„Toll, so viel Interesse am Swing“, begrüßt ein gut gelaunter Jörg Seidel im modisch gestreiften Anzug das große Publikum in der Disharmonie. Den Bremerhavener Jazzgitarristen, Garant auch für feinsten Swing der 1930/40er-Jahre, schätzen wir in Schweinfurt von Auftritten mit verschiedenen Musikern und Formationen, etwa mit Ron Williams, Inga Rumpf oder dem Pianisten Joe Dinkelbach. Diesmal stellen sich im Opener „Benny's Bugle“ der Klarinettist Ben Hansen, der Pianist Thilo Wagner und Peter Inagawa am Bass als seine Mitspieler vor.
In „East of the Sun“ schwärmt ein Paar vom Traumhaus der Liebe. Nach dem melodischen Thema der Klarinette lassen die Improvisationen von Jörg Seidel wieder einmal aufhorchen: Nicht nur wegen der frappierenden Technik des Gitarristen, sondern vor allem wegen dessen Reichtum an Kreativität und Gestaltungskraft. Sein federndes Spiel mit den Offbeat-Akzentuierungen verströmt Swing pur. Damit begeistert er nicht nur in den Balladen, sondern auch in den Up-Tempo Titeln wie „Sweet Georgia Brown“.
Kongenial dazu der Stuttgarter Pianist Thilo Wagner, der in „I want to be happy“ die ganze Bandbreite seines pianistischen Könnens unter Beweis stellt. Dezent und filigran, sparsam wie Count Basie in seinen Einleitungen, steigert er seine Improvisationen zu spannenden Abwandlungen des Themas, die vor Einfallsreichtum funkeln. In „Body and Soul“ punktet er mit einem melodischen Geflecht kunstvoller Variationen der Melodie.
Der Hamburger Klarinettist Ben Hansen stellt mit gepflegtem Ton die Benny Goodman-Erfolge wie „Memories of you“ vor, gewinnt im Laufe des Abends an Ausstrahlung und Überzeugungskraft. Dass die Band ohne Mikrofon-Verstärkung spielt, ist nicht nur für den Klavier-Sound, sondern vor allem für das Klarinetten- und Saxofon-Spiel Hansens von Nachteil: Gerade den Klang eines Jazz-Blasinstruments kann Mikrofon-Spiel auch „veredeln“, vor allem erlaubt es dem Musiker wichtige Modulationsmöglichkeiten des Klangs.
Doch Hansen gefällt auch so mit seinem Spiel mit „dirty-tones“-Anklängen, etwa in „Airmail special“ oder„Stompin' at the Savoy“ Am Tenorsaxofon spielt er in Ellingtons „In a mellow Tone“ ein ausdrucksvolles Solo, und auch in „Body and Soul“ gestaltet er seine Improvisationen fast verträumt und voller Empfindsamkeit. Zuverlässiger Timekeeper am Bass ist der ausgezeichnete Peter Inagawa, der mit Feuer und Leidenschaft agiert. Großartig sein Duett mit dem „Spieluhr“-Piano von Thilo Wagner. In „Wave“ weht ein Hauch leichtlebigen Copacabana-Gefühls ins Publikum. Wagner verfolgt schmunzelnd am Piano, wie die Kollegen die vertrackten Akkordabfolgen der Jobim-Komposition in ihren Improvisationen umsetzen.
Dass die Musiker nicht gerade oft zusammen spielen, merkt man an den fehlenden Arrangements und den zuweilen verunglückten Schlusssequenzen der Songs. Doch dafür überzeugen die Vier mit zunehmend mehr Power – am Schluss steht stürmischer Applaus, ein Dankeschön für einen entspannten Start in die Woche mit dem Motto „Keep swinging“. Foto: Manfred Herker