wird das Saatbett vorbereitet, bevor es dann Anfang April zur Aussaat bereit ist.
Nur rund einen Monat später beginnt die Unkrautbekämpfung. Im frühen Pflanzenstadium bearbeitet Manuel Metzger den Boden noch maschinell. Mit einem an der Front des Traktors angebrachten Hackgerät hackt er sich präzise durch die einzelnen Rübenzeilen und entfernt so das Unkraut in den Zwischenräumen. Bis die Blätter der Pflanzen zu groß sind und sich die Rübenzeilen schließen, wiederholt er diesen Prozess drei bis vier mal.
Hacken so wie früher
Ab diesem Zeitpunkt erfolgt dann das Hacken von Hand. Da es für diesen Vorgang laut Metzger pro Hektar rund eine Arbeitskraft benötigt, beschäftigt er tageweise bis zu neun Hilfskräfte. In drei Durchgängen wird der Boden vollständig von Unkräutern befreit. Am Ende entspricht das einem Arbeitsaufwand von mindestens 80 bis 120 Stunden pro Hektar, während beim konventionellen Anbau gerade einmal zehn bis 15 Stunden anfallen. Dennoch ist für Manuel Metzger die Biozuckerrübe momentan eine der interessantesten Ackerfrüchte. Zum einen, weil die Rübe in der richtigen Fruchtfolge den Ertrag von beispielsweise Weizen im Folgejahr um rund zehn Prozent erhöht. Zum anderen ist sie auch wirtschaftlich interessant.
Letzteres sieht Metzger aber gleichzeitig auch skeptisch. Die großen Zuckerhersteller locken heute mit guten Rübenpreisen, so dass die Anbauflächen wachsen. Insbesondere Großbetriebe könnten sich in den nächsten Jahren in die Liste der Lieferanten einreihen. „Ist der Markt erst einmal gesättigt, werden auch die Preise wieder fallen“, so Metzger. Deshalb beobachtet er die Entwicklung vorsichtig.