
Drei Tage lang herrschte babylonisches Sprachgewirr im Steigerwaldzentrum. Aus nicht weniger als 17 meist europäischen Ländern waren die 75 Teilnehmer aus unterschiedlichen Fachbereichen wie Waldbautraining, Waldökologie, Naturschutzbiologie und praktischer Forstwirtschaft, die sich über das Thema Waldnutzung mit integriertem Naturschutz austauschten.
In Deutschland sind bereits fünf Prozent der Waldfläche aus der Nutzung genommen, „doch was machen wir mit den restlichen 95 Prozent“, formuliert Projektleiter Daniel Kraus (Freiburg) eine der Kardinalfragen dieser drei Tage.
Teilnehmer aus ganz Europa und den USA
Von den Teilnehmern aus ganz Europa und den USA war zu hören, dass es bisher noch sehr unterschiedliche Ansätze dazu gibt. Das hängt auch damit zusammen, dass es beim Wald ganz verschiedene Besitzformen gibt.
In der Schweiz zum Beispiel gibt es überhaupt keinen Staatswald, dafür Aktiengesellschaften als Waldbesitzer. In Osteuropa stehen dagegen als Relikt der kommunsitischen Herrschaft noch viele Staatswälder. In Tschechien gehen 100 000 der 1,3 Millionen Staatswald an die Kirche zurück.
Ein Höhepunkt der Tagung war sicherlich die Vorstellung des Ebracher Trittsteinkonzeptes durch Betriebsleiter Ulrich Mergner (Bayerische Staatsforsten) mit anschließender Exkursion. Mergner ist Teil der Beratergruppe des Projektes und hatte schon zahlreiche internationale Besuchergruppen im Rahmen des Projektes empfangen. Seine Vorreiterrolle in der modernen Waldbewirtschaftung war es letztlich auch, die die Tagung nach Handthal brachte.
Naturschutz und Holznutzung
Die Teilnehmer zeigten sich beeindruckt von diesem sehr weitgehenden und innovativen Konzept, das in diesem Umfang in nicht vielen europäischen Ländern zu finden sein dürfte. Besonders beeindruckt waren Teilnehmer davon, wie sehr naturschutzfachliche Argumente im Vordergrund stehen und die Holznutzung darauf abgestimmt wird.
Thomas Haußmann vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung in Bonn stellte den hohen Wert von Integrate+ als wichtige Grundlage für internationale Gespräche zum Thema Wald heraus und nannte als Beispiel dafür den Deutsch-Tschechischen Dialog.
Kurt Bollmann von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in der Schweiz erläuterte die Bedeutung eines Verbundsystems von verschiedenen Naturschutzinstrumenten auf Landschaftsebene, um den Erhalt der Artenvielfalt auf einer großen Fläche gewährleisten zu können.
Bengt-Gunnar Jonsson, Professor für Biologie an der mittelschwedischen Universität in Sundsvall und Mitverfasser eines grundlegenden Werkes über die Biodiversität in Totholz (in Fachkreisen schlichter auch Totholz-Papst genannt), berichtete über die Erfolge von aktiven Maßnahmen in Wirtschaftswäldern, die der naturschutzfachlichen Aufwertung dienen, wo entsprechende Lebensräume noch fehlen.
Stachelbärte sprießen wieder
Über die Bedeutung von Kleinststrukturen an Bäumen, die totholzbewohnenden Arten einen Lebensraum bieten, referierte Laurent Larrieu, Biodiversitätsexperte des französischen Instituts für Agronomieforschung (INRA) in Toulouse. Dieser Wissenschaftler entdeckte bei der Exkursion im Staatswald zwei weitere Stachelbärte (seltene Pilzarten), die Betriebsleiter Ulrich Mergner bislang noch nicht wahrgenommen hatte. Die Stachelbärte brauchen Totholz als Lebensraum.
Zum Abschluss des Tages gab es einen Sektempfang auf dem Baumwipfelpfad, von dem den Teilnehmern noch ein weiter Blick auf den Steigerwald geboten wurde. Urs-Beat Brändli vom Schweizerischen Landesforstinventar (LFI) berichtete darüber, wie die Demonstrationsflächen des Projektes zur Schulung von biodiversitätsrelevanten Strukturen in der Waldinventur genutzt wurden.
Am Freitag schließlich stellte sich den Teilnehmern die Frage, wie es nun weitergeht. Jörg Müller von der Universität Würzburg warnte zunächst davor, integrative Konzepte zu bewerben, ohne deren Effektivität wissenschaftlich untermauern zu können.
Austausch über Ländergrenzen hinweg
Anschließend erarbeitete sich das Plenum unter der Führung der US-amerikanischen Moderatorin Margaret Shannon eine Strategie, wie auch nach Projektende eine intensive Austausch- und Lernatmosphäre über Ländergrenzen hinweg aufrecht erhalten werden kann.
Das Thema soll auch weiterhin fachlich eine zentrale Rolle am Europäischen Forstinstitut einnehmen. Austauschmöglichkeiten für Praktiker sollen dabei durch eine dauerhafte Organisation zusätzlich unterstützt werden.
Ein Vorschlag der spanischen Teilnehmer war, eine Stiftung Integrate zu gründen. Dies wurde durch Pia Mayer-Gampe von der Initiative FAUN unterstützt und vorgeschlagen, eine solche Stiftung auch mit Waldbesitz auszustatten.
Eine überwältigende Mehrheit der Teilnehmer sprach sich für diese Option aus, die nun von einer Arbeitsgruppe ausgearbeitet wird. In einem solchen Wald könnten dann Tests und Studien für einen integrativen Naturschutz im Wirtschaftswald angelegt und gezeigt werden.
Und wer seltene Pilze und Käfer für sich in Anspruch nimmt ohne die jahrelange mutige Vorarbeit des Vorgängers zu erwähnen, der bringt sich selbst um seine Glaubwürdigkeit.