Nachts sind auch in Schweinfurt alle Katzen grau, und die meisten Vierbeiner, die dann noch durch die Stadt hüpfen, sind es sowieso. Und nicht nur nachts. Schweinfurts Graue sind reine Vegetarier, weit weg vom Schmusetiger und Haustier-Mümmelmann, aber nicht unbedingt menschenscheu.
Denn der Mensch, das wissen Schweinfurts Kaninchen nur zu gut, macht meistens nichts. Gar nichts. Außer sich oft und wenn, dann ziemlich intensiv über die Hoppelmänner zu ärgern. Denn, so nett sie auch anzusehen sind: Schweinfurts Karnickelbande ist ziemlich gefräßig und schreckt vor wenig zurück.
Vorsichtige Schätzung: Mehrere Zehntausende
Wie viele es sind, das kann keiner sagen, meint Hans-Ulrich Swoboda, Forstamtsleiter der Stadt. Es werden wohl mehrere Zehntausend sein, da ist er sich sicher. Und ebenso darin, dass sehr, sehr viele Schweinfurter die Bande eigentlich nicht besonders putzig findet. Eher im Gegenteil. Zumindest bekommt er das Thema nur dann auf den Tisch, wenn die Grauen mal wieder zugeschlagen haben. In den Friedhöfen zum Beispiel, das ist ebenso unschön wie Dauerthema.
Denn auch dort fühlen sich die Kaninchenbanden, die in großen Gruppen leben, ziemlich wohl, plündern frisch angepflanzte Gräber. Überall in der Stadt sind sie zuhause – in den Parks, vor allem am Theater, wo Swoboda Tausende vermutet, am Schweinfurter Baggersee, an der Gutermann-Promenade, weiter den Main hinunter, um und im Umspannwerk, in Böschungen, Gärten, in Hinterhöfen, an Parkplätzen.
In Schweinfurt haben die Kaninchen „wunderbare Lebensbedingungen“ gefunden – ein Biotop, das es so in der Natur nicht gibt. Mit genügend Nahrung, Blumen und kleinen Bäumen, die sie niederknabbern können.
Schweinfurt ist grün – und das schätzen auch Wildtiere
Dass Schweinfurt sehr viele Parks, Grün- und Gartenanlagen hat, wie Forstamtsleiter Swoboda sagt, lässt die Kaninchen-Populationen ebenso blühen wie die grabungstechnischen Bedingungen. Die Erde ist – für Kaninchen, die in unterirdischen Bauten leben und wie die Weltmeister Tunnel graben – einfach perfekt, sagt Swoboda. Und natürliche Feinde gebe es auch nicht, weder große Greifvögel noch Füchse.
Und so vermehren sich die Grauen munter vor sich hin, bis die Populationen dann doch einmal zu groß werden. Dann regelt die Natur die Sache. Es kommt zu Seuchen, wie der für Kaninchen tödlich verlaufenden Myxomatose, die Bestände gehen nach unten. Und das Ganze beginnt von Neuem.
Bekämpfungsaktionen gab es auch, allerdings wenig von Erfolg gekrönt, erinnert sich der Forstamtsleiter. Denn das eine schien wenig effizient, das andere unmöglich. Wie das Bejagen der Kaninchen, für das die beiden Jagdpächterinnen zuständig wären. Doch das sei, so Swoboda, in einer Stadt wie Schweinfurt einfach nicht machbar. Und Fallen seien ebenso wenig effektiv wie die Jagd mit Greifvögeln.
Auch das habe man mit Hilfe eines Falkners und dessen Habicht schon probiert. Effizient sei das natürlich nicht: Ein Habicht schlägt ein Kaninchen, Tausende andere hoppeln ungerührt weiter. Außerdem kommt in dem Fall der menschliche Aspekt dazu. Wie Omas, die den Falkner beschimpfen, wenn der Habicht ein Kaninchen reißt.
Natürliche Feinde erobern langsam die Stadt
Allerdings: Langsam drängen auch natürliche Feinde in die Stadt, wie Krähen, Marder oder sogar Füchse, hat Gärtnermeister Manuel Ortloff vom Servicebetrieb Stadtgrün beobachtet. Ortloff ist ein echter Kenner des Themas, auch wenn er sich niemals so nennen würde. Doch man merkt im Gespräch schnell: Der Gärtnermeister hat sich lange damit beschäftigt – und so einen Weg gefunden, den Grauen das Knabbern etwas zu verleiden. Mit Natur pur. Ortloff hat sich schlau gemacht, was Kaninchen mögen und was ihnen die Nase hochgeht – und entsprechend die Bepflanzung umgestellt. So werden bewusst Salbeigewächse, Lavendel oder Rosmarin angepflanzt. Was den Kaninchen dermaßen stinkt, dass sie sich auch von den anderen, vielleicht für sie leckeren Gewächsen dazwischen fernhalten. Auch der Naturdünger, den man ausschließlich verwendet, ist für Hasennasen Folter.
So hat man die Situation ganz gut in den Griff bekommen, sagt der Gärtnermeister. Was nicht heißt, dass die Grauen nirgendwo mehr etwas zu fressen finden. In einigen Bereichen, zum Beispiel am Main, lässt man sie in den Böschungen fröhlich vor sich hinknabbern. „Das wächst alles nach“, sagt Ortloff, und die Kaninchen, die sind „halt einfach mal da.“ Früher war das ein Problem, gibt er zu, doch jetzt habe man die Situation ganz gut im Griff. Dazu beigetragen haben auch Bauarbeiten – zum Beispiel in den Konversionsflächen, die Scharen von Kaninchen für sich erobert hatten. Jetzt fahren dort die Bagger und viele Kaninchen wandern ab – in die Flur, an den Rand der Stadt.
Andere Städte machen Jagd auf die Hoppelnasen
Die ist übrigens nicht die einzige, in der sich die Grauen so wahnsinnig wohl fühlen. Es gibt auch andere Städte, weiß Forstamtsleiter Swoboda. Und manche – wie Frankfurt – machen gezielt Jagd auf die Wildkaninchen in der Stadt.
Wer sich und seinen Garten schützen möchte, dem sei übrigens ein tief in die Erde gesetzter Zaun geraten. So einer, wie er auch gerne verwendet wird, um unsere Stallkaninchen, die Kuschel-Kollegen der wilden Grauen, vom Ausbrechen abzuhalten. Denn eines tun alle Kaninchen gerne und wirklich gut: Tunnel graben. Bis zu drei Meter tief und bis zu 50 Meter lang können diese Gänge sein, heißt es auf der Internetseite „Wildtierportal“ des Bayerischen Ministeriums für Landwirtschaft und Forsten. Was unweigerlich zur Frage führt: Wie sieht Schweinfurt wohl von unten aus?
Was Sie über Kaninchen wissen sollten
Hase oder Kaninchen? Die Frage müsste eigentlich lauten: Feldhase oder Kaninchen. Denn: All unsere Hauskaninchen und auch unsere Stallhasen, sagt Schweinfurts Forstamtsleiter Hans-Ulrich Swoboda, stammen von Wildkaninchen, dem Oryctolagus cuniculus, ab. Denn: Der Feldhase lässt sich schlecht halten und züchten. Er ist größer als das Wildkaninchen, hat lange Hinterbeine, an den bis zu 14 Zentimeter langen Ohren schwarze Spitzen und lebt – im Gegensatz zu den kleineren Hopplern – ausschließlich oberirdisch. Was sie verbindet: Beide sind nachtaktiv.
Wo leben Kaninchen? Wildkaninchen legen unterirdische Tunnels und Baue an. Sie leben in Kolonien, anders als der Feldhase, der ein Einzelgänger ist. Kaninchen sind Kulturfolger, lassen sich von der Nähe zum Menschen nicht abschrecken und sind häufig in Grün- und Parkanlagen, in Gärten und auf Friedhöfen zu finden.
Vermehrung: Drei bis vier Würfe im Jahr mit jeweils vier bis sechs, maximal zehn Jungen, sind normal. Kaninchen werden maximal zehn Jahre alt, doch viele erreichen das zweite Lebensjahr nicht.
Größe: Wildkaninchen bringen es auf 35 bis 45 Zentimeter und wiegen 1,3 bis 2,2 Kilogramm. (Wildtierportal Bayern)
22 Sandsteinfiguren
Dieser Artikel ist Teil unserer Sommerserie, die sich um die Symbolfiguren auf dem Giebel des Schweinfurter Rathauses dreht. Sie stehen für Berufsstände, Tugenden oder auch Elemente, wie eben die Erde.