Bereits im Oktober konnte das Literaturhaus sein zehnjähriges Jubiläum feiern. Dass sich eine solch außergewöhnliche Institution in einem solch kleinen Dorf in all der Zeit lebendig halten konnte, ist vor allem dem Engagement der Unterstützerinnen und Unterstützer zu verdanken, nicht zuletzt Brigitte Diemer, Bürgermeister Tobias Blesch und seiner Stellvertreterin Maria Lindner.
Verfallen und vermorscht war das alte Häuschen aus der Zeit um 1700, als es die Gemeinde kaufte, mit wissenschaftlicher Begleitung renovierte und im Oktober 2009 als Literaturhaus wieder öffnete. Dagmar Stonus und Jochen Ramming vom Planungsbüro Frankonzept wussten, dass ein solches Projekt nur gelingen kann, wenn die Akzeptanz der Menschen rundherum gegeben ist. Inzwischen hat sich gezeigt, dass für die meisten etwas geboten wird im Literaturhaus. Das reicht vom wissenschaftlichen Fachvortrag über den Mundartabend und dem Ernährungsvortrag bis zu den Literaten der Region und größeren kulturellen Ereignissen.
Wenn Veranstaltungen das Literaturhaus sprengen
Die müssen manchmal im Rathaussaal oder woanders stattfinden, denn das Literaturhaus ist fein, aber klein. Höchstens 30 Leute passen in das Literaturforum, im oberen Stock warten kurzweilige und gut aufgearbeitete Informationsstationen zu den "alten" literarischen Wipfelder Köpfen: Conrad Celtis (1459-1508), Engelbert Klüpfel (1733–1811), Nikolaus Müller (1758–1833), Eulogius Schneider (1756-1794), allesamt aufgeklärte, Welt zugewandte Männer, die den fortschrittlichen Geist ihrer Zeit begleitet haben.
Die "jungen" Wipfelder Köpfe, die das Literaturhaus am Laufen halten, können inzwischen sehen, wie ihre Arbeit Früchte trägt: Es hat sich beispielsweise aus einem Theaterabend mit dem jungen Max Sauer eine regionale Theatergruppe gegründet, die über das Dorfjubiläum im vergangenen Jahr hinaus weiter probt und auftritt; es treten inzwischen Künstlerinnen und Künstler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Region und darüber hinaus von selbst an das Literaturhaus heran und so ist es kein Wunder, dass das Programm bis in den nächsten Herbst hinein schon wieder gut gefüllt ist.
"Egal, wie groß oder klein die Veranstaltungen sind, es macht Arbeit, aber es macht auch Spaß und mit der Zeit kommt auch die Anerkennung. Der Kontakt mit den Malern, Künstlern und Literaten erweitert auch das eigene Interessensfeld", sagt Brigitte Diemer, die selbst gerne liest. "Die Welt geht auf mit der Literatur und zeigt ihre ganze Vielfalt!" Sie kann bei ihrem Ehrenamt unter anderem auch auf die Mithilfe von Barbara Wiederer, Anita Tschirwitz und Herbert Eck zählen. So gibt es bei fast jeder Veranstaltung auch leckere Häppchen und natürlich Wipfelder Wein.
Nicht nur im Haus, sondern auch draußen, am Bachufer unterm lauschigen Nußbaum, gibt es im Sommer Veranstaltungen. Das Fachwerkgebäude wurde im Laufe seines Lebens immer wieder erweitert und umgebaut, heute prägt eine barocke Ausgestaltung mit farbigen Wandmalereien und Stuckdecken aus der Mitte des 18. Jahrhunderts die Räume, das Literaturforum ist zudem mit bunten, knalligen Farben aufgefrischt, so dass es Spaß macht, sich niederzulassen.
Die alten und neuen Köpfe Wipfelds
So wie es spannend ist, im oberen Stockwerk nachzuspüren, wie die "alten" Köpfe ganz konkret bis in die Gegenwart hineinwirken, so spannend ist die Beobachtung, wie die "jungen" Köpfe heute von einem spezifischen Wipfelder Geist erfasst ihr Ehrenamt betreiben. Wipfeld "kann man als das Dorf der Dichter und Denker bezeichnen", äußerte sich Elmar Hochholzer, ein wissenschaftlicher Referent, in seinem letztjährigen Vortrag zur Ortsgeschichte.
Dazu gehört auch, hinauszugehen über den begrenzen Raum der eigenen Herkunft, auszubrechen aus der Enge, die durch das kleine Literaturhaus auch vermittelt wird. Den Horizont erweitern im wahrsten Sinne! Das Literaturhaus steht durchaus in dieser Tradition. Neben München und Nürnberg ist es zwar das kleinste Literaturhaus in Bayern, aber es eröffnet auch neue Perspektiven auf die große weite Welt. In der doch schon die Wipfelder Ahnen weit herumgekommen sind. Vielleicht geht das ja wirklich gerade durch die gute regionale Verankerung, frei nach dem schönen Spruch: Nur wer Wurzeln hat, kann fliegen.