Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Ein weiser Rat des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt, der es im deutschen Zitatenschatz weit nach oben geschafft hat. Er wird aber generell nicht sehr beherzigt, wahrscheinlich weil der Herr Schmidt trotz seiner politischen Lebensleistung ein Sozi und damit grundverdächtig ist. Jede neue Zweimann-Firma hat heutzutage ja eine Vision, in der Regel die der weltweiten Marktführerschaft in spätestens fünf Jahren, und wenn nicht, dann eine „Philosophie“. Nun hatte jüngst sogar die Schweinfurter CSU zwar nicht mehrere Visionen, sondern nur eine – diese aber sogleich in ein Hochglanzheft gebunden: „Schweinfurt am Main – Die Vision“.
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Beim Arzt war die CSU vor Drucklegung wahrscheinlich nicht. „Die Vision“ („Erscheinung“, „Anblick“) besteht auf 24 Seiten – verziert mit hübschen Bildchen – aus nicht viel mehr als Istzustandsbeschreibungen und Plattitüden. Eine der hübschesten lautet: „Wo vor 20 Jahren der Kampf um Industrieansiedlungen über Fördermittel und Gewerbeflächen geführt wurde, da wird er heute als ,Kampf um die besten Köpfe' geführt.
“ Die „Vision“ von „Schweinfurt am Main“ – da befindet sich die Stadt angeblich noch länger als es die CSU gibt – besteht aus bekannten Konversionsplanungen und Allerweltsfloskeln, sowie der uralten SPD-Idee einer großen Veranstaltungshalle. Aber man hat's jetzt halt mal wieder zusammengeschrieben und gibt die Sache als CSU-Erleuchtung aus.
Die Linken durch Listengemeinschaftstricks um ihren Sitz im Aufsichtsrat der Stadtwerke zu bringen, war keine sehr gute Idee. Jetzt nutzen die Stadträte Frank Firsching und Sinan Öztürk jede Gelegenheit, zu den kritischen Dingen ausführlichst öffentlich um Antwort zu bitten – wie jetzt wieder im Stadtrat: Können sich zwei Millionen Euro Mindereinnahmen im Jahr als Folge vernachlässigten Netzausbaus im Fünfjahreszyklus auf zehn Millionen summieren? Die Frau Finanzreferentin Keck verwies auf „interne Berechnungen“, die man öffentlich weder dementieren noch diskutieren wolle. Die Zahlen würden „ausschließlich den zuständigen Gremien zur Verfügung gestellt“.
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Na, dann ist es ja gut, wenn die internen Gremien Bescheid wissen. Da sitzen mehrheitlich äußerst verantwortungsbewusste Aufsichtsräte der CSU, die sich ihrer Schweigepflicht nach dem Aktiengesetz bewusst sind. Die haben sie auch zum Abgang des Stadtwerke-Geschäftsführers Stepputat eisern beherzigt – egal wie viel von den fragwürdigen wie öffentlich interessierenden Fakten die Runde machten. Kein Wort von den Schwarzen – aber eine Hochglanz-„Vision“ von „Schweinfurt am Main“.
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Es geschehen noch Zeichen und Wunder: Vor einer Woche haben wir uns an dieser Stelle darüber mokiert, dass eine Stadtratssitzung reichlich sieben Stunden gedauert hatte. Eine Woche später dauerte der öffentliche Teil nur gut 40 Minuten. Doch lag es nicht an unserem Spott, dass man sich diesmal so lobenswert kurz gefasst hatte. Es lag schlicht daran, dass der Beamer im Sitzungssaal kaputt war und Matthias Kreß, der städtische Integrationsbeauftragte, seinen Bericht über das Projekt „Gern daheim“ nicht vortragen konnte.