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Wipfeld
Wipfeld: Die Ära der Kelterstation ist beendet
Seit 1972 war sie in Betrieb, war Anlaufstelle für viele Winzer, die Wipfelder Kelterstation. Jetzt wurde sie geschlossen. Warum das den Winzern auch Vorteile bringt.
So sieht heute die Traubenannahme in Wipfeld aus: In großen grauen Boxen wird die Fracht zur Annahmestelle für die Lieferung nach Repperndorf gekarrt. Im Bild (von links)  Roland Blesch, Bürgermeister Tobias Blesch, Rainer Spitzhirn, Werner Pfriem, Leiter der Annahmestelle, und Otto Selzam.
Foto: Daniela Schneider | So sieht heute die Traubenannahme in Wipfeld aus: In großen grauen Boxen wird die Fracht zur Annahmestelle für die Lieferung nach Repperndorf gekarrt.
Daniela Schneider
 |  aktualisiert: 11.02.2024 01:44 Uhr

Noch stehen sie in der Kelterstation, die Wiegewanne, der Entrapper, die Maischetanks, die Weinpresse und die großen Behälter, in die der Most nach dem Keltervorgang gepumpt wurde. Doch die Tage der fast 50 Jahre alten Maschinen sind gezählt. Die Gemeinde hat das stillgelegte Gebäude der Winzergemeinschaft Franken (GWF) erworben und will dort 2022 den Gemeindebauhof einquartieren.

Seit 1972 war die Wipfelder Kelterstation im Einsatz; bis 2019 wurde die Weißweinernte der Genossenschaftswinzer dort gekeltert und anschließend in den Weinkellern der GWF in Repperndorf ausgebaut. Doch nun ist Schluss. In Repperndorf wurde 2020 eine neue, moderne Kelterstation in Betrieb genommen, und in der Folge wurden die elf dezentralen Traubenannahmestellen in der Region Fränkisches Weinland geschlossen. Für die Wipfelder Winzer zwar ein nachvollziehbarer Schritt, der aber auch mit Wehmut verbunden ist.

In Spitzenzeiten gab es über 100 Genossenschaftswinzer

"Mächtig stolz" seien alle gewesen, als Anfang der 1970er-Jahre die Entscheidung für die Einrichtung einer Kelterstation auf den kleinen Weinort fiel, erinnert sich Otto Selzam, einst GWF-Vorstandsvorsitzender und langjähriger Leiter der Wipfelder Kelterstationder. Eine eigene genossenschaftliche Kelterstation am Fuße der Weinberge war eine "tolle Sache" und logistisch wie finanziell "ein Glücksfall" für die vielen Winzer rund um das Dorf. In Spitzenzeiten gab es über 100 Genossenschaftswinzer. Durch den Strukturwandel im Weinbau hat sich die Zahl der Betriebe heute fast halbiert, auch wenn die genossenschaftlich erfasste Fläche mit etwa 50 Hektar stabil geblieben ist und im Herbst weiterhin durchschnittlich rund 400 000 Liter Wein gekeltert wurden.

Der Entrapper im Einsatz: Das Foto stammt aus einer Zeit, als in der Wipfelder Kelterstation noch gekeltert wurde.
Foto: Tobias Blesch | Der Entrapper im Einsatz: Das Foto stammt aus einer Zeit, als in der Wipfelder Kelterstation noch gekeltert wurde.

Fast 50 Jahre lang war die Wipfelder Kelterstation ein Vorzeigeobjekt: Unzählige Besuchergruppen erhielten dort Einblicke in die Weinverarbeitung. Und die Rückmeldungen aus der GWF waren stets positiv, was Verlässlichkeit, Sauberkeit und Wartung der Maschinen betraf. "Es hat immer funktioniert", erzählt Bürgermeister Tobias Blesch. Wie viele Wipfelder ist auch seine Familie im Weinbau "zu Hause" und Blesch mit den Arbeiten in der Kelterstation groß geworden.

Doch die Anlage ist inzwischen in die Jahre gekommen. Notwendige Modernisierungsmaßnahmen und neue Maschinen waren schlicht nicht wirtschaftlich. In der neuen zentralen Kelterei bei Kitzingen sind die Prozesse optimiert. Vieles werde dadurch einfacher, berichtet Werner Pfriem, der seit drei Jahrzehnten für die Traubenannahme zuständig ist.

Seit Ende September liefern die GWF-Winzer ihre Trauben in Boxen an

Vor der Kelterstation fährt gerade Roland Blesch vor. In einer großen 800-Liter-Box befördert er eine Fuhre Grauburgundertrauben zur Annahmestation, so ganz ist das Areal nämlich noch nicht im Ruhestand. Seit Ende September liefern dort die Winzer der GWF erstmals die Trauben in Boxen an, die dann per Lastwagen nach Repperndorf zur neuen Hochleistungskelterstation gekarrt werden. Das soll auch so fortgeführt werden, wenn der Bauhof hier mal eingezogen ist, sagt der Bürgermeister.

An die neue Verladesituation müssen sich zwar alle erst gewöhnen, aber sie bringt tatsächlich auch Vorteile. Während sich früher die GWF-Mitglieder einigen mussten, welche Rebsorte an welchem Tag angenommen wird, können die Winzer nun das abliefern, was sie eben gerade geerntet haben. Wie Pfriem erklärt, wird mit drei Tagen Vorlaufszeit gebucht. Wird wetterbedingt nicht gelesen, verschiebt sich die Abholung um weitere drei Tage. Über einen Chip und die Nummer auf der Transportbox registriert Pfriem die Anlieferung; meist am späten Abend erhält der Winzer dann eine E-Mail aus Repperndorf mit Liefermenge, Rebsorte und Öchsle-Grad.

Mit der Schließung der Kelterstation geht eine Ära zu Ende und damit auch eine Tradition verloren, die in Wipfeld zur Weinlese ein besonderes Bild geprägt hat: Die langen Schlangen von Traktoren, die den Weinberg hinauf auf das Entleeren warten, sind verschwunden und damit auch ein wenig vom zwischenmenschlichen Miteinander beim Gespräch in der Warteschlange, der gemeinschaftlichen Verantwortung und Arbeit in der Kelterstation.

Die berühmte "Letzte Fuhre" soll es allerdings weiterhin geben. In diesem Jahr fand allerdings Corona bedingt ein musikalischer Weinherbst am Kirchplatz statt.

 
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