Seit zehn Jahren ist Christian Kreppel, 54, Leiter des Theaters der Stadt. Seit Anfang des Jahres ist er außerdem Chef des Kulturamts. Ein Gespräch über erste Eindrücke, den Umgang mit der fränkischen Mentalität und die Möglichkeiten, eigene Akzente zu setzen.
Christian Kreppel: Ja – gleich die gute Frage zu Beginn. Schweinfurt ist nicht die einzige Stadt, die sich für ein solches Modell entschieden hat. In Aschaffenburg ist es zum Beispiel auch so. Der OB als Kulturreferent ist direkter Ansprechpartner für die kulturellen Institutionen, was nicht schlecht ist. Was mich anbelangt: Originär bin ich Theatermann und möchte das mein Leben lang nicht missen. Das habe ich dem Herrn Oberbürgermeister, als ich angesprochen wurde, auch gesagt.
Kreppel: Ich bin jetzt seit zehn Jahren in Schweinfurt – ich habe alle Protagonisten und Schauplätze der Kulturszene kennengelernt. Aus meinem Ehrenamt als Präsident der INTHEGA, der Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen, kenne ich außerdem seit Jahren viele Städte und deren Modelle. Ich weiß also, was ein Kulturamtsleiter machen kann.
Kreppel: Grundsätzlich sind es zwei Geschichten: verwalten und gestalten. Ich hoffe, dass ich in einem Jahr hier sitze und Ihnen erzählen kann, dass ich nicht nur verwaltet, sondern auch ein bisschen gestaltet habe. Wir haben hier die schöne Institution der monatlichen Besprechung der kulturellen Einrichtungsleiter, die gibt es schon seit Günther Fuhrmann, dem ersten Schweinfurter Theaterleiter, der übrigens auch Kulturamtsleiter war. Einmal im Monat sitzen die Leiter der sieben kulturellen Einrichtungen beisammen und haben die Zeit des OB, des Kulturreferenten. Da habe ich schon immer erfahren, wo die Probleme sind, was es für Anliegen gibt.
Kreppel: Da komme ich noch hin. Wir haben den Vorteil einer Stadt, die immer noch sehr gut von den Einnahmen aus der Gewerbesteuer leben kann. Es gibt die städtische Kultur, und es gibt daneben – Gott sei Dank – eine große freie Kulturszene. Das ergibt insgesamt ein Kulturleben, das für diese kleine Stadt ungeheuer vielfältig ist. Es gibt hier 600 bis 650 ernst zu nehmende kulturelle Veranstaltungen pro Jahr. Das ist eigentlich zu viel.
Kreppel: Sie als Zeitung versuchen ja auch, das alles vernünftig zu begleiten. Da gibt es Abende, an denen vier Veranstaltungen gleichzeitig stattfinden. Das ist gut, das ist schön, aber das ist auch ein Problem. Es gibt zwar neue Förderrichtlinien für die freie Kultur, aber vielleicht muss man trotzdem nochmal hinschauen und prüfen: Was ist gerecht? Was ist da noch möglich? Es gibt außerdem ein halbes Dutzend Themen, die bei Gesprächen immer wieder auftauchen, für die es noch keine Lösung gibt.
Kreppel: Beispiel Pädagogik. Es gibt eine florierende Museumspädagogik in der Kunsthalle. Hut ab, was Friederike Kotouè da macht. Es gibt natürlich Angebote von der vhs, im Museum Georg Schäfer. Die Disharmonie bietet Theaterpädagogik an, wir übrigens auch. Ich fände es fantastisch, wenn man sich mal an einen Tisch setzen und das alles für die Interessenten übersichtlicher machen würde. Und dann ist da noch das Thema Terminabstimmung.
Kreppel: Richtig. Stichwort Lesungen: Ich halte mich da mit dem Theater bewusst raus. Es gibt die Buchhandlungen, die Stadtbücherei macht hin und wieder attraktive Lesungen, ebenso das Museum Georg Schäfer. Da könnte man auch mal eine Linie reinbringen – dass man sich nicht untereinander Konkurrenz macht und einfach vorab miteinander spricht. Es läuft immer wieder auf einen Punkt hinaus: Das, was da ist, und was auch gut funktioniert, ein bisschen zusammenbringen.
Kreppel: Natürlich – es muss auf jeden Fall Qualität vor Quantität gehen. Aber ich kann schlecht zur Disharmonie, die hier unverzichtbare Arbeit leistet, gehen und sagen, warum macht Ihr 260 Veranstaltungen, macht doch 200, aber dafür. . . Aber anregen kann ich so was.
Kreppel: Wir versuchen es zu vermeiden. Aber grundsätzlich können wir sehr froh und dankbar sein, wie es in dieser Stadt läuft. Kultur wird immer wichtiger , aber ich mache mir keine Illusionen: Die Zeiten werden schwerer werden. Da rede ich noch nicht mal von einer Wirtschaftskrise, sondern von der sozialen, gesellschaftlichen Ebene. Wir stehen erst am Anfang großer Veränderungsprozesse, und ich bin ein Stück weit stolz drauf, an einer Stelle zu sitzen, wo ich versuchen kann, mit Partnern richtige Wege zu suchen und zu gehen.
Kreppel: Wir versuchen, die Menschen vom Kleinkind bis ins Alter anzusprechen. Wir sprechen Familien an und ganz bewusst auch Sprachgruppen. Ein polnisches Folkloreensemble zieht die polnische Gemeinde. Russisches Ballett zieht die russlanddeutsche Gemeinde. Und wenn Russland und die Ukraine Krieg gegeneinander führen, haben wir trotzdem in einer Saison ein russisches und ein ukrainisches Ensemble im Angebot. Im Theater funktioniert das.
Kreppel: Mit den Migranten kommt große Verantwortung auf uns zu. Ich weiß, es gibt Bestrebungen von der freien Kultur, dort Veranstaltungen anzubieten. Ich finde es ein bisschen ungerecht, dass die Stadt dabei immer gleich als Verhinderer oder Abblocker hingestellt wird. Die Stadt leistet da derzeit große, essenzielle Aufgaben, aber das sind erst die ersten Schritte der Grundversorgung. Aber dass da mehr nötig sein wird, ist auch klar. Es gibt aber schon Angebote wie Chorgesang. Sport wird auch ein großes Thema werden. Die Menschen haben immer Angst, dass ihnen etwas durch die Flüchtlinge weggenommen wird. Aber das ist ja nicht der Fall. Deutschland wird sich „nur“ grundlegend verändern.
Dieses Europa wird ein anderes werden. Darüber diskutieren wir auch in der INTHEGA sehr intensiv. Das wird auch bei unserer Fachtagung Thema sein, die Anfang Mai in Schweinfurt stattfindet.
Kreppel: Ich war zum ersten Mal 1989 hier, damals noch als Mitarbeiter der Konzertdirektion Landgraf. Da war Schweinfurt schon noch anders. Obwohl ich nicht viel gesehen habe: Man geht ins Hotel, zieht sich um, geht ins Theater, feiert nach der Premiere, geht wieder ins Hotel und reist am nächsten Morgen wieder ab. Aber der Eindruck war schon: keine schöne Stadt. Das Theater: wunderbar. Aber das Museum Georg Schäfer gab's damals noch nicht, ich kann mich noch gut erinnern, wie diese Ecke der Stadt damals aussah. Das war ernüchternd.
Kreppel: Ich kann mit der Mentalität leben, weil mein Vater Nürnberger war. Er war fast 15 Jahre an der Staatsoper Wien engagiert, aber ich war als Kind immer wieder bei der Oma in Nürnberg-Gebersdorf. Einen ersten Eindruck als Theaterleiter erzähle ich gerne immer wieder: Nach einer Vorstellung, zu der es viel Applaus gegeben hatte, habe ich einen Besucher gefragt, wie es ihm gefallen habe.
Da kam dann ein „Passt scho!“ Ich dachte, oh Gott, eine Vier minus. Heute kann ich das besser einordnen. Fast jedes Ensemble, das hier zum ersten Mal spielt, sagt in der Pause, die reagieren ja gar nicht. Ich sage dann, wartet bis zum Schluss!
Kreppel: Ich bin im Grunde mit offenen Armen empfangen worden. Was ich sehr schätze: die funktionierende flache Hierarchie in der Stadtverwaltung. Dass man, wenn man mal ein Anliegen hat, relativ schnell gehört wird. Das ist nicht selbstverständlich.