Wie schon in den Stücken „Das Maß aller Dinge“ und „Fettes Schwein“ des amerikanischen Autors Neil LaBute spielen auch in seinem „Lieber schön“ das Aussehen, die äußere Erscheinung und die Oberflächlichkeit der Gesellschaft eine entscheidende Rolle. Hier nimmt LaBute den Schönheitswahn aufs Korn, treibt ihn mit einer einzigen Situation vollends ins Absurde: Eine Frau erfährt, dass ihr Freund ihr Aussehen als „normal“ bezeichnet hat. Sie aber hört „hässlich“, ist tief verletzt und verlässt ihn.
Die „Komödie am Kurfürstendamm“ präsentierte das Stück unter der Regie von Folke Braband und einem prominenten TV-Darsteller Quartett. Das sorgte nicht nur für ein ausverkauftes Haus, sondern es rettete mit seiner blendenden Spiel- und Streitlust und einigen gut platzierten Pointen das eher schwache Stück: Greg (Oliver Mommsen) und Kent (Roman Knizka) sind Freunde und arbeiten in einer Chipfabrik, Greg ist mit der Friseurin Steph (Tanja Wedhorn) liiert, Kent mit Carly (Nicola Ransom).
Auftakt mit wüster Auseinandersetzung
Das Spiel beginnt mit einer wüsten Auseinandersetzung zwischen Greg und Steph, die völlig außer sich ist über seine Bemerkung gegenüber Kent „sie habe ein normales Aussehen“. Dabei greift sie mit ihren Beschimpfungs-Tiraden so tief in den Fäkaleimer, dass es selbst nicht Zimperlichen im Publikum zu viel wird (sie verabschieden sich in der Pause). Greg kommt kaum zu einer Erwiderung, er ist perplex über den Schwall von Obszönitäten, der da aus dem Mund seiner Freundin kommt. Vielleicht ist ja auch Mommsen mit diesen „dirty tones“ nicht ganz glücklich, in einem Interview sagte er: „Das Stück geht über das Zotige weit hinaus“.
„Lieber schön“ ist eine Folge von Szenen: Die Akteure treffen sich im Aufenthaltsraum der Firma, in Restaurants oder auf dem Sportplatz. Kotzbrocken Kent protzt gegenüber Greg mit seiner neuen Freundin, die mit „zwanzig gerade mit dem Abschlaffen anfange“. Gleichzeitig bemüht sich die betrogene Carly um Fassung, zumal sie schwanger ist. Langsam gewinnt das Stück Ruhe und Tiefe, zeigt die Verletzlichkeit der Protagonisten. Und gerade hier können die Akteure mit ihrem schauspielerischen Können punkten: Mommsen als der Geduldige, eher stille Bücherwurm Greg, Wedhorn als die rasende, jetzt verunsicherte Steph, Knizka als prolliger getriebener Kent und Ranson als betrogene tapfere Carly.
Ende als Häufchen Elend
Macho Kent bleibt nach einem verbalen und körperlichen Zweikampf mit Greg als ein Häufchen Elend am Boden liegen. Als sich Greg und Steph nach Monaten einmal treffen, berichtet sie ihm von ihrer neuen Beziehung und ihrer bevorstehenden Hochzeit. Es läuft alles prima mit uns, sagt sie, und zeigt ihm stolz ihren Verlobungsring. Sie sagt aber auch: „Du bist immer in meinem Kopf, ein Teil von mir wartet darauf, dass du mich wie im Kino in deine Arme reißt“. Und sie verlässt ihn endgültig mit einem „Ich hab dich geliebt“. Dann Oliver Mommsen „in Großaufnahme“ sehr eindrucksvoll an der Rampe - er/Greg bleibt zurück, Resignation und Trauer spiegeln sich auf seinem Gesicht, er macht sich auf den Weg. Langer herzlicher Beifall für die Gäste aus Berlin.