Wenn es um das Museum Georg Schäfer geht, wird in der Öffentlichkeit auf jedes Wort, auf jede Geste der Hauptakteure geachtet. Und so galt die Spannung vieler geladener Gäste bei der Feierstunde am Mittwoch nicht nur der Antrittsrede des neuen Leiters Wolf Eiermann, sondern auch der Frage, ob und wie die Vorredner Sigrid Bertuleit erwähnen würden, die das Haus seit seiner Eröffnung im Jahr 2000 geleitet hatte – bis ihr die Stadt 2014 kündigte.
Um es vorwegzunehmen: Oberbürgermeister Sebastian Remelé erwähnte Bertuleit mit keinem Wort bei seiner Rede, die doch nicht nur der Einführung von Wolf Eiermann galt, sondern auch einem Rückblick auf das 15-jährige Bestehen des Hauses. Er dankte ausdrücklich Kuratorin Karin Rhein, die das Museum monatelang kommissarisch geführt hatte und „wahrhaft Großes geleistet habe“, so der OB.
Vorstandsvorsitzender lobte Sigrid Betuleits Ausstellungen
Fritz Schäfer, Vorstandsvorsitzender der Sammlung-Dr.-Georg-Schäfer-Stiftung, nutzte, wie zu erwarten, die Gelegenheit, um die „ästhetisch anspruchsvollen Ausstellungen, die Sigrid Bertuleit zu verantworten hatte“ öffentlich zu loben – sehr großer Beifall aus dem Publikum. Einmal mehr bedauerte er ihr Ausscheiden und die Art und Weise, wie dieses betrieben wurde. Auf diese Aussage folgte weit weniger Beifall, aber es gab ihn.
Sebastian Remelé stellte Wolf Eiermann als „seit August in Arbeit befindlich“ vor und nicht etwa als im Amt befindlich, was einiges über die Aufgabe des neuen Museumsleiters aussagt. Dass Eiermann bei der Pressekonferenz Anfang September bereits ein komplettes Ausstellungsprogramm bis 2017 vorgestellt hatte, imponierte dem OB offensichtlich. Er lobte den Ideenreichtum des Kunsthistorikers, der – wie berichtet – seit 1999 an der Staatsgalerie Stuttgart gearbeitet hat, zuletzt als Leiter des Archivs Oskar Schlemmer und als Baureferent.
MGS ist ein Symbol für den Ausbruch aus der Krise
In seinem Rückblick auf 15 Jahre MGS erinnerte der OB an die Wirtschaftskrise 1992 und die Metamorphose der reinen Industriestadt zur heutigen Kultur- und Industriestadt. Das zeitlose, von Architekt Volker Staab entworfene Museum Georg Schäfer nannte er ein Symbol für den Ausbruch aus der Krise. Remelé dankte vielen, unter anderem seiner Vorgängerin Gudrun Grieser, die den Freistaat Bayern damals überzeugt habe, dass das Geld nirgends besser aufgehoben sei als für den Bau des Museums. Der Freistaat ist bekanntlich Eigentümer des Hauses.
Auch Fritz Schäfer blickte zurück, auf jenen 10. Februar 1998, als Stadt und Stiftung den Vertrag über das Museum schlossen – mit dem Zweck, die Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sie zu bewahren, zu pflegen und kunsthistorisch zu bearbeiten. Der Museumsbeirat habe sich einstimmig für Wolf Eiermann ausgesprochen und der bringe genug Erfahrung und Selbstbewusstsein mit, um das Haus erfolgreich zu führen. „Im Sinne des Stiftungszweckes“, wie ihm Schäfer mit auf den Weg gab.
Der Vertrag läuft bis 2030
Der Vertrag zwischen Stadt und Stiftung läuft 30 Jahre lang. Also ist jetzt Halbzeit. Fritz Schäfer formulierte seine Erwartung für die zweiten 15 Jahre so: „Hoffentlich nicht schlechter als in der ersten Halbzeit“. Die Zahl der Turbulenzen könne abnehmen, die Zahl der Besucher deutlich steigen, sagte er und ergänzte, dass er hoffe, 2030 ohne große Diskussionen in die Verlängerung zu gehen. Mit 43 Wechselausstellungen, einer hervorragenden ständigen Sammlung und insgesamt rund 590 000 Besucher sei der Vertrag in den ersten 15 Jahren erfüllt worden.
Ob es wohl ein Scherz war, dass Wolf Eiermann mit dem Satz einstieg, er habe mit etwa 60 Leuten gerechnet. Vielleicht weiß er wirklich noch nicht, dass sich der Schweinfurter ein solches Ereignis nicht entgehen lässt und dass auch die regionale Kunstszene gespannt auf den neuen MGS-Leiter ist. Eiermann stellte in seiner Antrittsrede Fragen in den Mittelpunkt: Welche Rolle kann die Kunst des 19. Jahrhunderts im globalisierten 21. Jahrhundert spielen? Wie kann es gelingen, deutsche Kunst Menschen zu vermitteln, die aus einem anderen Kulturraum kommen? Und wie kann sich ein Museum für Menschen öffnen, die sich vor allem in der digitalen Welt bewegen?
Wolf Eiermann: Kunst ist übergeordneten Werten verpflichtet
Ein Ansatz könne der Blick auf das sein, was allen Völkern gemeinsam ist. Kunst sei nie national, sondern übergeordneten Werten verpflichtet. Am Beispiel von Carl Spitzweg, von dem das Haus bekanntlich die weltweit größte Sammlung besitzt, beleuchtete der Kunsthistoriker die Frage, wie Geschichte in der Kunst des 19. Jahrhunderts dargestellt wurde. Spitzwegs „Strickenden Wachtposten“ von 1855 nannte er einen Gegenentwurf zu Krieg und Militarismus, ein Statement für Revolution, ein Plädoyer für den Frieden und eine Karikatur des deutschen Wesens.
Großer Beifall für die Antrittsrede. Viel Aufmerksamkeit gab es auch für die Sopranistin Anja Gutgesell und ihre eindringliche Interpretation von Barbra Streisands „The way we were“, begleitet am Flügel von Klaus Feldner. Dieser Flügel ist ein Geburtstagsgeschenk für das Museum, gestiftet von der Schweinfurter Kunsthistorikerin Barbara Vogel-Fuchs, die dem Haus eng verbunden ist. Mit einem offenen Atelier und vielen Führungen endete der Geburtstag.