
Mit einer Kombination aus altem Bauernhausstil, Toskana-Idylle und Hundertwasser-Kunst haben sich Peter und Annette Hagen ihren Wohntraum verwirklicht. Sie verwandelten ein 50er Jahre-Nachkriegshaus plus Garten mit viel Kreativität und enormer Eigenleistung nicht nur in ein zauberhaftes Wohnerlebnis. Sie sanierten und renovierten ausschließlich mit biologischen Baustoffen.
Nachwachsende Rohstoffe
Schon die alten Eichenbretter am Giebel ihrer Doppelhaushälfte, hinter denen sich die Zellulose-Dämmung verbirgt, zeigen: Hier wurde mit nachwachsenden Rohstoffen saniert. „Das war uns wichtig“, erklärt der Bauherr. Er hatte sich intensiv mit Sanierung und energetischer Ertüchtigung beschäftigt und in Jürgen Unser einen Architekten gefunden, der ihm Tipps bei Material und Technik geben konnte. Die meisten Ideen in und um das Niedrigenergie-Haus stammen aber von Peter Hagen selbst.
Er hatte, eigentlich auf der Suche nach einem Bauernhaus, das Nachkriegshaus, gebaut 1952, in Euerbach gefunden und im Herbst 2011 gekauft. „Der gleiche Jahrgang wie ich“, lacht er. Weil das leer stehende Gebäude nicht verbaut und noch ursprünglich war, griff er zu. „Dann lässt es sich leichter zurückbauen“.
Fast alles wiederverwendet
Ab November entkernte er Zug um Zug das Haus, so dass nur noch die Gebäudehülle übrig blieb. Den alten Putz schlug vor allem seine Frau Annette ab, erzählt er bewundernd. Weil er viele Steine der Innenwände wieder verwendete, weil er auch andere alte Materialien wieder verbaute, hatte er Entsorgungskosten von „maximal 1000 Euro“, schätzt er. Altes wiederzuverwenden sei nicht nur kostengünstig, sondern auch nachhaltig.
Der Dachstuhl wurde aufgedoppelt, in den Hohlraum Zellulosedämmung eingeblasen. Auch die Hauswände wurden mit dem atmungsaktiven Material aus Altpapier isoliert. Holzfaserplatten wurden als Putzträger gewählt, auf die ein Grundputz aufgetragen ist. Ein diffusionsoffener Kalkputz folgt noch.
Der Keller wurde freigelegt, die notwendige Drainage mittels wärmedämmender Glasschaumschotter erledigt. Anstelle einer alten Garage hinter dem Haus wurde ein neuer Flachdachanbau mit Grasdach als barrierefreies Apartment hingestellt. Das dient zurzeit noch als Materiallager und Werkstatt für den Bauherrn.
Viel Eigenleistung
Der hatte einst Dekorateur gelernt, was damals auch Kenntnisse als Maler, Schreiner oder Maurer verlangte. Noch dazu ist Peter Hagen „handwerklich erblich vorbelastet“, grinst er, so dass er mit viel Geschick das meiste selbst renovierte.
Gerade im Außenbereich des Grundstücks ist seine kreative Handschrift zu erkennen: Viele Eichenbalken und -bretter aus einem alten Dachstuhl sowie Steinarten, darunter 35 Tonnen Sandstein, sind hier originell verbaut in Mauern, im Hofbelag oder im Holzbackofen, der an einem alten Gartenhaus entstand. Ein Wasserlauf schlängelt sich vom erhöhten Garten zum Sitzplatz hinterm Haus, gespeist durch Wasser aus einer Zisterne. Eine zweite Zisterne dient der WC-Spülung im Haus.
Für neue Versorgungsleitungen im Gebäude und neue Lärchenholzfenster bediente sich Peter Hagen einiger Handwerker. Vor allem für das Schmuckstück und den Mittelpunkt des Hauses brauchte er versierte Fachleute: Kachelofenbauer, die den gemauerten Grundofenherd errichteten. Die originelle Keramik daran im Stil von Friedensreich Hundertwasser hat allerdings der Bauherr selbst getöpfert, glasiert und gebrannt.
Dieser vollautomatische Holzpelletofen holt sich den Brennstoff aus dem Bunker im Keller und schiebt ihn über eine Förderschnecke in den Brennraum im Ofen. „Im Winter kochen und backen wir auch damit“, zeigt Peter Hagen auf die Oberfläche, „oder machen Dörrobst“. Zugleich wird dann auch die Abwärme für die Fußbodenheizung unter den Solnhofener Platten in Küche und offenem Flur über den Grundofen gesteuert.
Die Küche samt Interieur bestechen durch einen gemütlichen Bauernhausstil mit vielen Details, die aber zeigen, dass Alt und Neu harmonieren: den selbstgemauerten Herd mit Gas- und Induktionskochfeld, die Eichenbalken über dem Durchgang zum offenen Ess- und Wohnzimmer, die abgelaugte Tür zur Speisekammer oder ein alter Lichtschalter.
Im Wohnbereich, wo Peter Hagen einen auf alt getrimmten Holzfußboden verlegte, ist hinter dem Lehmputz auf Schilfmatten eine Wandheizung verborgen. Teilweise wurde zusätzlich Kalkputz aufgetragen.
Den Hundertwasserstil verrät auch das Gäste-WC im Erdgeschoss. Selbst getöpferte Fliesen und ein Waschbecken aus einem Steingut-Mörser lassen das stille Örtchen zum Kunstobjekt werden.
Im Obergeschoss sind Elternschlafzimmer, Kinderzimmer samt Spielebene im Spitzboden und ein Familienbadezimmer untergebracht. Die Treppe hinauf, direkt an der Wand zum Nachbarhaus, baute Hagen ab und rückte sie zehn Zentimeter weg. Eine Dämmung und eine neue Ziegelwand verringern jetzt die Geräusche aus der anderen Seite des Doppelhauses.
Noch gibt es einiges zu tun in seinem 140 Quadratmeter Haus, weiß der Bauherr. Weil er vieles selbst macht, dauert alles seine Zeit, bleibt aber bezahlbar. Und er kann so seine eigenen Ideen auch umsetzen.
Am Tag der Innenentwicklung im Oberen Werntal ist das Anwesen von Annette und Peter Hagen, Am Taubenberg 10, in Euerbach am Samstag, 29. September, und Sonntag, 30 September, von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Die Bauherren sind vor Ort und werfen auch den Holzbackofen an. Auskunft erteilen auch das Kachelofenstudio Borchert (Pfaffenhausen), Georg Kapraun (Gochsheim) zur Zellulosedämmung und Ralph Kirchner (Zeuzleben) zur Haustechnik.