Frühnebel hängt über dem heideähnlichen Brachland des einstigen Truppenübungsplatzes Brönnhof. Einsame Feldwege führen zwischen Baumgruppen, Anhöhen und grauem Dunst hindurch, scheinbar ins Nirgendwo. Meist sind die Pisten geschottert oder mit Betonplatten befestigt, selten asphaltiert. Vereinzelt irren Autos umher auf der Suche nach dem Treffpunkt für den Ortstermin mit Vertretern der Nachbargemeinden, des Naturschutzes und des Bundesforstbetriebs Reußenberg.
Es ist Tag 1 nach der offiziellen Verabschiedung der US Army aus ihrem Standort Schweinfurt. Die Symbolik passt: Orientierung und Durchblick tut Not auf dem rund 2600 Hektar großen Militärgelände, einst das drittgrößte seiner Art in Europa. Die Besucher sammeln sich schließlich vor einem umzäunten Areal mit Erdbunkern.
Die Niemandsland-Atmosphäre täuscht: Seit dem Abzug der Amerikaner befindet sich das Kerngebiet, etwa 770 Hektar, unter Verwaltung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Sparte Bundesforst.
Dittelbrunns Bürgermeister Willi Warmuth ist dabei, ebenso Amtskollegin Birgit Göbhardt aus Üchtelhausen, Tobias Blesch als Konversionsbeauftragter des Landkreises und die Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber. Schon Ende November könnten Teilstrecken der Heeresstraße in Gemeindebesitz übergehen. „Wir werden sie nicht nehmen, wenn wir sie nicht vorher beproben dürfen“, stellen die Bürgermeister klar, mit Verweis auf etwaige Altlasten. Bis Jahresende entscheidet dann der Haushaltsausschuss des Bundestages, ob die Liegenschaften Teil des Nationalen Naturerbes werden.
„Mir ist es wichtig, alle vor Ort mit einzubeziehen“, sagt Anja Weisgerber mit Blick etwa auf Forstwirtschaft oder Freizeitnutzung. Die Karte, die Revierleiter Christoph Spiekermann dabei hat, zeigt einen Fleckerlteppich. Neben dem eigentlichen „Bundesgebiet“ und Gemeindeflächen gibt es auf dem alten Wehrmachtsgelände noch die „Ganerbenschaft“ (mit Hospitalstiftung und Waldschutzgemeinschaft als Beteiligten) und den „Münsterwald“, in beiden Fällen sind die Rechtsverhältnisse kompliziert. Außerdem jede Menge zu bereinigende Splitterflächen.
Zunächst war die Ausweisung eines Windparks angedacht – aber hier draußen erstreckt sich hochwertige Natur, ein Flora-Fauna-Habitat mit Verschlechterungsverbot. Am Brönnhof flösseln Kamm-Molche, flattern seltene Fledermäuse und Schmetterlinge. Ganz oben zieht der Rote Milan seine Kreise. Windräder wird es da höchstens in Außenbereichen geben, Photovoltaik-Anlagen sind auf den bislang bebauten Flächen denkbar.
„Wir sind noch völlig am Anfang“, sagt Weisgerber und verweist auf das Vorbild der derzeitigen Hausherrin: In Angela Merkels Heimatwahlkreis Rügen ist ebenfalls ein Naturerbe eingerichtet worden mit hohen ökologischen Schutzauflagen. Ein Dittelbrunner Gemeinderat nennt das Landschaftsschutzgebiet Mainleite seit 1956 als Negativbeispiel: „Man darf nicht einfach die Natur walten lassen.“ Die Parlamentarierin signalisiert Entgegenkommen: „Ich möchte keine neue Nationalpark-Diskussion im Norden Schweinfurts.“
Einen Nationalpark werde es sicher nicht geben, meint Godfried Schwartz, Leiter des Bundesforstbetriebs Reußenberg. Aber: „Ich gehe davon aus, dass auf den Bundesflächen das Nationale Naturerbe kommt. Wir stehen ganz oben auf der Liste.“ Der Wald soll wieder Wildnis werden und die Freifläche von 300 Hektar erhalten bleiben durch Mähen, Mulchen, Abweiden. Momentan gebe es Nachfragen von zwölf Schäfern, einer möchte seinen Betrieb sogar von der Nordsee an den Main verlegen, berichtet der Forstexperte.
Auch Wild-Management zum Schutz der Naturverjüngung ist vorgesehen. „Ein Jagdverbot wäre absolut kontraproduktiv.“ Sanfter Tourismus auf ausgeschilderten Wegen soll ebenfalls möglich sein. Nichtmotorisierte Durchquerung (Fußgänger und Radfahrer) wird toleriert. Nur: „Wenn wir hier öffentlichen Verkehr zulassen, sind alle Dämme offen“, warnt Schwartz. „Dann haben wir hier eine Autobahn.“ Dagegen werde er sich mit Händen und Füßen (und Schranken) wehren.
Wildgrillen, Graffiti, niedergetrampelte Zäune und anderer Vandalismus machen der Bundesbehörde Ärger, ebenso Moto-Cross-Fahrer. Die Polizei fährt Streife, es gab bereits Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs. Vor allem die Beobachtungstürme müssen schnell weichen wegen des Absturz-Risikos. Sämtliche Hochbauten sollen eingeebnet werden, die Bundeswehr, die auch mal als Nutzer im Gespräch war, ist mittlerweile dabei, die Türme zu sprengen – „eine reale Übung.“
Im Konvoi geht's dann auf knirschenden Wegen zum Tor von Camp Robertson, ein Gemeinderat fährt auf dem Motorrad mit: Fast darf sich das Erkundungsteam wie auf einer OSZE-Mission fühlen. Oder wie beim Schlussverkauf: Eine Leichtmetallhalle stößt im verwaisten Stützpunkt auf Interesse, auch Leitplanken sind bei den Kommunen begehrt. Alles geht gerade raus, vom Notstromaggregat bis zur Holzbrücke – einiges ist noch verwertbar und behördlicher Naturschutz teuer.
In der Stellung „Hawk Site“ horsteten einst Luftabwehr-Raketen Marke „Habicht“, in der „Quick Reaction Site“ stand eine schnelle Eingreiftruppe bereit, um sich einem Sowjetangriff aus dem „Fulda Gap“, der strategisch wichtigen Fuldaer Lücke, entgegenzuwerfen. Zuletzt hat die Army, für viele Dollar, noch eine „afghanische Autobahn“ nebst Dorf und Feldern nachgebaut, in Vorbereitung auf improvisierte Sprengsätze am Hindukusch. Nur wenige Relikte des Kalten Kriegs halten bis heute die Stellung, darunter der imposante Musikpavillon, auch Feldherrnhalle genannt: ein überdachter Aussichtspunkt auf 409 Metern Höhe, von wo aus die Generäle Manöverschlachten mit bis zu 150 Panzern verfolgen konnten. Die Gefechte wurden elektronisch simuliert, so dass keine Überreste mehr zu finden sind. Gesiegt hat am Ende die Natur. Gegen Mittag, als Nebel und Besucher abziehen, liegt wieder tiefe Stille über der Einöde.
Fauna und Flora haben die Wälder direkt vor unserer Haustür auch, aber die holzt man lieber für Windräder ab und am Brönnhof wo es keine Sau jucken würde muss die Natur geschützt werden!?
Eine Natur, die 70 Jahre lang mit den Füßen getreten, verseucht und plattgewalzt wurde? Die Natur da dort kann sich genauso gut auch unter dem sanften schwingen von Rotorblättern erholen!