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SCHWEINFURT
Wolfgang Buck und die Reinigung der Milchstraße
Wer wird denn gleich vor Heimweh weinen: Franken ist überall, fand Wolfgang Buck in der Disharmonie.
Foto: Uwe Eichler | Wer wird denn gleich vor Heimweh weinen: Franken ist überall, fand Wolfgang Buck in der Disharmonie.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 30.05.2014 10:43 Uhr

Die Sonne schimmert durchs Blätterdach, im goldenen Bier spiegelt sich das grüne Laub. Ein grüngoldenes Bier. Ach schöö, die Vorspiegelung so eines fränkischen Idylls, in der sonntäglichen Disharmonie. „Wer da fortfährt, ghört erschlagen“, heißt es im Lied. Klingt derb, aber der Wolfgang Buck ist eigentlich ein sanfter, bedankt sich beim nicht ganz randvollen Saal: „Es ist so ein Biergartenwetter, schön, dass Ihr trotzdem kumma seid.“

„Kummdmernaham“ nennt sich das neue Soloprogramm des Gitarrenkünstlers aus Erlau nahe Bamberg. Klingt nach der Hauptstadt einer Ex-Sowjetrepublik am Kaspischen Meer, meint aber Heimat: „Komm mir nur heim!“ hieß es früher, wenn der Bu mit dem Fußball die Rosen abgemäht oder die Fensterscheibe eingeschossen hat, per Luftgewehr: „Dir helf ich!“ Ja, das hiesige Gefühlsleben scheint paradox: „Das ist so typisch fränkisch, wenn dir mit Heimat und Hilfe gedroht wird.“

Widersprüchlich ist er, der Franke, weltläufig und provinzselig zugleich: „Der Mensch an sich ist Franke“ sinniert der gelernte Pfarrer. Wenn einen die Ausländer nicht mögen, zum Beispiel in Frankreich, vielleicht liegt's ja gar nicht daran, dass einer Deutscher ist, sondern an einem selbst. „Der Schweinfurter mag uns Deutsche aber wirklich nicht“, hämt der Mittfünfziger, prompt löst sich der Gurt der Gitarre. „Die mag die Schweinfurter nicht“ scherzt es aus dem Publikum zurück. Nix da: „Für Schweinfurt ist die gut genug.“

Ja, es geht um Heimat, die innere wie die äußere, was nicht dasselbe sein muss. Wer zuhause ankommen will, muss erstmal irgendwohin aufbrechen. Im modernen Frankenlied ist die Landschaft längst zugebaut mit Gewerbehalle, Lärmschutzwall und Umgehungstraße. Das eigentliche Idyll stinkt gerne mal nach Jauche. Der eine sucht den Mittelpunkt seines Lebens da lieber im Baumarkt, oft vergeblich („Hammer gibs nedd, Gibs hammer a ned“) oder gleich im Unerreichbaren: „Zum Idioten wirst du dann, wenn du was anderes sein willst, als was du bist“.

Bei soviel Weisheit merkt man, dass der gebürtige Puschendorfer mehr ist als ein schwerblütiger Singer/Songwriter, nicht nur einer, der ein ganzes Lied lang den Geschmack von Kloß mit Soß huldigen kann, bis man den Genuss auf eigener Zunge spürt. Sondern auch ein ganz Hintersinnlicher, aus Jahren bitterer Schwermut lebensklug geworden: „Das tagtägliche Scheitern macht den Franken bescheiden.“ An jedem Wochenende etwa scheitert der mit dicken Wurstfingern am BH seiner Alten. „Dudined o“, warnt der bluesige Barde vor hohen Erwartungen, Idioten gibt's genug, die nur dem Geld und dem schnellen Glück hinterherrennen: „Asu werd des nix.“

Bucks Frankensoul hat eine launige, groovige Poesie: Wenn Gott eine Frau hätte, würde die dann den Himmel reinigen, die ganze Milchstraße aufwischen, und was bliebe dann vom schönen Chaos des Universums noch übrig? „Genau underm Himml“ nennt sich passenderweise die aktuelle CD. Dem Buck verzeiht man selbst kleine Grausamkeiten, wie ein mittelfränkisches Kerwalied mit Kazoobegleitung. Am Ende ruht jeder Franke im Saal in sich. Der „BA-BA“, wie er auf dem Nummernschild heißt, ist mit seiner Suche nach Heimat wieder mal angekommen.

 
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