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SCHWEINFURT
„Wir gehen dahin, wo es weh tut“
Er hat nicht geblinzelt: Christian Kattner 2014 mit einem südkoreanischen Wachtposten an der Waffenstillstandslinie.
Foto: Archiv Kattner | Er hat nicht geblinzelt: Christian Kattner 2014 mit einem südkoreanischen Wachtposten an der Waffenstillstandslinie.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 04.05.2017 03:54 Uhr

Er hat nicht einmal geblinzelt“: Christian Kattner staunt noch immer, wenn er an den südkoreanischen Wachtposten in Panmunjeom denkt. Direkt an der Waffenstillstandslinie, wo vor 64 Jahren der Koreakrieg eingefroren worden ist. „Spannend“ findet der Generalsekretär der Internationalen Demokratischen Union (IDU) solche Auslandseinsätze.

Im „Land des stillen Morgens“ war der aus Schweinfurt stammende Außen- und Sicherheitspolitiker 2014 noch als internationaler Sekretär der CSU auf einer Konferenz zum Thema Wiedervereinigung. In der „Joint Security Area“, der gemeinsamen Sicherheitszone zwischen Nord- und Südkorea, braucht es starke Nerven: Die Posten der Volksrepublik zwinkerten ebenfalls kein bisschen. Ganz klar war die Grenzziehung zwischen den UN-Baracken nicht. „Es kann sein, ich war in Nordkorea“, sagt der gelernte Politologe: Ein paar Schritte zumindest.

Damals war Park Geunhye noch Präsidentin Südkoreas: „Ihre Saenuri-Partei gehört auch zu uns.“ Seit Juli 2016 ist der Arztsohn aus der ehemals Freien Reichsstadt Generalsekretär der IDU.

Deren derzeitiger Vorsitzender ist John Key, ehemaliger Premierminister von Neuseeland, einer seiner Stellvertreter William Hague, Ex-Außenminister des Vereinigten Königreichs. Also eine durchaus illustre Runde.

Erfolg durch Diplomatie

Wie man als Ehemaliger des Humboldt-Gymnasiums, Abi-Jahrgang 1995, in solche Kreise kommt? Die Abizeitung sah bereits den „sozial eingestellten Optimisten“, mit besonderem Verantwortungs- und Feingefühl. Schülercafé war das „Vorndran“, wo Kattner nun beim grünen Tee sitzt und zurückblickt (nur zwischendurch summt das Smartphone. Anruf aus Schweden, es geht in fließendem Englisch um ein „Freedom Forum“ in Miami).

Die Umbruchzeit der 90er sorgte wohl für besondere Aufbruchsstimmung, den Glauben an Erfolg durch Diplomatie, Verständigung, westliche Werte. Zum gleichen Jahrgang zählten jedenfalls die spätere Europaabgeordnete Anja Weisgerber oder Monika Lenhard. Die Pressereferentin der deutschen Botschaft in Tiflis war, wie Kattner, längere Zeit im Nachkriegs-Kosovo unterwegs. Ach ja: „Georgien steht demnächst auf dem Programm.

“ Der Sohn des ehemaligen CSU-Stadtrats Wolfgang Kattner hat Politik und Völkerrecht studiert, in München, Würzburg, Saarbrücken, Uppsala. Begleitet durch die Hanns Seidel- und andere Stiftungen ging es beharrlich voran.

2013 wurde Kattner Internationaler Sekretär der CSU. Im Sommer 2016 wanderte dann der Sitz des IDU-Generalsekretariats nach München: Ausgerechnet in Cleveland, Ohio, wurde der Franke zum Nachfolger des Norwegers Eirik Moen gekürt, gegen fünf Mitbewerber. Ironie der Geschichte: Zeit- und ortsgleich hat die National Convention der Republikaner Donald Trump zum Präsidentschaftskandidaten gewählt. Die IDU war mit eigener Delegation präsent, Kattner stand zwanzig Meter vom jetzigen Herrn des Atomkoffers entfernt: „Er hat schon Ausstrahlung.“ Nur könne man Trump nicht mit „den“ Republikanern gleichsetzen. Und er mache halt doch gerne Politik mit dem Bauch. Die IDU hofft auf Nachhaltigkeit. Das Freihandelsabkommen TTIP etwa: „Das wäre für uns schon ganz wichtig.“

Nach der Wahl in Ohio war es das erst einmal mit den Gemeinsamkeiten. Der Generalsekretär residiert eher bescheiden in der neuen Münchner Parteizentrale. Mit einer Sekretärin und viel Schreibtischarbeit: „Es geht mehr um das Schreiben von Einladungen und Mitgliedsbeiträge.“ Und natürlich um die weltweite Stärkung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Zivilgesellschaft. Zu den „Schützlingen“ zählt die Demokratische Partei der Malediven von Mohamed Nasheed. Der Ex-Präsident hat mit spektakulären Aktionen auf die Folgen des steigenden Meeresspiegels fürs Touristenparadies hingewiesen, etwa mit einer Kabinettssitzung unter Wasser. Mittlerweile wurde Nasheed durch einen Umsturz aus dem Amt gespült, ins Londoner Exil. Über den Korallenriffen regiert der Nachfolger wieder mit Repressalien.

Der Gedanke der Freiheit treibt ihn an

„Der Gedanke der Freiheit“ ist es, der Christian Kattner antreibt, egal ob in Sri Lanka, dem Baltikum oder Libanon. Die Delegationen zeigen in den Krisenherden dieser Welt Flagge, mit dem diskreten Charme der Bourgeoisie statt ideologischem Eifer: „Wir gehen dahin, wo es wehtut.

“ Über 50 Mitgliedsparteien kennt er schon persönlich. In der „Oligarchenrepublik“ Moldawien wurde im Herbst die Liberaldemokratin Maia Sandu unterstützt, die es im Nachbarland Rumäniens bis in die Stichwahl geschafft hat.

Das größte Sorgenkind Venezuela befindet sich gerade auf Talfahrt, mit dem einstigen Busfahrer Nicolas Maduro am Steuer. Ein Land, reich an Öl und Erdgas, aber sozialistisch in die Armut regiert, findet der Christsoziale: „Für hundert Bolivares, der Landeswährung, kannst Du eine Limousine volltanken, bekommst aber kein Laib Brot mehr.“

Mit der IDU hat er in Caracas die Protestrallye von Lilian Tintori, Ehefrau eines politischen Gefangenen, begleitet, Ziel ist die Ablösung des Chavez-Nachfolgers Maduro.

Wirklich brenzlig wurde es für den politischen Handlungsreisenden bislang nicht, nur in El Salvador ging es mit Polizeischutz durch die Stadt, der Kriminalität wegen. „Es ist sicher kein Nine to Five-Job“, sagt Kattner. Aber auch nicht mit dem Termindruck eines Ministers oder Abgeordneten zu vergleichen. In Marokko wurde die erste islamische Partei Mitglied.

Auch in Argentinien tut sich was. Im Mai startet das Freiheitsforum in Miami, Schwerpunktthema Venezuela, dann geht's nach Georgien und Kiew. Russland müsse die Rechte der Nachfolgestaaten der Sowjetunion akzeptieren. Aber niemand wolle „noch einen Krieg um die Krim“, man sollte miteinander reden.

Auch sonst zeigt Christian Kattner Gelassenheit, beim Tee im „Café Vorndran“. Den Eindruck, dass es mit der bürgerlichen Demokratie überall bergab geht, teilt der geduldige Netzwerkarbeiter nicht: „Wir standen 1983 unter Druck, wir stehen heute unter Druck.“

Der IDU

Die Internationale Demokratische Union ist ein Netzwerk von 80 konservativen Mitte-Rechts-Parteien in 56 Ländern. Eine Art bürgerliche, nichtkommunistische Internationale, die 1983 in London ins Leben gerufen worden ist. Von Gründungsmitgliedern wie Margaret Thatcher, George Bush Senior, Helmut Kohl, Franz Josef Strauß oder Jacques Chirac. Seinerzeit sollte der globale Einfluss der Sowjetunion zurückgedrängt werden.
 
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