Für Norbert Odendahl, den Chef von ZF Race Engineering, wird 2020 ein besonders spannendes Jahr, und hat er dabei vor allem die Formel E im Visier, die jetzt in die sechste Saison geht. Er nennt sie trotz der alles überstrahlenden Formel 1 die "erfolgreichste Serie" derzeit, weil sich sämtliche Premiumhersteller aus Deutschland, aber auch Renault, Jaguar und Land Rover in den Stromer-Rennen engagieren. Die Veranstaltungen finden nicht auf den traditionellen Rennstrecken, sondern in den Stadtzentren von Berlin oder Hongkong statt und sprechen ein jüngeres Publikum an.
Für die Konzernspitze sei die Formel E ein wichtiges Aushängeschild, sagt Odendahl und freut sich über die Unterstützung, die seine kleine Einheit mit 260 Mitarbeitern, davon 115 in Schweinfurt, erfährt. Dabei geht der Race-Chef davon aus, dass sich die Elektrifizierung des Rennsports nicht mehr auf die Formel E beschränkt, sondern schon bald fast alle Serien erreicht.
So war bei der diesjährigen Rallye Dakar im Januar der Rennstall Riwald mit einem Hybrid-Truck unterwegs, was in der Fach- und Motorsportpresse mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wurde. Dabei kam der Elektroteil, der einen Zusatzschub von 203 PS zum 1000 PS-Diesel ermöglicht, für den Renault-Truck von ZF.
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Für Odendahl ist klar, dass sich der Motorsport so wie das Automobil wandeln wird, "weil er es muss". Er stelle sich die Frage, "welche Rolle wollen wir dabei spielen?" Mit dem Erwerb von TRW und der daraus resultierenden in England tätigen ZF Race UK könne man künftig auch Bremsen und Lenkungen anbieten. "Damit vergrößern wir unser Produktportfolio."
Im letzten Jahr hat ZF Race für den monegassischen Rennstall Venturi den kompletten Antriebsstrang geliefert. Der mit Abstand kleinste Rennstall in der Formel E habe mit einem Sieg und zwei weiteren Podiumsplätzen für großes Aufsehen gesorgt, sagt der Race-Chef.
Seit dieser Saison arbeitet ZF in dieser Klasse mit dem indischen Konzern Mahindra zusammen, während Venturi mit Mercedes kooperiert. Mit der Entwicklung eines Antriebsstrangs für die Saison 2020/21 wurde begonnen. Mahindra ist ein Mischkonzern mit 240 000 Mitarbeiter und 18 Milliarden Euro Umsatz, der größte Traktorenhersteller weltweit und produziert auch eigene Pkw.
Zusammenarbeit mit Mahindra Racing
ZF-Vorstandschef Wolf-Henning Scheider: "Die Formel E ist für ZF eine großartige Bühne, um die Qualität und Leistungsfähigkeit unserer Antriebslösungen für die E-Mobilität von morgen unter Beweis zu stellen. In keiner anderen Rennserie ist der Knowhow-Transfer vom Rennsport hinein in die Serienentwicklung so groß wie in der Formel E."
Zum Beispiel verwendet ZF erstmals eine Leistungselektronik auf Siliziumkarbid-Basis für den Formel E-Antriebsstrang, die in naher Zukunft auch in der Serienentwicklung eingesetzt wird, um die Effizienz und Reichweite von E-Antrieben zu erhöhen. "Wir freuen uns auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Mahindra Racing und zeigen mit dieser Kooperation auch unser Engagement für den Wachstumsmarkt Indien."
Auch Dilbagh Gil, Teamchef von Mahindra Racing, ist von der Partnerschaft überzeugt: "Mit ZF haben wir künftig einen der erfolgreichsten Global Player im Bereich der E-Mobilität an unserer Seite. Die Leistungsfähigkeit des ZF-Antriebsstrangs in der abgelaufenen Saison der Formel E hat uns sehr beeindruckt. Gemeinsam werden wir noch stärker aufgestellt sein, um weiterhin Erfolge zu feiern und hoffentlich auch um die Meisterschaft mitzukämpfen."
Mit Pascal Wehrlein habe man einen Fahrer, der mit seinen Erfolgen in der DTM und seinen Einsätzen in der Formel 1 in der nächsten Saison ein totaler Sympathieträger sein wird, ist Odendahl überzeugt.
In der DTM hat ZF mit dem ZF BMW und Philipp Eng in Zolder einen Sieg errungen und mehrere vordere Plätze belegt. ZF Race liefert die Kupplungen und Lenkungspumpen. Ziel sei es, die starke Dominanz von Audi zu brechen. Das Rennen auf dem Norisring in Nürnberg findet übrigens am 10. Juli statt.
In dieser Saison kein Rennen in Deutschland
Die Formel 1 startet am Wochenende in Australien. Dabei arbeitet ZF mit sieben Teams, darunter Ferrari und Red Bull zusammen und liefert Kupplungen und Dämpfer.
Bedauerlich nennt es Odendahl, dass es in dieser Saison kein Rennen in Deutschland geben wird. "Kein Rennen in Deutschland, dort wo das Auto entwickelt wurde, ist wie kein Fußball in England." Es stelle sich schon die Frage, ob es besser ist ein Geisterrennen in Bahrein zu fahren, als vor Tausenden Fans in Hockenheim.
Neu für ZF Race ist der Einstieg in den Motorradsport. Dabei ist der Bereich federführend für den gesamten Konzern. Weiter in der Erfolgssput sieht Odendahl Race mit der Fertigung von Kleinserien. "Das ist eine starke Säule, die unser Geschäft in Gänze absichert."
2020 wird auch ein besonderes Jahr, weil über vielen Veranstaltungen das Corona-Fragezeichen schwebt. Der Formel E-Start in Rom wurde abgesagt, China verschoben, Seoul steht vor der Absage. Odendahl rechnet damit, dass die Absagen durch Doppelrennen ausgeglichen werden. Ferrari reist mit einer Ausnahmegenehmigung nach Australien und wird von dort weiter nach Bahrein starten.