Woodstock – allein dieses Wort genügt um Bilder von bunten Hippieklamotten, Love & Peace, illegalen Rauchwaren, entfesselt aufspielenden Gitarristen und sich die Seele aus dem Leib röhrenden Sängern heraufzubeschwören. Das Festival, das vor 50 Jahren mit 32 Bands an drei Tagen auf einer Wiese nahe der Kleinstadt Bethel im US-Bundesstaat New York über die Bühne ging, steht aber auch für Dauerregen, Chaos und Missmanagement. Und auch weil das Happening mit seiner halben Million Besuchern, denen, um nur eine Zahl zu nennen, nur etwa 500 Toiletten zur Verfügung standen, wie durch ein Wunder friedlich endete, ging es in die Kulturgeschichte ein.
Die Musicalrevue "The spirit of Woodstock", komprimiert diese drei Tage musikalisch recht ordentlich auf zwei Stunden. Bilder von im Schlamm herumalbernden Hippies, Verkehrschaos, Nacktbadern und Peace-Zeichen in die Kamera haltenden Freaks, liefert die Leinwand dazu.
Nicht nur Musik, sondern auch die Geschichte des Festivals
Mit Richie Havens "Freedom" beginnt die Revue genauso wie der Woodstock-Film, oder die ebenfalls schon legendäre Dreifach-LP. "Let the sunshine in" wurde zwar nicht auf dem Festival gespielt, aber egal, es geht um den Woodstock-Vibe, wie Moderator Daniel Brockhaus erkennen lässt, der aus der Sicht eines jungen Journalisten das Festival zwischen den Songs moderiert und nacherzählt. Die geschichtliche Aufarbeitung geschieht dabei für eine Musicalrevue erstaunlich exakt. Man hätte es sich einfach machen und den Klischee-Gaul von "Three days of Love & Peace" zu Tode reiten können. Aber Nein, auch die Schattenseiten wie die schlechte Vorbereitung, die Pleite der Veranstalter oder leidiger Vertrags-Hick-Hack, werden nicht ausgeklammert.
Kein Woodstock durch die Rauschbrille geschichtlicher Verklärung betrachtet, sondern fast schon eine Bestandsaufnahme also. Und die gelang vor allem in musikalischer Hinsicht in den meisten Fällen dank erstklassiger Musiker von durchwachsen bis verblüffend. Emanuela "Lela" Cortesi servierte amtliche Versionen von Songs, wie sie auf dem Festival von Melanie oder Grace Slick (Jefferson Airplane) angestimmt worden waren.
Saitenflitzer und Rockröhren
Eine Schippe in Sachen "Woodstock-Feeling" legte Tara Degl'Innocenti drauf, als sie als Janis Joplin über die Bühne fegte und im hautengen Bodysuit sich deren große Songs aus der Seele shoutete. "Mercedes Benz" und "Bobby McGhee" wurden zwar auch nicht auf dem Festival gespielt (das dazugehörige Album erschien erst zwei Jahre später kurz vor Joplins Tod), waren aber eine tolle Ergänzung nach "Summertime" und "Piece of my heart".
Eine faustdicke Überraschung auch Michael Holderbusch (bekannt aus der RTL-Show "Das Supertalent"), der bei "With a little help from my friends" in Joe Cocker-Manier und mit einer Stimme, die schon fast wie eine Urgewalt daherkam, die Halle erbeben ließ. Als Solist wurde er eigentlich nur noch getoppt durch den jungen Römer Fulvio Feliciano, der als Jimi Hendrix ein Gitarren-Gewitter entfachte, das bestens zum Woodstock-Wetter gepasst hätte. Beinahe Note für Note jagte er die amerikanische Nationalhymne, das "Vodooo Chile" oder die "Foxy Lady" durch die Amps und über die Bühne. Nur den Gesang hat Original-Jimi deutlich besser hingekriegt.
Songs von Joan Baez "Santana", "The Who" und ein CCR-Medley machten den Abend rund. Creedence Clearwater Revival bei Woodstock? Das ist völlig richtig, auch wenn das vielen nicht bekannt sein dürfte. John Fogerty und seine Jungs spielten tatsächlich dort, aus vertraglichen Gründen durfte davon aber kein Ton auf Platte oder in den Film. So ging der "Wir sind dabei gewesen-Mythos" an der Band vorbei. Erst diesen Sommer wurde der komplette Woodstock-Auftritt von CCR auf CD veröffentlicht.
Was bleibt von Woodstock in der Halle und "No rain-Rufen" im Trockenen? Es hat Spaß gemacht und es hat ja auch was, wenn man satt und trocken, anstatt nass und mit schlammiger Decke um die Schultern, den Nachhauseweg antreten kann.
Weitere Bilder im Internet: www.mainpost.de/schweinfurt